Mängel beim Pferdekauf: Wer trägt die Verantwortung?

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Endlich steht das neu gekaufte Pferd im eigenen Stall, als es wenige Tage nach seiner Ankunft plötzlich lahmt. Ein Szenario, welches der ein oder andere Käufer durchaus schon erleben musste. Natürlich liegt in einer solchen Situation der Gedanke nahe, dass das Tier bereits vor Übergabe durch seinen vorherigen Eigentümer erkrankt gewesen ist und eventuell deshalb verkauft wurde. Infolgedessen fordern Pferdeeigentümer häufig Schadensersatz, z.B. für anfallende Tierarztkosten oder auch den Rücktritt vom Kaufvertrag. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch oder einem Rücktritt vom Kaufvertrag ist jedoch das Vorliegen eines Mangels. Das dieser zumeist gar nicht so einfach zu bejahen ist, zeigt der vorliegende Beitrag.


Ausgangspunkt

Zunächst muss sich vor Augen geführt werden, dass Pferde grundsätzlich wie Sachen behandelt werden, auch wenn sie keine Sachen sind, § 90a S. 3 BGB. In der Folge spielen die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte die entscheidende Rolle bei der Frage danach, ob der Käufer Rechte bzw. Ansprüche gegen den Verkäufer geltend machen kann – spezielle Vorschriften, welche lediglich auf den Tierkauf Anwendung finden, existieren de lege lata nicht (innerhalb der kaufrechtlichen Regelungen existiert aber hinsichtlich der Beweislastumkehr eine explizite Bezugnahme auf lebende Tiere,  § 477 Abs. 1 S. 1 BGB). Zwischen Verkäufer und Käufer wird grundsätzlich ein Kaufvertrag nach § 433 BGB geschlossen. Der Verkäufer hat die Pflicht, § 433 Abs. 1 S. 1 BGB, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Zugleich hat der Verkäufer die Pflicht, dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übergeben, § 433 Abs. 1 S. 2 BGB. Im Gegenzug verpflichtet sich der Käufer zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises und Abnahme der gekauften Sache, § 433 Abs. 2 BGB. Vor allem die Sachmangelfreiheit stellt sich im Rahmen des Pferdekaufs als besonders problematisch dar.


Sachmängel bei Pferden

§ 434 Abs. 1 BGB regelt gesetzlich, wann eine Sache, und damit eben auch ein Pferd, frei von Sachmängeln ist. § 446 BGB normiert, dass mit der Übergabe der verkauften Sache die Gefahr des zufälligen Untergangs und der Verschlechterung auf den Käufer übergeht – in der Regel also, wenn der Käufer das Pferd beim Verkäufer abholt. Zu beachten ist also, dass wenn z.B. ein Jährling verkauft wird, zur weiteren Aufzucht jedoch bei bereits erfolgter Kaufpreiszahlung beim Verkäufer verbleiben soll, hier eine Übergabe noch nicht zwingend stattgefunden haben muss. Um zu vermeiden, dass der Verkäufer weiterhin die Gefahr der Verschlechterung, vor allem durch Verletzungen, trägt, muss hier ein besonderes Augenmerk auf die Übergabe gelegt werden.

Eine Sache ist dann mangelfrei, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen sowie den Montageanforderungen entspricht, § 434 BGB. Letzteres ist selbstredend im Zusammenhang mit dem Kauf von Pferden weniger von Bedeutung. Grundsätzlich sind aber alle drei Komponenten gleichrangig und kumulativ zu erfüllen [BeckOK-BGB/Faust, 62. Ed., 01.05.2022, § 434 Rn. 7]. § 434 Abs. 2 und Abs. 3 BGB nehmen Bezug auf die objektiven und die subjektiven Anforderungen und erläutern, wann diese zu bejahen sind. Grundsätzlich kann so festgehalten werden, dass die Sache, beziehungsweise vorliegend das Pferd, grundsätzlich dann den subjektiven Anforderungen entspricht, wenn es die zwischen den Parteien vereinbarte Beschaffenheit hat und sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet.

Erst 2022 hat sich der Kaufmängelbegriff verändert. Während zuvor bereits das Vorliegen einer vereinbarten Beschaffenheit ausgereichte, um eine Mängelfreiheit zu bejahen, und erst bei Fehlen einer Beschaffenheitsvereinbarung auf die gewöhnliche Beschaffenheit rekurriert wurde, ist dieses Stufenverhältnis in dieser Form nunmehr nicht mehr vorhanden. Vielmehr müssen alle oben genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Damit muss sich die Sache neben Vorliegen der vereinbarten Beschaffenheit zur gewöhnlichen Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, welche bei Sachen derselben Art üblich ist. D.h. es ist nicht ausreichend, wenn die Sache zwar den subjektiven Anforderungen entspricht, hinter den objektiven Anforderungen jedoch zurückbleibt [BeckOK-BGB/Faust, 62. Ed., 01.05.2022, § 434 Rn. 7]. Die objektiven Anforderungen können grundsätzlich abbedungen werden, wie § 434 Abs. 3 S. 1 BGB aufzeigt. § 476 BGB stellt im Rahmen von Verbrauchsgüterkäufen hierfür jedoch hohe Anforderungen auf. Soweit die vertragliche vereinbarte Beschaffenheit und die objektiven Anforderungen an die Beschaffenheit nicht miteinander zu vereinbaren sind, ist der vereinbarten Beschaffenheit Vorrang zu gewähren. Sofern keine Unvereinbarkeit vorliegt, ist durch Auslegung zu klären, ob die Sache nur den subjektiven Anforderungen entsprechen muss – oder ob die objektiven Anforderungen zusätzlich, was grundsätzlich der Fall sein wird, zu beachten sind [BeckOK-BGB/Faust, 62. Ed., 01.05.2022, § 434 Rn. 9].

