​Kündigung einer Bürgschaft durch den Bürgen. Ist dies möglich und welche Rechtsfolgen entstehen hierdurch?

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Bürgschaft und Bürge: Es kann gefährlich werden

Die Bürgschaft ist ein klassisches und weit verbreitetes Instrument der Kreditsicherung, das sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Bereich Anwendung findet. 

Sie ist eine Form der persönlichen Sicherheit, bei der eine dritte Partei, der Bürge, gegenüber dem Gläubiger eines Hauptverpflichteten (dem Hauptschuldner) die Haftung für die Erfüllung einer Verbindlichkeit übernimmt. 

Diese Verpflichtung des Bürgen ist in der Regel eine Ergänzung zu einer bestehenden Hauptverbindlichkeit.

Wesen und Charakteristik einer Bürgschaft sind insbesondere:

  • Akzessorische Natur: Die Bürgschaft ist akzessorisch, das bedeutet, sie ist direkt an die Hauptverbindlichkeit gebunden. Ihre Gültigkeit und ihr Umfang hängen von der zugrunde liegenden Hauptforderung ab. Ändert sich die Hauptforderung, so ändert sich auch der Umfang der Bürgschaft.
  • Einseitig verpflichtender Vertrag: Die Bürgschaft ist ein einseitig verpflichtender Vertrag, bei dem der Bürge eine Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger eingeht, ohne dass der Gläubiger eine Gegenleistung erbringen muss.
  • Formvorschrift: Nach § 766 BGB muss die Bürgschaftserklärung grundsätzlich schriftlich erfolgen, um gültig zu sein. Ausnahmen bestehen für Kaufleute im Rahmen ihres Handelsgeschäfts.

Die Rolle des Bürgen:

Der Bürge ist eine Person, die sich verpflichtet, für die Verbindlichkeiten eines Dritten einzustehen. Diese Rolle erfordert ein hohes Maß an Vertrauen in den Hauptschuldner, da der Bürge im Falle eines Zahlungsausfalls des Hauptschuldners zur Zahlung verpflichtet ist. Die Bürgschaft kann für den Bürgen ein erhebliches finanzielles Risiko darstellen, insbesondere wenn der Hauptschuldner zahlungsunfähig wird.

Umso wichtiger ist es, dass ein Bürge über seine Rechtsstellung und seine rechtlichen Möglichkeiten hinreichend Kenntnis hat.


Bürgschaft und ihre Wirkung nach dem BGB

Die rechtlichen Grundlagen der Bürgschaft in Deutschland sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Die §§ 765 bis 778 BGB regeln die Bürgschaft als eine Form der persönlichen Sicherheitsleistung. Diese Vorschriften definieren die rechtliche Natur, die Anforderungen und die Wirkungen der Bürgschaft.

Grundlegende Definition (§ 765 BGB):

Nach § 765 Absatz 1 BGB verpflichtet sich der Bürge durch den Bürgschaftsvertrag gegenüber dem Gläubiger eines Dritten (dem Hauptschuldner), für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Dritten einzustehen. Diese Verpflichtung ist einseitig, da sie nur den Bürgen zur Leistung verpflichtet, ohne dass der Gläubiger eine direkte Gegenleistung erbringt.

Akzessorietät der Bürgschaft:

Die Bürgschaft ist akzessorisch, das heißt, sie ist abhängig von der Hauptforderung:

  • Existenz und Umfang: Die Gültigkeit der Bürgschaft ist an das Bestehen einer Hauptforderung gebunden. Ändert sich die Hauptforderung, ändert sich auch der Umfang der Bürgschaft.
  • Erlöschen: Erlischt die Hauptforderung, erlischt auch die Bürgschaft. Dies ist in § 767 Absatz 1 BGB geregelt.

Formvorschriften (§ 766 BGB):

Die Bürgschaftserklärung muss schriftlich erfolgen, um wirksam zu sein. Diese Schriftform dient dem Schutz des Bürgen, indem sie ihn zur sorgfältigen Überlegung anhält, bevor er eine solche Verpflichtung eingeht. Für Kaufleute im Rahmen ihres Handelsgeschäfts gelten gemäß § 350 HGB erleichterte Formvorschriften.

Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB):

Der Bürge kann die Einrede der Vorausklage erheben, was bedeutet, dass er die Zahlung verweigern kann, bis der Gläubiger versucht hat, die Forderung beim Hauptschuldner einzutreiben. Diese Einrede steht jedoch nicht selbstschuldnerischen Bürgen und Kaufleuten im Rahmen ihres Handelsgeschäfts zur Verfügung.

