Kugeltupfer im Bauch vergessen: 10.560 Euro

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Mit außergerichtlichem Vergleich vom 04.04.2016 hat sich die Haftpflichtversicherung eines Krankenhauses verpflichtet, an meinen Mandanten einen Betrag in Höhe von 10.560 Euro (10.000 Euro Schmerzensgeld, 560 Euro Fahrtkosten) sowie die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.

Der 1964 geborene Angestellte litt unter einer großen, kongenitalen, spinalen intraduralen Arachnoidalzyste. Im Januar 2011 wurde ihm im Krankenhaus bei Normdruck-Hydrocephalus ein VP-Shunt implantiert (chirurgisch geschaffene Verbindung zwischen dem Ventrikelsystem des Gehirns und der Bauchhöhle zur Ableitung des Liquors). Bei einem Hydrocephalus handelt es sich um eine Erweiterung der inneren Liquorräume im Schädel, die aufgrund der damit verbundenen Druckzunahme zu Allgemeinsymptomen, wie Beeinträchtigung der Wachheit (Vigilanz), Konzentrationsstörung, Kopfschmerzen und zahlreichen weiteren Symptomen, führen kann. Bei nachgewiesenem Hydrocephalus ist die Therapie der Wahl eine operative Versorgung mit einer Liquorableitung. Standardverfahren ist hierbei der ventrikuloperitoneale Shunt, bei dem eine Ableitung des Liquors vom Schädelinneren über ein Schlauchsystem bis in den Bauchraum erfolgt. Damit nicht zu viel Liquor abfließt, ist ein Ventilsystem zwischengeschaltet.

Am 02.08.2011 erfolgte eine Revisionsoperation im selben Krankenhaus wegen einer Shunt-Dysfunktion. Bei einem CT-Abdomen mit Kontrastmittel am 08.01.2014 fanden die Ärzte eines Nachfolgekrankenhauses Fremdmaterial auf Höhe des Shunteintritts nach intraperitoneal. Der vom Mandanten eingeschaltete Sachverständige stellte fest: Sollte sich die im Abdomen-CT vom 08.01.2014 beschriebene Struktur tatsächlich als Tupfer identifizieren lassen, müsse dieser, da bei dem Patienten keine sonstige abdominale OP an gleicher Stelle erfolgt sei, im Rahmen einer VP-Shunt-Operation im Abdomen verblieben sein.

Der Mandant hatte dem Krankenhaus vorgeworfen, bei der Revisionsoperation vom 02.08.2011 behandlungsfehlerhaft einen Kugeltupfer im Abdomen vergessen zu haben. Durch eine Zählkontrolle der intraoperativ benutzten Materialien am Ende einer Operation könne vermieden werden, dass z. B. der Tupfer unbemerkt im Operationsgebiet zurückbleibe. Diese Zählkontrollen sind Routinemaßnahmen, die nicht zusätzlich dokumentiert werden müssen. Allerdings spricht ein im OP-Gebiet verbliebener Tupfer gegen eine erfolgte Zählkontrolle.

Dieser OP-Tupfer wurde am 12.05.2015 in einem Nachfolgekrankenhaus entfernt. Da der Fremdkörper sich bereits zersetzte, musste das OP-Gebiet intraoperativ vergrößert werden. Die Narbe am Bauch war mit 12 cm Länge und 11 Klammern sehr groß. Vorher hatte der Mandant nur eine punktförmige Narbe. Der Mandant litt unter der Tatsache psychisch sehr stark, dass der Tupfer in der Nähe des VP-Shunt-Schlauchs lag. Es bestand die latente Gefahr einer Infektion. Ebenso bestand eine Infektionsgefahr bei der Entnahme des Tupfers. Die Entnahme des Tupfers verlief jedoch komplikationslos.

Christian Koch

Fachanwalt für Medizinrecht



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