Zugunsten des Verbrauchers greift im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs gemäß § 477 eine Beweislastumkehr, sodass vermutet wird, dass ein innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang auftretender Mangel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat – das Pferd also bereits im Zeitpunkt der Übergabe bereits erkrankt gewesen ist. Der Käufer muss nicht nachweisen, dass die Ursache des Mangels in den Gefahrenbereich des Verkäufers fällt, solange nachgewiesen werden kann, dass ein Mangel in den ersten sechs Monaten nach Gefahrübergang vorliegt. Es ist aber zu beachten, dass § 477 BGB dann keine Anwendung findet, wenn die Sache und der Mangel in einer Gesamtschau die Anwendung von § 477 BGB verhindern, weil es sich bei Pferden um Lebewesen handelt [BGH NJW 2006, 2250], z.B. wenn das Tier eine Krankheit aufweist, deren Inkubationszeit geringer ist als die Zeit zwischen Gefahrübergang und der Krankheit [vgl. LG Essen NJW 2004, 527].

Von einem Verbrauchsgüterkauf wird dann gesprochen, wenn auf Seiten des Käufers ein Verbraucher steht; der Verkäufer ist ein Unternehmer, vgl. § 474 BGB bzw. § 14 BGB. Im Rahmen von Pferdezuchten kann die Bejahung der Unternehmereigenschaft problematisch sein, insbesondere dann, wenn es sich um „Hobbyzuchten“ handelt. Hier kann der Verkäufer durchaus als Verbraucher einzuordnen sein – es verbietet sich aber eine pauschale Betrachtungsweise.


Beispiele für die (fehlende) Mangelhaftigkeit eines Pferdes

Zahlreiche Beispiele aus der Rechtsprechung können zur Beurteilung, ob ein Mangel vorliegt, herangezogen werden.  Auch wenn die bisherigen Entscheidungen noch zum alten Sachmangelbegriff ergangen sind, sind sie zur Kategorisierung der Mangelhaftigkeit bei Pferden maßgebend. Grundsätzlich können sich aus verschiedenen Aspekten Mängel am Pferd ergeben. Besonders häufig anzutreffen sind hierbei Röntgenbefunde, Krankheiten welche erst beim Käufer zu Tage treten sowie ausgeheilte, alte Verletzungen.

Mit Urteil vom 14.09.2021 entschied das OLG Frankfurt [BeckRS 2021, 28243], dass Vernarbungen im Bereich der Maulwinkel für sich genommen keine chronische Erkrankung darstellen. Vielmehr handle es sich um einen Befund, der aufgrund reiterlicher Entwicklung eintreten kann und keinen wahrscheinlichen Rückschluss auf eine Erkrankung bei Gefahrübergang zulässt. Im Zugrundeliegenden Fall hat der Käufer für 65.000 Euro ein Pferd vom Verkäufer, welcher einen Zucht- und Ausbildungsstall betreibt, gekauft. Eine Ankaufsuntersuchung wurde vorgenommen. Nach Übergabe gab es Probleme bei der Anlehnung des Tieres; die hinzugerufene Tierärztin diagnostizierte einen offenen rechten Maulwinkel sowie ein Überbein der linken Lade. Die Käuferin behauptete, die Vernarbungen und das Überbein seien der Grund für die Anlehnungsprobleme. Das Gericht entschied zudem, dass sich aus der Anpreisung des Tieres mit sportlichen Perspektiven nicht ableiten lasse, dass der Verkäufer die Gewähr dafür übernehmen möchte, dass sich diese sportlichen Perspektiven auch realisieren. Entwicklungsprognosen bei einem Tier seien unsicher und rein spekulativer Natur, sodass es einer ausdrücklichen Absprache bedarf, dass der Verkäufer hierfür die Gewähr übernimmt. Eine solche ausdrückliche Absprache lag nicht vor.