Beschränkungen der Bürgenhaftung:

Die Haftung des Bürgen kann durch den Bürgschaftsvertrag beschränkt werden. So kann eine Bürgschaft auf einen Höchstbetrag begrenzt oder auf bestimmte Forderungen beschränkt werden.

Mitbürgschaft (§ 769 BGB):

Wenn mehrere Bürgen eine Bürgschaft für dieselbe Verbindlichkeit übernehmen, haften sie als Gesamtschuldner. Jeder Bürge ist dann für die gesamte Verbindlichkeit haftbar, und der Gläubiger kann sich an jeden von ihnen halten.

Wirkung der Bürgschaft:

Die Bürgschaft hat eine starke rechtliche Wirkung, da sie dem Gläubiger eine zusätzliche Sicherheit bietet. Im Falle eines Zahlungsausfalls des Hauptschuldners kann der Gläubiger sich direkt an den Bürgen wenden. Für den Bürgen bedeutet dies ein erhebliches finanzielles Risiko, da er für die Verbindlichkeiten des Hauptschuldners vollständig haftbar gemacht werden kann.


Anwendungsbereiche der Bürgschaft

Die Bürgschaft ist ein vielseitiges Instrument der Kreditsicherung und findet in verschiedenen Bereichen Anwendung. Ihre Flexibilität und rechtliche Stärke machen sie zu einer bevorzugten Form der Sicherheit sowohl für private als auch für geschäftliche Zwecke. Im Folgenden werden einige der häufigsten Anwendungsbereiche der Bürgschaft detaillierter beschrieben:

1. Kreditwesen:

Im Kreditwesen ist die Bürgschaft eine gängige Form der Sicherheit. Banken und andere Kreditinstitute verlangen oft Bürgschaften, um das Risiko eines Kreditausfalls zu minimieren. Dies gilt besonders für Kreditnehmer, die keine ausreichenden materiellen Sicherheiten bieten können oder eine schwache Kreditwürdigkeit haben. Durch die Bürgschaft eines Dritten, der über eine bessere finanzielle Stabilität verfügt, wird das Risiko für den Kreditgeber reduziert.

2. Mietrecht:

Im Mietrecht dient die Bürgschaft häufig als Sicherheit für die Erfüllung der Mieterpflichten. Vermieter verlangen oft eine Bürgschaft, insbesondere bei jungen oder finanziell weniger stabilen Mietern, um sich gegen Risiken wie unbezahlte Mieten oder Schäden an der Mietwohnung abzusichern. Eine Mietbürgschaft ist besonders bei Studentenwohnungen oder Erstmietern üblich.

3. Geschäftsverkehr:

Im Geschäftsverkehr werden Bürgschaften eingesetzt, um Handelstransaktionen abzusichern. Unternehmen können Bürgschaften nutzen, um ihre Lieferanten zu beruhigen, insbesondere bei großen Aufträgen oder langfristigen Geschäftsbeziehungen. Eine Bürgschaft kann auch als Sicherheit für die Zahlung von Rechnungen oder die Erfüllung von Vertragspflichten dienen.

4. Ausbildung und Studium:

Bürgschaften sind auch im Bildungsbereich relevant, insbesondere bei der Finanzierung von Studienkrediten. Studenten, die keinen Zugang zu staatlicher Förderung haben oder zusätzliche finanzielle Unterstützung benötigen, können durch eine Bürgschaft eines Dritten (oft ein Familienmitglied) einen Studienkredit erhalten.

5. Unternehmensgründungen und -erweiterungen:

Für Unternehmensgründer oder kleine Unternehmen, die expandieren möchten, kann der Zugang zu Krediten durch Bürgschaften erleichtert werden. Hierbei bürgt oft ein Dritter für Kredite, die für die Gründung oder Erweiterung des Unternehmens benötigt werden.

6. Öffentliche Hand:

Auch die öffentliche Hand nutzt Bürgschaften, beispielsweise in Form von Staatsbürgschaften, um wirtschaftliche Projekte zu unterstützen, die im öffentlichen Interesse liegen. Diese Bürgschaften können dazu beitragen, Investitionen in bestimmte Branchen oder Regionen zu fördern.

