Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers: Warum auch für Organe die gesetzlichen Fristen gelten können
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Darf ein GmbH-Geschäftsführer ohne Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen entlassen werden? Und gilt für ihn überhaupt der „normale“ Kündigungsschutz? Ein neuer Fall vor dem Bundesgerichtshof zeigt, wie schnell eine Kündigung unwirksam sein kann – und warum auch Geschäftsführer sich auf gesetzliche Fristen berufen dürfen.
Sachverhalt und Entscheidung:
Ein nicht beherrschender Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH (Teil einer GmbH & Co. KG) wurde im März 2016 überraschend gekündigt – und zwar außerordentlich mit sofortiger Wirkung sowie hilfsweise ordentlich. Anlass war ein Beschluss der Gesellschafterversammlung zur Liquidation der Gesellschaft. Der Geschäftsführer selbst war bei der Versammlung anwesend, stimmte aber gegen seine eigene Kündigung.
Die Gesellschafter beschlossen, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrats die Kündigungen aussprechen solle. Dieser tat das einige Tage später – am 22. März –, die Kündigung ging dem Geschäftsführer am 23. März zu.
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 5.11.2024 – II ZR 35/23) entschied:
✅ Die außerordentliche Kündigung war unwirksam, weil sie verspätet erklärt wurde – die Zwei-Wochen-Frist nach § 626 Abs. 2 BGB war bereits abgelaufen.
✅ Für nicht beherrschende Geschäftsführer gelten die gesetzlichen Mindestkündigungsfristen des § 622 BGB entsprechend – im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
Rechtslage und Einordnung:
Normalerweise gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht für GmbH-Geschäftsführer, da sie keine Arbeitnehmer im klassischen Sinn sind. Dennoch können arbeitsrechtliche Grundsätze entsprechend anwendbar sein – insbesondere dann, wenn der Geschäftsführer nicht die Gesellschaft „beherrscht“, also keine Mehrheitsbeteiligung oder umfassende Entscheidungsgewalt hat.
Zwei zentrale Rechtsfragen standen im Raum:
- Wann beginnt die Frist zur außerordentlichen Kündigung (§ 626 Abs. 2 BGB)?
– Mit Kenntnis des zur Kündigung befugten Organs (hier: der Gesellschafterversammlung).
– Das war im konkreten Fall der 8. März – die Kündigung am 23. März kam damit einen Tag zu spät. - Welche Kündigungsfrist gilt bei einer ordentlichen Kündigung?
– Der BGH stellte (wieder) klar: Für nicht beherrschende GmbH-Geschäftsführer gilt die Mindestkündigungsfrist des § 622 BGB.
– Damit widerspricht er ausdrücklich dem Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 11.6.2020 – 2 AZR 374/19), das auf § 621 BGB abstellt, der kürzere Fristen für freie Dienstverhältnisse vorsieht.
Fehleranalyse und Praxistipps:
Was lief hier falsch?
❌ Die Gesellschafterversammlung beschloss keine unmittelbare Kündigung, sondern beauftragte ein anderes Organ (den Aufsichtsrat), diese umzusetzen.
❌ Dadurch wurde die Kündigung erst später ausgesprochen – zu spät für eine wirksame außerordentliche Kündigung.
❌ Die gesetzlichen Fristen wurden nicht beachtet, obwohl sie – nach Ansicht des BGH – auch für Geschäftsführer gelten können.
Tipps für Geschäftsführer und Arbeitnehmer in ähnlicher Position:
✅ Genau prüfen, welche Fristen im Vertrag oder gesetzlich gelten – auch als Organvertreter!
✅ Bei außerordentlichen Kündigungen: Frist von zwei Wochen ab Kenntnis beachten – nicht ab Erklärung!
✅ Nicht jede Vertragsklausel zu Kündigungsgründen ist automatisch wirksam – Klauseln müssen klar und transparent formuliert sein.
✅ Wer keine Mehrheitsbeteiligung hat, sollte sich nicht ohne Weiteres als „schlechter gestellt“ ansehen als Arbeitnehmer – in vielen Fällen greifen Schutzmechanismen entsprechend.
Fazit:
Auch wer „oben“ steht, ist nicht schutzlos: Das Urteil des BGH zeigt, dass nicht beherrschende GmbH-Geschäftsführer Kündigungsschutz genießen können – zumindest in Form gesetzlicher Mindestkündigungsfristen. Wer sich in vergleichbarer Position befindet, sollte seine Verträge sorgfältig prüfen (lassen) – und Kündigungen nicht vorschnell hinnehmen.
🔎 Tipp: Im Fall einer Kündigung oder Vertragsstreitigkeit sollte schnell rechtlicher Rat eingeholt werden – Fristen laufen oft früher an, als man denkt. Und eine einzige Formulierung im Beschluss kann über die Wirksamkeit entscheiden.
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