Kritische Anlegerfragen: CO.NET Verbrauchergenossenschaft & Agrarvis Timber Capital III Genossenschaft
- 8 Minuten Lesezeit
Anleger: Herr Reime, ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit nehmen, meine Situation zu analysieren. Ich habe in zwei Genossenschaften investiert – die CO.NET Verbrauchergenossenschaft und die Agrarvis Timber Capital III Genossenschaft. Beide wurden mir als sichere und renditestarke Anlagen empfohlen. Heute habe ich fast alles verloren. Können Sie mir erklären, wie das passieren konnte, und ob mein Berater hier Versäumnisse begangen hat?
RA Reime: Vielen Dank, dass Sie sich an mich wenden. Beide Fälle, die Sie schildern, sind leider keine Einzelfälle. Lassen Sie uns gemeinsam analysieren, wie es zu diesen Verlusten kommen konnte und welche Rechte Sie als Anleger haben. Beginnen wir mit der CO.NET Verbrauchergenossenschaft.
Teil I: Die CO.NET Verbrauchergenossenschaft eG
Beschreibung der Empfehlung
Anleger: Mir wurde die CO.NET Verbrauchergenossenschaft als eine äußerst sichere und rentable Investition vorgestellt. Der Berater sprach davon, dass die Genossenschaft ein etabliertes Geschäftsmodell hat, das auf Immobilieninvestitionen und genossenschaftlichen Vorteilen basiert. Es wurden Renditen von bis zu 10 Prozent p.a. versprochen. War das realistisch?
RA Reime: Leider nicht. Die CO.NET Verbrauchergenossenschaft verfolgte ein Geschäftsmodell, das stark auf den kontinuierlichen Zufluss neuer Mitgliedsbeiträge angewiesen war. Ein erheblicher Teil der Gelder wurde an Tochtergesellschaften wie die CO.NET Card Services S.L. in Spanien weitergeleitet, die in riskante Immobilienprojekte investierten. Dies entspricht keineswegs der Darstellung, die Ihnen vermittelt wurde. Renditeversprechen in dieser Höhe, verbunden mit angeblicher Sicherheit, hätten Sie stutzig machen müssen – und Ihr Berater hätte Sie darauf hinweisen müssen.
Versäumnisse in der Beratung
Anleger: Mein Berater hat mich nicht auf die Risiken hingewiesen. Stattdessen hat er betont, dass die CO.NET eine etablierte und sichere Genossenschaft sei. Er hat sogar behauptet, dass sie durch interne und externe Prüfmechanismen kontrolliert wird. War das korrekt?
RA Reime: Nein, das ist eine irreführende Darstellung. Ihr Berater war verpflichtet, Sie über die tatsächlichen Risiken aufzuklären, insbesondere über die Möglichkeit eines Totalverlustes. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 8. März 2005, XI ZR 170/04) gehört es zu den Pflichten eines Beraters, die Anlage sowohl anlegergerecht als auch objektgerecht zu beurteilen. Das bedeutet, er hätte Ihre persönliche Risikobereitschaft und Ihre Anlageziele berücksichtigen und gleichzeitig die wirtschaftliche Tragfähigkeit der CO.NET überprüfen müssen. Beides hat er offensichtlich nicht getan.
Die BaFinWarnungen
Anleger: Ich habe später erfahren, dass die BaFin bereits 2019 eine öffentliche Warnung vor der CO.NET herausgegeben hat. Warum wurde ich darüber nicht informiert?
RA Reime: Das Verschweigen der BaFinWarnung ist ein schwerwiegendes Versäumnis Ihres Beraters. Die BaFin hat am 09. Januar 2020 öffentlich bekannt gegeben, dass sie der CO.NET das öffentliche Angebot von Anteilen untersagt hat. Diese Warnung weist auf massive regulatorische Probleme und Unregelmäßigkeiten im Geschäftsmodell der CO.NET hin. Ihr Berater war verpflichtet, Sie über diese Warnung zu informieren, da sie ein wesentliches Risiko für Ihre Anlageentscheidung darstellt.
Rechtliche Folgen der Nichtwarnung
Anleger: Welche rechtlichen Konsequenzen hat es, dass mein Berater mich nicht über diese Warnung informiert hat?
RA Reime: Die Nichtweitergabe der BaFinWarnung stellt eine Verletzung der Aufklärungspflichten dar. Nach dem Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 30. März 2017, III ZR 139/15) muss ein Berater den Anleger über alle wesentlichen Umstände informieren, die seine Anlageentscheidung beeinflussen können. Die BaFinWarnung ist ein solcher Umstand, da sie direkt auf die Fragilität und potenzielle Illegalität des Geschäftsmodells der CO.NET hinweist. Ihr Berater hätte Sie daher proaktiv darüber informieren müssen. Das Unterlassen dieser Information begründet Schadenersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB.
