Kürzung des Elterngeldes bei Einkünften von 0,00 EUR während des Elterngeldbezugs

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Der Fall

Der Kläger beantragte für sein im Oktober 2010 geborenes Kind Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat. Im Jahr 2009 hat er als Angestellter Einkünfte in Höhe von 53.718,00 EUR sowie Verluste aus seinem selbständig betriebenen Gewerbe. Gegenüber der Elterngeldstelle gab er an, er werde während des Bezugszeitraums aus seiner selbständigen Tätigkeit durchschnittlich 0,00 EUR bei 0 Wochenstunden erzielen. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Kläger für den Bezugszeitraum ein Elterngeld in Höhe von 1.755,00 EUR bewilligt. Begründet wurde dies damit, dass bei der Berechnung zwar ein durchschnittliches Nettoeinkommen von über 3.223,34 EUR zu Grunde zu legen sei, wonach sich rechnerisch (65 %) ein Anspruch auf Elterngeld von 2.095,17 EUR ergebe, der auf den Höchstbetrag von 1.800,00 EUR zu kürzen sei; da der Kläger aber während des Bezugszeitraumes Einkünfte aus seinem Gewerbebetrieb in Höhe von 0,00 EUR erzielen werde, berechne sich das Elterngeld unter Berücksichtigung der Gesamteinkünfte nach § 2 Abs. 3 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz („BEEG") mit der Folge, dass dem Kläger nur ein Anspruch in Höhe von 1.755,00 EUR (2.700,00 EUR - 0,00 EUR, daraus 65 %) zustünde.

Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Widerspruch und bat um Bewilligung eines Elterngelds in Höhe von 1.800,00 EUR mit der Begründung, er würde sonst gegenüber denjenigen benachteiligt, die kein Gewebe betreiben würden. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg. In der Begründung wurde darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2011 („HBeglG 2011") den vormaligen Prozentsatz von 67 % bei höheren Einkommen stufenweise auf 65 % reduziert habe. Bei Einkünften während des Elterngeldbezugs errechne sich die Höhe des Elterngeldes gem. § 2 Abs. 3 BEEG aus der Differenz der durchschnittlichen Einkünfte vor der Geburt und den Einkünften während des Bezugszeitraumes, wobei die Einkünfte vor der Geburt mit höchstens 2.700,00 EUR anzusetzen seien. Diese Regelung sei vom Gesetzgeber im Zuge der Reduzierung des Prozentsatzes nicht angepasst worden.

Dagegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht Nürnberg Klage erhoben und in erster Instanz Recht bekommen (SG Nürnberg, Urteil v. 26.03.2012, Az. S 9 EG 51/11). Begründet wurde die Entscheidung damit, dass § 2 Abs. 3 BEEG schon begrifflich nicht anwendbar sei, wenn während des Elterngeldbezugs keine Einkünfte erzielt werden. Jedenfalls müsse in diesem Fall anderweitig sichergestellt werden, dass eine Kürzung des Elterngeldes nicht erfolgt, denn dies widerspräche dem Sinn und Zweck der Kürzungsregelung.

Diese Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, die Entscheidung des Landessozialgerichts Bayern steht noch aus (LSG Bayern, Az. L 12 EG 13/12).