7. Internationale Handelsgeschäfte:

Im internationalen Handel werden Bürgschaften als Instrument zur Absicherung von Exportgeschäften verwendet. Exportierende Unternehmen sichern sich so gegen das Risiko ab, dass ausländische Geschäftspartner ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen.

In all diesen Bereichen bietet die Bürgschaft eine wichtige Absicherung für Gläubiger und ermöglicht gleichzeitig Schuldnern, Verpflichtungen einzugehen oder Geschäfte zu tätigen, die ohne diese zusätzliche Sicherheit nicht möglich wären. Es ist jedoch wichtig, dass sich sowohl Bürgen als auch Hauptschuldner der rechtlichen und finanziellen Verpflichtungen, die eine Bürgschaft mit sich bringt, vollständig bewusst sind.


Beendigung einer Bürgschaft und Kündigung durch den Bürgen

Die Beendigung einer Bürgschaft ist ein wichtiger Aspekt, der sowohl für den Bürgen als auch für den Gläubiger von Bedeutung ist. Es gibt verschiedene Wege, auf denen eine Bürgschaft beendet werden kann, und die Möglichkeit einer Kündigung durch den Bürgen ist dabei ein besonders interessanter Punkt.

Allgemeine Beendigungsgründe einer Bürgschaft:

  • Erfüllung der Hauptverbindlichkeit: Die Bürgschaft erlischt automatisch, wenn die Hauptverbindlichkeit, für die sie geleistet wurde, erfüllt wird. Dies ist der häufigste Fall der Beendigung einer Bürgschaft.

  • Aufhebungsvertrag: Bürgschaft kann durch einen Aufhebungsvertrag zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen beendet werden. Dies erfordert die Zustimmung beider Parteien.

  • Zeitablauf: Wenn die Bürgschaft für einen bestimmten Zeitraum übernommen wurde, endet sie mit dem Ablauf dieser Frist.

  • Kündigung der Bürgschaft: Unter bestimmten Umständen kann der Bürge die Bürgschaft kündigen. Dies hängt von den spezifischen Bedingungen des Bürgschaftsvertrags und den Umständen des Einzelfalls ab.

Kündigung durch den Bürgen:

Voraussetzungen und Möglichkeiten:

  • Unbefristete Bürgschaft: Bei einer unbefristeten Bürgschaft kann der Bürge grundsätzlich ein Kündigungsrecht haben. Dies hängt jedoch von den Bedingungen des Bürgschaftsvertrags ab.
  • Befristete Bürgschaft: Bei einer befristeten Bürgschaft ist eine Kündigung normalerweise nicht möglich, es sei denn, es wurde vertraglich eine Kündigungsmöglichkeit vereinbart.

Rechtsfolgen der Kündigung:

  • Fortbestehende Haftung für bestehende Verbindlichkeiten: Eine Kündigung entbindet den Bürgen nicht von der Haftung für Verbindlichkeiten, die vor der Kündigung entstanden sind.
  • Keine Haftung für zukünftige Verbindlichkeiten: Nach der Kündigung entsteht keine Haftung mehr für Verbindlichkeiten, die nach der Kündigung entstehen.

Besonderheiten:

  • Kündigung aus wichtigem Grund: In Ausnahmefällen kann eine Kündigung auch aus wichtigem Grund möglich sein. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn sich die finanzielle Situation des Hauptschuldners erheblich verschlechtert.
  • Rücktrittsrecht: Unter bestimmten Umständen kann der Bürge auch ein Rücktrittsrecht haben, beispielsweise wenn er über wesentliche Umstände getäuscht wurde.


Die Beendigung einer Bürgschaft, insbesondere durch Kündigung des Bürgen, ist ein komplexes Thema, das stark von den individuellen Umständen und den vertraglichen Vereinbarungen abhängt. Bürgen sollten sich daher vor Übernahme einer Bürgschaft umfassend über ihre Rechte und Pflichten informieren und gegebenenfalls rechtlichen Rat einholen.


Fazit

Die Bürgschaft ist ein wichtiges Instrument zur Sicherung von Verbindlichkeiten. Die Haftung des Bürgen ist umfassend, und die Möglichkeiten zur Beendigung der Bürgschaft sind begrenzt. Eine Kündigung durch den Bürgen ist unter bestimmten Umständen möglich, entbindet ihn aber nicht von bereits entstandenen Verpflichtungen. 

Bürgen sollten sich daher der Tragweite ihrer Verpflichtung bewusst sein und die Bedingungen der Bürgschaft sorgfältig prüfen.



Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. 


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