Renditeversprechen und Risiken
Anleger: Die Renditen wurden als sicher und garantiert dargestellt. Hätte mein Berater das nicht hinterfragen müssen?
RA Reime: Ja, das ist ein zentraler Punkt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Berater verpflichtet, die Plausibilität der Renditeversprechen zu prüfen (BGH, Urteil vom 8. März 2005, XI ZR 170/04). Im Fall der CO.NET hätte bereits der Vergleich mit marktüblichen Renditen gezeigt, dass solche hohen und stabilen Renditen unrealistisch sind. Zudem hätte Ihr Berater die Struktur der Genossenschaft kritisch hinterfragen müssen, insbesondere die Abhängigkeit von neuen Mitgliedsbeiträgen und die riskanten Immobilieninvestitionen.
Teil II: Die Agrarvis Timber Capital III Genossenschaft
Beschreibung der Empfehlung
Anleger: Die Agrarvis Timber Capital III wurde mir als nachhaltige Alternative vorgestellt. Der Berater sprach davon, dass die Genossenschaft in den Handel mit CO₂Zertifikaten und Holzverkäufe investiert. Es hieß, dass die Renditen ähnlich wie bei der CO.NET seien, aber die Anlage flexibler sei. Wie realistisch war das?
RA Reime: Leider war auch diese Darstellung irreführend. Die Agrarvis Timber Capital III war nicht im österreichischen Firmenbuch eingetragen, was ihre rechtliche Existenz infrage stellt. Renditen von 6 bis 9 Prozent in Verbindung mit angeblicher Sicherheit und Flexibilität sind äußerst unrealistisch. Ihr Berater hätte diese Versprechen hinterfragen und Sie über die fehlende Registrierung der Genossenschaft informieren müssen.
Warnsignale und Versäumnisse
Anleger: Was hätte mein Berater tun müssen, bevor er mir diese Anlage empfahl?
RA Reime: Ihr Berater hätte eine Plausibilitätsprüfung durchführen müssen. Das bedeutet, er hätte überprüfen müssen:
Ob die Agrarvis tatsächlich registriert ist.
Ob die Geschäftsmodelle – wie der CO₂Zertifikatehandel – realistisch sind.
Ob die Renditeversprechen in einem wirtschaftlich tragfähigen Rahmen liegen.
Eine einfache Recherche im österreichischen Firmenbuch hätte ausgereicht, um festzustellen, dass die Agrarvis Timber Capital III nicht existierte. Diese Nachlässigkeit Ihres Beraters ist ein klarer Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten.
Folgen der unrealistischen Darstellung
Anleger: Welche Konsequenzen hat es, dass mein Berater die Anlage als sicher und flexibel dargestellt hat?
RA Reime: Die irreführende Darstellung der Anlage begründet ebenfalls Schadenersatzansprüche. Nach der Rechtsprechung des BGH muss ein Berater die Anlage wahrheitsgemäß und vollständig beschreiben. Insbesondere hätte er Sie auf das Totalverlustrisiko hinweisen müssen, das bei nicht regulierten Genossenschaften wie der Agrarvis besonders hoch ist. Das Verschweigen dieser Risiken führt zu einer Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB.
Kombinierte Analyse: Hauptversäumnisse des Beraters
Anleger: Wenn ich die beiden Fälle zusammenfasse, sehe ich zahlreiche Fehler meines Beraters. Können Sie die wichtigsten Punkte für mich zusammenfassen?
RA Reime: Natürlich. Die wesentlichen Versäumnisse waren:
1. Nichtweitergabe der BaFinWarnung: Bei der CO.NET hätte Ihr Berater Sie über die BaFinWarnung von 2019 informieren müssen. Das Verschweigen dieses wichtigen Umstands ist eine klare Pflichtverletzung.
2. Fehlende Plausibilitätsprüfung: Weder die CO.NET noch die Agrarvis wurden auf ihre rechtliche und wirtschaftliche Tragfähigkeit hin überprüft.
3. Irreführende Darstellung: Beide Anlagen wurden als sicher und konservativ dargestellt, obwohl sie erhebliche Risiken aufwiesen.
4. Verschweigen des Totalverlustrisikos: Weder bei der CO.NET noch bei der Agrarvis wurden Sie über die Möglichkeit eines Totalverlustes informiert.
5. Unrealistische Renditeversprechen: Ihr Berater hat die Renditeversprechen ungeprüft übernommen, obwohl sie weit über dem marktüblichen Niveau lagen.
6. Fehlende Transparenz: Es wurden keine unabhängigen Nachweise oder Prüfberichte vorgelegt, um die Behauptungen der Genossenschaften zu stützen.
Rechtliche Schritte und Verjährung
Anleger: Welche rechtlichen Schritte empfehlen Sie mir?
RA Reime: Zunächst sollten wir die Beratungsdokumentation und die Unterlagen der Genossenschaften gründlich prüfen. Anschließend können wir Schadenersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 1 BGB geltend machen. Wichtig ist, dass wir die Verjährungsfristen im Blick behalten. Gemäß §§ 195, 199 BGB beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre ab dem Zeitpunkt, an dem Sie Kenntnis von der Pflichtverletzung erlangt haben. Sie endet spätestens zehn Jahre nach dem schädigenden Ereignis.
Abschließende Empfehlungen
Interviewer
: Was raten Sie anderen Anlegern, die möglicherweise in ähnliche Genossenschaften investiert haben?
RA Reime: Mein Rat lautet:
1. Lassen Sie Ihre Unterlagen prüfen: Wir sollten die genossenschaftlichen Strukturen analysieren.
2. Handeln Sie schnell: Verpassen Sie keine Verjährungsfristen. Beginnen Sie frühzeitig mit der Vorbereitung einer Klage.
3. Recherchieren Sie selbst: Vertrauen Sie nicht blind auf Berater. Überprüfen Sie die Angaben zur Genossenschaft, etwa durch Abfragen in Registern wie dem Firmenbuch oder dem Handelsregister.
4. Hinterfragen Sie hohe Renditeversprechen: Solche Versprechen sind fast immer mit erheblichen Risiken verbunden. Lassen Sie sich die wirtschaftlichen Grundlagen solcher Renditen erklären.
5. Informieren Sie sich über Regulierungswarnungen: Überprüfen Sie, ob es behördliche Warnungen gibt. Die BaFin bietet auf ihrer Website eine öffentlich einsehbare Liste solcher Warnungen.
Anleger: Vielen Dank, Herr Reime. Ihre Erläuterungen haben mir sehr geholfen. Ich werde die nächsten Schritte mit Ihnen angehen.
RA Reime: Sehr gerne. Es ist wichtig, dass Sie Ihre Rechte geltend machen und dabei helfen, solche Fälle künftig zu verhindern. Ich stehe Ihnen bei allen weiteren Schritten zur Seite.
Fragen
Für alle, die Fragen oder Bedenken haben, bietet RA Jens Reime eine kostenfreie Hotline unter der Nummer
0800 72 73 463
an. Dies soll den Anlegern die Möglichkeit geben, sich fundierte Informationen zu beschaffen und die richtigen Entscheidungen für ihre Investitionen zu treffen.
Die Anwaltskanzlei Reime bleibt auch weiterhin bestrebt, die Interessen der Anleger zu schützen und ihnen mit ihrem Fachwissen und ihrer langjährigen Erfahrung zur Seite zu stehen.
Was ist nun zu tun?
Wir prüfen Ihre Dokumente (Kaufbelege, Mailkorrespondenz) vor Mandatserteilung kostenfrei!
Wir benötigen von Ihnen später auch die Daten zur Rechtsschutzversicherung.
REIME Rechtsanwalt – die Kanzlei
Wir vertreten und beraten betroffene Anleger und haben uns zu den Hintergründen eine umfassende Expertise für unsere Mandanten / Interessengemeinschaft erarbeitet. Gerade jetzt ist eine realistische Einschätzung der rechtlichen und wirtschaftlichen Ausgangslage für jeden Anleger wichtig. Das können Sie durch Kontaktaufnahme mit uns in einem freundlichen Telefonat erreichen. Aber auch kurzfristige Besprechungstermine bei uns oder an jedem anderem Ort sind möglich. Wenden Sie sich einfach jederzeit per Telefon, Email, Fax oder Brief an uns oder kommen Sie einfach unverhofft vorbei.
Ihr Erstkontakt mit uns ist generell kostenfrei.
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Seit nunmehr zwei Jahrzehnten ist die renommierte Anwaltskanzlei Reime ausschließlich im Bereich des Kapitalmarkts tätig und vertritt erfolgreich Anleger in verschiedenen Finanzangelegenheiten. Die Kanzlei hat sich dabei auf eine breite Palette von Fällen spezialisiert, darunter Anleger der Ärztetreuhand-Bauherrenmodelle, der COLUMBUS-Fonds, in den INFINUS Insolvenzen sowie in den Insolvenzen der Deutschen Lichtmiete, UDI, bc connect sowie der wee-Gruppe. Ebenfalls gehören die Insolvenzen größerer Anlagegenossenschaften wie Geno, Vivono und WSW zu ihrem Fachgebiet.
Die Expertise der Anwaltskanzlei Reime erstreckt sich über eine Vielzahl von komplexen Kapitalmarktthemen, in denen sie die Interessen der Anleger mit Engagement und Sachverstand vertritt. Ihr fundiertes Wissen und ihre umfangreiche Erfahrung machen sie zu einem vertrauenswürdigen Partner für alle, die Unterstützung in Finanzfragen benötigen.
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