Hintergrund

Im Zuge der zur Haushaltskonsolidierung eingeleiteten Sparmaßnahmen wurde mit dem HBeglG 2011 § 2 Abs. 2 BEEG dahingehend abgeändert, dass der Prozentsatz von 67 % ab einem Einkommen von 1.200,00 EUR schrittweise um 0,1 Prozentpunkte für je 2,00 EUR auf bis zu 65 % reduziert wird. § 2 Abs. 3 BEEG wurde jedoch nicht geändert, obwohl der dort festgelegte Höchstbetrag von 2.700,00 EUR auf der ursprünglichen Regelung beruhte, nach der das Elterngeld 67 % betragen sollte (67 % von 2.700,00 EUR sind 1.809,00 EUR).In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass „... die Umsetzung des von der Bundesregierung beschlossenen Zukunftspakets einer fachgesetzlichen Regelung bedarf" die „...im Wesentlichen durch das vorliegende Haushaltsbegleitgesetz..." erfolge. „Die in ihm enthaltenen Maßnahmen erreichen im Finanzplanzeitraum bis 2014 ein Entlastungsvolumen zugunsten des Bundeshaushalts von insgesamt rund 20 Mrd. Euro und tragen damit (...) maßgeblich dazu bei, dass das vom Kabinett vereinbarte Einsparvolumen der Höhe nach erreicht wird. Im Einzelnen sieht der Gesetzentwurf folgende Maßnahmen vor: (...) Änderungen im Bereich des Elterngeldes: (…) Absenkung der Ersatzquote ab einem zu berücksichtigenden Einkommen von 1 200 Euro von 67 Prozent auf 65 Prozent, (...)" (BT Drucksache 17/3406).Diese Regelung hatte zur Folge, dass die Kappungsgrenze des § 2 Abs. 1 BEEG erst bei einem Nettoeinkommen von 2.770,00 EUR erreicht wird (65 % daraus sind 1.800,50 EUR). Die weiteren Regelungen wurden bei der Gesetzesänderung nicht mit berücksichtigt und waren offensichtlich auch nicht Gegenstand der Beratungen. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass lediglich die Angemessenheit der Reduzierung des Prozentsatzes von 67 % auf 65 % bei höheren Einkommen thematisiert wurde. Es wurde dabei schlichtweg übersehen, dass die Änderung des Prozentsatzes in § 2 Abs.2 BEEG dazu führt, dass es nach § 2 Abs. 3 BEEG zu einer Ungleichbehandlung kommt.

Nach der in der Zeit vom 03.12.2011 bis 17.09.2012 geltenden Fassung des BEEG („BEEG 2012") wird bei der Anrechnung von Einkommen während der Elternzeit ein Betrag von 2.700,00 EUR zu Grunde gelegt. Das hat zur Folge, dass hinzuverdienende Eltern mit einem Einkommen von mehr als 2.700,00 EUR schlechter gestellt werden. Denn ab diesem Betrag haben sie in Summe weniger Elterngeld zur Verfügung als sie hätten, wenn sie nicht arbeiten würden.

Beispiel:

Einkommen vor der Geburt: 2.770,00 EUR

Anspruch Elterngeld ohne Nebeneinkünfte: 1.800,00 EUR

2.700,00 EUR - 100,00 EUR = 2.600,00 EUR daraus 65 % sind 1.690,00 EUR insgesamt zur Verfügung: 100,00 EUR + 1.690,00 EUR = 1.790,00 EUR

Differenz: 10,00 EUR Ab einem Einkommen von 2.700,00 EUR haben Bezieher von Elterngeld einen geringeren Anspruch, als dies der Fall wäre, wenn sie nicht arbeiten würden. Offensichtlich wird dies bei einem Einkommen während der Elternzeit von bis zu 129,00 EUR. Bis zu diesem Betrag bringt man sozusagen „noch Geld mit", um arbeiten gehen zu dürfen. Bei einem darüber liegenden Einkommen fällt es vielleicht nicht auf, aber auch dann besteht ein weiterhin ein Fehlbetrag.

Dieser Fehler wurde offenbar erkannt und mit der Änderung des § 2 Abs. 3 Satz 2 BEEG in der ab dem 18.09.2012 geltenden Fassung („BEEG 2013") dahingehend „korrigiert", dass bei der Anrechnung von Erwerbseinkommen während der Elternzeit als Ausgangseinkommen 2.770,00 EUR anstatt bisher 2.700,00 EUR angesetzt werden. Diese Fassung des Gesetzes gilt aber gem. § 27 Abs. 1 BEEG 2013 nur für Kinder, die nach dem 01.01.2013 geboren wurden.