Bereits im Jahre 2007 entschied der BGH [NJW 2007, 1351], dass die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt wird, dass aufgrund von Abweichungen von der „physiologischen Norm“ eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass künftig dem Reitpferde-Dasein entgegenstehende, klinische Symptome auftreten werden. Zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres gehöre nicht, dass es in jeder Hinsicht einer „Idealnorm“ entspreche. „Abweichungen eines verkauften Pferdes von der „physiologischen Norm”, die sich im Rahmen der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Pferde halten, sind nicht deswegen als Mangel einzustufen, weil „der Markt” auf derartige Abweichungen mit Preisabschlägen reagiert. Preisabschläge beim Weiterverkauf, die darauf zurückzuführen sind, dass „der Markt” bei der Preisfindung von einer besseren als der tatsächlich üblichen Beschaffenheit von Sachen gleicher Art ausgeht, begründen keinen Mangel.“

Auch ausgeheilte Verletzungen müssen von den Gerichten häufig thematisiert und entschieden werden. So musste sich der BGH [NJW 2020, 389] mit der Frage auseinandersetzen, ob ein zu Reitzwecken gekauftes Pferd, welches eine vollständig ausgeheilte Rippenfraktur hatte, einen Sachmangel hat, wenn der Verdacht, dass etwaige Spätfolgen auftreten können, naheliegt. Im Ergebnis wurde alleine darauf abgestellt, wie bei Röntgenbefunden, ob das Pferd klinische Auffälligkeiten hat oder zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Verletzung der üblichen Verwendungsart entgegensteht. Ein „naheliegender“ Verdacht genüge allein für die Annahme eines Sachmangels bei einem ansonsten klinisch unauffälligen Tier nicht.

Selbst ein „Kissing-Spines-Befund“ kann in Ermanglung einer anderslautenden Beschaffenheitsvereinbarung oder eines besonderen Vertragszwecks keinen Sachmangel darstellen, sofern dieser nicht mit Krankheitssymptomen verbunden ist [BGH NJW 2020, 2879].



Gewährleistungsrechte bei Vorliegen eines Mangels

Grundsätzlich kann der Käufer gemäß § 437 Nr. 1 BGB bei Vorliegen von Mängeln im Rahmen eines Kaufvertrages Nacherfüllung verlangen, § 439 BGB. So steht dem Schuldner ein Recht zur zweiten Andienung zu. Eine Nacherfüllung ist grundsätzlich auch im Rahmen eines Tierkaufs denkbar, da eine Ersatzlieferung beim Stückkauf – was der Pferdekauf im Regelfall ist – nicht schon von vornherein auszuschließen ist [vgl. BeckRS 2011, 5375]. Vielmehr ist durch Auslegung des Willens der beteiligten Parteien zu klären, ob eine Nacherfüllung in Form einer Ersatzlieferung in Betracht kommt [Allgemein zum Stückkauf BGH NJW 2006, 2839]. Eine solche kommt beispielsweise dann eher nicht in Betracht, wenn das Pferd mehrfach Probe geritten wurde und sich mit dem Tier vertraut gemacht wurde, sodass eine emotionale Beziehung eintrat [OLG Frankfurt BeckRS 2011, 5375].

Unter gewissen Voraussetzungen, § 437 Nr. 2 BGB, ist ein Rücktritt oder eine Minderung möglich. § 437 Nr. 3 BGB ermöglicht die Geltendmachung von Schadensersatz. Für den Rücktritt bedarf es vor allem eines Rücktrittsrechtes, d.h. z.B. im Grundsatz eine Nicht- oder Schlechtleistung des Schuldners bei Ablauf der Nacherfüllungsfrist. Hierbei wird deutlich, dass das bloße „Nichtmehr-gefallen-eines-Tieres“ nicht zum Rücktritt berechtigt. Hinsichtlich des Vertrags und etwaiger Gewährleistungsansprüche ist insbesondere darauf zu achten, dass die Frist gewahrt wird.


Verjährung und Ausschluss der Gewährleistung

Sofern dem Pferd ein Sachmangel aufweist, ist darüber hinaus auch noch die Verjährung etwaiger Ansprüche zu beachten. Die Verjährung kaufrechtlicher Ansprüche richtet sich zunächst nach § 438 BGB. Nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB verjähren Ansprüche grundsätzlich in zwei Jahren. Diese Frist ist nicht mit der Beweislastumkehr nach den 6 Monaten, § 477 Abs. 1 S. 1 BGB, zu verwechseln. Hinsichtlich der Verkürzung der Verjährungsfrist „gebrauchter“ Sachen ist § 476 BGB zu berücksichtigen, was insbesondere auch beim Pferdekauf von Pferden von Relevanz ist.

Bei Vereinbarung von Haftungsausschlüssen (bei Vorliegen eines Privatkaufs) ist zu berücksichtigen, dass diese nicht bei Vorliegen einer arglistigen Täuschung oder einer garantierten Beschaffenheit greifen.



Anwaltliche Sicht

Dem Käufer ist dringend die Durchführung einer Ankaufsuntersuchung (AKU) anzuraten. Vor allem ist im Hinblick auf Röntgenbefunde eine große AKU empfehlenswert. Eventuelle Befunde sollten, insbesondere zum Schutz des Verkäufers, im Vertrag festgehalten werden. Bei Verdacht eines Mangels ist das Hinzuziehen eines Anwalt anzuraten, um etwaige Fristen nicht verstreichen zu lassen.

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