Kurz erklärt - Was ist ein Behindertentestament?

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Was ist ein Behindertentestament?

Die Eltern (bzw. auch nur ein Elternteil) machen ein Testament zu Gunsten des behinderten Angehörigen. Gleichzeitig schützt das Testament das Familienvermögen vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers. Aus diesen Gründen ist es klarer, diese Testamente als sog. „behindertengerechte Testamente“ bzw. als „sozialhilfefeste Testamente“ zu bezeichnen. Wenn die Eltern ein gutes behindertengerechtes Testament gemacht haben, kommt der Staat auch nach dem Tod der Eltern an das Familienvermögen nicht heran. Außerdem können die Eltern mit einem solchen Testament das behinderte Familienmitglied zusätzlich großzügig absichern!


Wir funktioniert ein sozialhilfefestes/behindertengerechtes Testament?

Zentrales Instrument des Behindertentestaments ist die sog. Vor- und Nacherbschaft. Die Vor- und Nacherbfolge ist aber nicht die gesetzliche Regel! Deshalb muss ich, um die Vor- und Nacherbfolge eintreten zu lassen, dies ausdrücklich in meinem Testament bestimmen. Dadurch bekommt der Familienangehörige, der die Behinderung hat, seinen Erbteil so, dass er zwar Erbe wird, aber an die Substanz seines Erbes nicht herankommt (sog. nichtbefreite Vorerbschaft). Vielmehr wird die Substanz (beispielweise ein Festgeldkonto oder Miteigentumsanteil an einer Immobilie) aufbewahrt für den oder die sog. Nacherben (das sind z.B. die Abkömmlinge des Behinderten oder dessen Geschwister, Neffen und Nichten oder auch die gemeinnützige Einrichtung, in der der Behinderte gelebt hat). Der Behinderte selbst darf nicht auf die Substanz seiner Erbschaft zugreifen (also diese weder veräußern, verbrauchen oder beleihen), wohl aber auf die Früchte aus seinem Erbe, also zum Beispiel die Zinsen oder die anteiligen Mieteinnahmen an einer Immobilie.


Profitiert ein behinderter Mensch von einem solchen Testament?

Aus der nichtbefreiten Vorerbschaft erhält der behinderte Angehörige Erträge (= „Früchte“): So bekommt er beispielsweise dann, wenn er Miterbe einer Immobilie wird, einen entsprechenden Anteil an den Mieteinnahmen bzw. hat als Miteigentümer automatisch das Recht, die Immobilie (mit) zu nutzen. Wenn er Aktien erbt, erhält er die Dividenden, die ausgezahlt werden; wenn er ein Sparbuch oder Festgeld erbt, erhält er die Zinsen.

Diese ihm zufließenden Erträge kann der behinderte Erbe für sich verbrauchen, ohne dass der Sozialhilfeträger darauf zugreifen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass in dem Testament ein sog. Testamentsvollstrecker eingesetzt wird, der auf der Grundlage der testamentarischen Regelungen bestimmt, welche Ausgaben aus den Erträgen getätigt werden.


Wovor schützt ein behindertengerechtes Testament?

Ein Behindertentestament ist notwendig und sinnvoll, wenn ein Mitglied der Familie aufgrund seiner Behinderung staatliche Unterstützungsleistungen in Anspruch nimmt. Das Gleiche gilt für Familien, in denen ein behindertes Kind noch keine staatlichen Leistungen in Anspruch nimmt, aber die Wahrscheinlichkeit besteht, dass es solche zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch nehmen wird.

Ein wirksames Behindertentestament, das vom Sozialhilfeträger auch anerkannt wird, liegt nur dann vor, wenn alle Anforderungen, die die Rechtsprechung an ein Behindertentestament stellt, erfüllt sind. Damit dies gewährleistet ist, ist eine ausführliche Beratung durch spezialisierte Rechtsanwälte unerlässlich. Diese geht zum einen auf die individuellen persönlichen und wirtschaftlichen Fragen und Bedürfnisse der Familie ein, und im Anschluss an die Beratung wird ein Testamentstext erstellt, der in der Regel den Umfang von zwischen zehn bis fünfzehn Schreibmaschinenseiten hat. Das klingt viel, ist aber unvermeidlich, wenn das Testament auch vom Sozialhilfeträger als wirksam anerkannt werden soll (was ja gerade das Ziel ist).

Liegt ein solches wirksames Behindertentestament nicht vor, dann gilt die gesetzliche Erbfolge. Das bedeutet, dass der behinderte Familienangehörige seinen normalen Erbteil erhält. „Gesetzliche Erbfolge“ bedeutet dabei gleichzeitig, dass der behinderte Angehörige Vollerbe wird und das ererbte Vermögen komplett für sein wirtschaftliches Fortkommen einsetzen muss. Wenn er staatliche Unterstützungsleistungen in Anspruch genommen hat, so entfallen diese staatlichen Leistungen ab dem Zeitpunkt, zu dem die Erbschaft angefallen ist. Dann muss der Behinderte alles, was bisher der Staat bezahlt hat, selbst bezahlen. Lebt der Behinderte stationär in einer Einrichtung (was meistens spätestens dann der Fall ist, wenn auch der längerlebende Elternteil verstorben ist), dann ist man schnell bei z. B. 50.000,00 Euro pro Jahr. Die hat der behinderte Vollerbe als sog. „Selbstzahler“ zu leisten und dann ist das Vermögen in wenigen Jahren aufgebraucht. Erst anschließend beginnt der Sozialhilfeträger (wieder) damit, seinerseits zu bezahlen. Mit anderen Worten: Der behinderte Erbe hat in diesem Fall absolut nichts von seinem Erbe! Insbesondere erhält er auch keine der oben beschriebenen Zusatzleistungen für Hobbies, Reisen, etc. (siehe oben). All diese Zusatzleistungen kann er nur aufgrund eines wirksamen Behindertentestaments seiner Eltern bekommen.

Gleichzeitig geht das, was der Behinderte aus seinem Erbe für seine Einrichtung, in der er lebt, und alle anderen Leistungen, die er in Anspruch nimmt, bezahlen muss, der Familie und dem Familienvermögen verloren. Hingegen wird bei einem wirksamen Behindertentestament Alles, was der Behinderte geerbt hat, aufgespart und nach dem Tod des Behinderten an die Nacherben (in der Regel die anderen Familienmitglieder, Geschwister, Kinder etc.)   weitervererbt, das heißt in diesem Fall bleibt das Vermögen der Eltern zu 100% in der Familie!


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