Darin ist in zweifacher Hinsicht eine Ungleichbehandlung zu sehen. Zunächst verstößt schon die ursprüngliche Regelung des BEEG 2012 gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Höchstsatz von 1.800,00 EUR wird erst ab einem Einkommen von 2.770,00 EUR erreicht, dennoch wird bei der Gegenüberstellung von dem Ausgangseinkommen und dem Einkommen während der Elternzeit nach § 2 Abs. 3 BEEG 2012 nur ein Ausgangseinkommen von 2.700,00 EUR angesetzt. Im Verhältnis zu den Beziehern von niedrigerem Elterngeld liegt somit eine Ungleichbehandlung vor, da nur bei diesen ein echter Vergleich von tatsächlichem Einkommen vor und während der Elternzeit vorgenommen wird. Ein nachvollziehbarer (rechtfertigender) Grund ist nicht erkennbar. Die Gesetzesmaterialien erwecken eher den Eindruck eines Rechenfehlers oder eines redaktionellen Versehens im Rahmen der Gesetzgebung.

Jedenfalls liegt aber ab dem 01.01.2013 eine Ungleichbehandlung zwischen den Beziehern von Elterngeld für Kinder die vor und nach dem 01.01.2013 geboren wurden vor. Beide erhalten den Höchstsatz von 1.800,00 EUR erst bei einem Ausgangseinkommen von 2.770,00 EUR, werden aber bei der Anrechnung von nach dem 01.01.2013 zugeflossenem Einkommen anders behandelt, ohne dass hierfür ein Grund erkennbar ist. Darüber hinaus sollte man annehmen, dass es im Interesse des Staates sein sollte, wenn Bezieher von Elterngeld etwas hinzuverdienen. Schließlich werden durch die Anrechnung von Erwerbseinkommen die Ausgaben für das Elterngeld reduziert, was nicht der Fall ist, wenn aufgrund der Regelung des BEEG 2012 Eltern davon abgehalten werden, während der Elternzeit einer grundsätzlich erlaubten Teilzeittätigkeit nachzugehen.

Ein dem eingangs geschilderten Fall vergleichbarer Sachverhalt wurde dem LSG Baden-Württemberg zur Entscheidung vorgelegt. Die Richter entschieden mit Urteil vom 17.07.2012 (Az. L 11 EG 4747-11), dass sich das Elterngeld bei einem Einkommen von 0,00 EUR oder weniger generell nach § 2 Abs. 3 BEEG berechne mit der Folge, dass bei einer zulässigen Nebentätigkeit stets nur ein Anspruch von max. 1.755,00 bestünde. Begründet wird dies damit, dass alle, die erwerbstätig seien, nur max. 1.755,00 EUR Elterngeld beziehen dürften, unabhängig davon, ob sie während des Bezugs tatsächlich Einkünfte erzielen oder nicht. Es läge auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber nicht erwerbstätigen Beziehern von Elterngeld vor, da diejenigen, die arbeiten gingen schließlich weniger Zeit für ihre Kinder hätten. Das Argument ist schlichtweg falsch, denn schließlich haben auch diejenigen Bezieher von Elterngeld, die von vornherein weniger als 2.700,00 EUR verdient haben und den Höchstbetrag schon deshalb nicht aufgrund ihrer Nebentätigkeit auch weniger Zeit für Ihre Kinder und trotzdem hat dies für sie keine Auswirkungen. Auch diese Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, das Verfahren ist vor dem BSG unter dem Az. B 10 EG 18/12 R anhängig.Es bleibt also dabei, dass die Regelung in sich unstimmig ist und dem Sinn und Zweck der Kürzungsregelung widerspricht. Es liegt eine eindeutige Ungleichbehandlung an sich gleicher Sachverhalte vor.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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