– Kurz erklärt – der notarielle Zuwendungsverzicht

  • 3 Minuten Lesezeit



Die Ehegatten E. haben ein sog. „Berliner Testament“ erstellt, wonach erst der überlebende Ehegatte allein erben soll und nach dessen Tod der einzige, gemeinsame Sohn S. In dem Testament regeln sie, dass es sich um den endgültigen Willen von beiden handelt, sodass keiner mehr ohne den anderen Ehegatten etwas daran ändern können soll. Nachdem die Ehefrau viel zu früh verstirbt, kommt es zu einem kräftigen Streit zwischen Vater und Sohn. Der einsame Vater V. findet Trost und neue Lebensenergie in einer neuen Partnerin, P. Die beiden haben sich gesucht und gefunden und leben mehrere Jahre zufrieden miteinander, bis dem V. eines klar wird: Wenn er verstirbt, kann er der P. wegen seines Ehegattentestaments nichts mehr hinterlassen, nicht einmal seinen Anteil an dem gemeinschaftlichen Konto. Die Vorstellung, dass der undankbare S. nach seinem Tod alles von ihm erhalten wird und seine neue Liebe P. gar nichts erhalten kann, gefällt dem V. überhaupt nicht. Er fragt deshalb einen Rechtsanwalt, ob er an seinem gemeinschaftlichen Testament noch einmal etwas ändern kann. Dieser erklärt ihm folgendes:

Ein gemeinschaftliches Ehegattentestament enthält meist miteinander wechselbezügliche Verfügungen. Die Ehegatten treffen ihre Verfügungen genau deshalb, weil auch der jeweils andere Ehegatte eine bestimmte Verfügung trifft. Insbesondere sind oftmals die Erbeinsetzungen hinsichtlich des ersten Erbfalls mit den Erbeinsetzungen hinsichtlich des zweiten Erbfalls miteinander wechselbezüglich. Verstirbt nun der erste Ehegatte, entfalten die wechselbezüglichen Verfügungen Bindungswirkung – mit der Folge, dass der Überlebende diese nicht mehr durch ein neues Testament abändern kann. Der überlebende Ehegatte kann auf diese Weise nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten über Jahre, sogar Jahrzehnte an längst überholte Überlegungen gebunden sein und diese nicht mehr aufheben. Es gibt aber Möglichkeiten, wie der überlebende Ehegatte „aus dieser Nummer wieder herauskommt“. Diese sind:

  1. Ein testamentarisches Abänderungsrecht

Enthält der Testamentstext ein testamentarisches Abänderungsrecht, kann der überlebende Ehegatte auch nach dem Tod seines Ehepartners neu verfügen, soweit seine neuen Verfügungen von dem Umfang des Abänderungsrechtes gedeckt sind. Ist dies nicht der Fall, so gibt es noch eine zweite Möglichkeit:


  1. Ein notarieller Zuwendungsverzicht der betroffenen Person/en

Eine weitere Möglichkeit, wie der Überlebende auch bei nicht abänderbaren wechselbezüglichen Verfügungen nochmals neu testieren kann, bietet der notarielle Zuwendungsverzicht:


Der Zuwendungsverzicht ist ein freiwilliger Verzicht des Erben auf seine Erbenstellung. Der Erblasser erhält dadurch trotz bindender testamentarischer Verfügungen die Testierfreiheit für den Erbteil, auf den sich der Verzicht bezieht, zurück. Testierfreiheit bedeutet, dass der Erblasser das Recht hat, in einem neuen Testament frei darüber zu entscheiden, wie sein Vermögen im Erbfall verteilt werden soll.


Der Zuwendungsverzicht bedarf gemäß § 2348 BGB der notariellen Beurkundung. Ein Zuwendungsverzicht durch privatschriftlichen Vertrag oder gar mündlich ist unwirksam.


In unserem Beispielfall bedeutet das: Verzichtet der Sohn S. freiwillig auf sein Erbe oder auf einen Teil an seinem Erbe, hat der V. die Möglichkeit, die Erbeinsetzung nochmals abzuändern. Er kann dann die P. als seine neue Erbin oder Miterbin einsetzen. 


Da der V. und der S. miteinander zerstritten sind, wird der S. den Zuwendungsverzicht kaum freiwillig abgeben und auf seine Erbschaft verzichten. Bietet der V. ihm aber an, ihm etwas dafür zu bezahlen und nimmt der S. das Angebot an, gewinnen beide: der Vater V. kann in einem neuen Testament die P. als seine Erbin einsetzen und der Sohn S. erhält bereits jetzt Geld und muss keine Angst haben, dass der V. und die P. noch zu Lebzeiten des Vaters V. etwa gemeinsam das gesamte Erbe in der Karibik verjubeln.


Achtung! Als Sohn ist der S. nach dem V. auch Pflichtteilsberechtigter, wenn er enterbt wird. Um die P. vor sämtlichen Ansprüchen des S. im Erbfall zu schützen, sollte der Zuwendungsverzicht des S. sich auch auf die gesetzlichen Pflichtteilsansprüche des S. erstrecken.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt und Autor Dr. jur. Thomas Fritz

Beiträge zum Thema