Lehman Brothers ua. / Ansprüche wegen falscher Anlageberatung / Aufklärungspflichten

  • 3 Minuten Lesezeit
1. Welche Hinweise müssen Banken Anlegern erteilen?
a) Unerfahrene Kunden
Unerfahrene Geldanleger und Geldanleger mit wenig Vermögen sind von Banken besonders intensiv über die Risiken aufzuklären. Dies gilt insbesondere, wenn der Kunde risikobehaftete Papiere erwerben möchte. Aktienkauf auf Kredit bei unerfahrenen Kunden (BGH, XI ZR 22/96).
b) Erfahrene Kunden
Erfahrene Anleger bedürfen hingegen keine ausgiebige Risikoaufklärung, es sei denn, sie wollen besonders spekulative Anlagen tätigen. Dies ist das Grundprinzip der von der Rechtsprechung geforderten „anleger- und anlagegerechten Beratung" (BGH, XI ZR 12/93).

2. Was passiert wenn der Kunde eine sichere Geldanlage wünschte?
Der BGH, XI ZR 159/99 hat entschieden, dass Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung gestellt werden können, wenn Anleger nach einer sicheren Geldanlage gefragt hatten und die Bank ihnen Fokker-Anleihen empfohlen hat. Im Einzelfall kommt es dabei auf das Wissen des Geldanlegers an.

3. Aufklärungspflichten der Banken und Fragebögen
Bei einer Verletzung der Aufklärungspflicht kommt eine Haftung der Bank in Betracht. Banken setzen heute Erfassungsbögen ein, in denen die Daten des Anlegers erfasst sind. Banken versuchen dadurch nachzuweisen, dass sie den Kunden über die möglichen Risiken und seinen Kenntnissen entsprechend aufgeklärt haben. Der Anleger soll diesen Bogen unterschreiben. Damit wollen Banken Schadenersatzansprüche abwehren können. Aber auch hier kommen Ansprüche in Betracht, wenn z.B. unerfahrenen Anlegern hoch spekulative Internet- oder Biotech-Werte des Neuen Marktes empfohlen wurden.

4. Beweislast
In dem zugrunde liegenden Fall nahm die Klägerin nach erheblichen Kursverlusten die beklagte Bank wegen eines angeblichen Beratungsverschuldens bei der Umschichtung eines Wertpapierdepots auf Schadensersatz in Anspruch. Sie behauptete, ein Angestellter der beklagten Bank habe ihr trotz konservativen Anlageverhaltens die Umschichtung des Depots in Anteile an hochspekulativen Multimedia-, Biotechnologie-, Software- und Internetfonds empfohlen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, weil die Klägerin den Beweis für eine fehlerhafte Anlageberatung nicht erbracht habe. Mit der vom Senat zugelassenen Revision hat die Klägerin u.a. geltend gemacht, zu ihren Gunsten griffen eine Beweislastumkehr oder Beweiserleichterungen ein, weil die beklagte Bank die Erfüllung ihrer Beratungs- und Aufklärungspflichten nicht schriftlich dokumentiert hat. Der XI. Zivilsenat (BGH. Urteil vom 24. Januar 2006 XI ZR 320/04) hat die Revision zurückgewiesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes trägt im Zivilprozess, auch im Bereich der Anlageberatung, derjenige, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, dafür die Beweislast. Zum Ausgleich der mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten muss die auf Schadensersatz in Anspruch genommene Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen, wie im einzelnen beraten bzw. aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, dass diese Gegendarstellung nicht zutrifft. Diese Beweislastverteilung gilt unabhängig davon, ob der Beratungs- und Aufklärungspflichtige die Erfüllung seiner Pflichten schriftlich dokumentiert hat. Eine Obliegenheit oder Pflicht zur Dokumentation besteht nicht. Sie ergibt sich weder aus dem Beratungsvertrag noch aus dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Die in § 34 Abs. 1 WpHG aufgeführten gesetzlichen Aufzeichnungspflichten beziehen sich nur auf den Geschäftsabschluss und setzen damit erst nach der (unterlassenen) Aufklärung bzw. Beratung ein. Eine Rechtsverordnung gemäß § 34 Abs. 2 WpHG zur Begründung weiterer Aufzeichnungspflichten ist bislang nicht erlassen worden. Auch die so genannten Wohlverhaltensregeln der §§ 31 und 32 WpHG sowie die zu ihrer Konkretisierung erlassene Richtlinie gemäß § 35 Abs. 6 WpHG sehen eine Aufzeichnung des Aufklärungs- bzw. Beratungsgespräches nicht vor.

5. Chancen für Besitzer von Lehman-Zertifikaten?
Seit Bekanntwerden der Insolvenz von Lehman Brothers im September 2008 sind 100 Zertifikate des Emittenten Lehman Brothers vom Handel ausgesetzt. Der weitere Fortgang und der Ausfall sind unklar. Dem Schock auf Grund der Finanzkrise, folgte eine Protestwelle. Nunmehr steht auch die juristische Aufarbeitung an: Sind Anleger beim Kauf richtig aufgeklärt worden? Haben Anleger rechtzeitig Warnungen erhalten? Ist eine Falschberatung ursächlich für einen Schaden? Wer haftet?
Der Fall der Investmentbank Lehman Brothers hat bereits 2007 Gerichte beschäftigt. Eine Frau hat bereits im Juni 2008 von einem Landgericht Schadensersatz zugesprochen bekommen. Rechtsgrundlage für die erwartete Klagewelle ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die sich inzwischen im Wertpapierhandelsgesetz niedergeschlagen hat. Danach sind Berater zur ordnungsgemäßen Aufklärung und risikoadäquaten Information verpflichtet.

6. Resumee
Vor dem Kauf von Anlageprodukten ist eine umfassende Aufklärung durch qualifizierte Anlageberater erforderlich. Produkte, die man nicht versteht, sollten auch nicht gekauft werden. Die Rechtsprechung ist tendenziell verbraucherfreundlich. Klagen haben wahrscheinlich in den Fällen gute Erfolgaussichten, wenn Berater z.B. Rentnern 100 Prozent Schutz versprochen und auf das Risiko des Totalverlusts nicht hingewiesen haben. Gleich gut sind die Chance, wenn mit garantierten Zertifikaten geworben wurde. Vor übereilten Klagen sollten Spezialisten im Handels- oder Kapitalmarktrecht bzw. Bankrecht konsultiert werden.

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Hermann Kulzer M.B.A.

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten