Massengeschäfte und unzulässige Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) – ein Überblick

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1. Einführung 

Ein in der vertragsrechtlichen Alltagspraxis immer wieder auftretendes Beratungsthema ist die Handhabung von rechtswidrigen AGB, die der Vertragspartner des AGB-Verwenders zumeist erst genauer zur Kenntnis nimmt, wenn es bei einer Vertragsabwicklung zu Problemen kommt. Oft werden über AGB vertragliche Verantwortlichkeiten pauschal vom AGB-Verwender auf den Vertragspartner abgewälzt. Auf Basis einer tendenziell großzügigen Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle sind derartige Klauseln nicht selten unwirksam – gerade auch, wenn ein Verbraucher an dem Rechtsgeschäft beteiligt ist.

Besonders verbreitet sind unzulässige AGB bei Vertragstypen, die im Geschäftsverkehr neu sind und zu deren Inhalt es noch keine dezidierte Rechtsprechung gibt – etwa bei Massenverträgen im Bereich der Anmietung von eBikes, Fahrrädern und im Car-Sharing-Segment. Aber auch bei etablierten Vertragstypen (z.B. bei Mietverträgen, Arbeitsverträgen, Mobilfunkverträgen, Kauf- und Lieferverträgen, Fitnessstudioverträgen etc.) halten AGB oft einige Überraschungen bereit, die bei der zivilrechtlichen Regulierung von auftretenden Rechtsproblemen oft eine zentrale Rolle spielen. Als Vertragspartner, der sich den AGB ausgesetzt sieht, sollten Sie sich folgendes einprägen:

Lassen Sie sich von AGB, die Ihnen im Konfliktfall vom AGB-Verwender vorgehalten werden, keinesfalls unreflektiert beeindrucken!

Das gilt insbesondere dann, wenn Ihr Bauchgefühl sagt, dass die mittels der AGB herbeigeführte Vertragslage grob ungerecht wäre und von Ihrem Verständnis der vertraglichen Verantwortungssphären abweicht. Auch ist genau hinzuschauen, ob die AGB ordnungsgemäß in den Vertrag einbezogen wurden. Hier sollten Sie dem Inhalt der AGB zunächst nicht Folge leisten (z.B. Zahlung von pauschaliertem, verschuldensunabhängigen Schadensersatz, Hinnahme einer unerwünschten Vertragsverlängerung etc.), sondern – insbesondere, wenn es um größere Geldbeträge geht - mithilfe eines Anwalts die wahre Rechtslage prüfen lassen.   

2. Kursorischer Überblick zum Rechtsrahmen bei AGB 

Die folgenden Ausführungen geben Ihnen einen ersten Überblick zu dem relevanten Rechtsrahmen bei AGB. Auf Basis dieser Vorgaben lässt sich bereits indikativ feststellen, ob im Einzelfall überhaupt AGB vorliegen und ob einzelne AGB-Klauseln mitunter unwirksam sind. Eine abschließende rechtliche Prüfung sollten Sie dann allerdings durch einen anwaltlichen Experten vornehmen lassen.

a) Wann liegt eine AGB vor? 

AGB sind vorformulierte Vertragsklauseln, die von einem Vertragspartner (in der Regel einem Unternehmer) einseitig bei Vertragsschluss gestellt werden. Sie müssen in den Vertrag einbezogen worden sein. Der Inhalt der AGB darf nicht dezidiert bei Vertragsschluss ausgehandelt worden sein. Eine mehrfache Verwendung von AGB muss von dem Unternehmer erfolgt oder zumindest intendiert sein. AGB können auch dann vorliegen, wenn ein Unternehmer mit einem anderen Unternehmer einen Vertrag mit vorformulierten, einseitig gestellten Bedingungen abschließt. Details ergeben sich insbesondere aus §§ 305, 310 BGB. Nur wenn tatsächlich AGB vorliegen, findet die strikte AGB-Kontrolle nach §§ 307 ff. BGB statt (siehe dazu unten). Beispiele für Verträge, die regelmäßig AGB enthalten, sind: Standardisierte Miet-, Kauf- und Arbeitsverträge, vorformulierte Vertragsklauseln (gerne kleingedruckt), die bei mündlich oder digital abgeschlossenen Verträgen vor Vertragsschluss vom beteiligten Unternehmen zur Verfügung gestellt werden.

b) Wann ist eine AGB rechtswidrig? 

Es gibt unterschiedliche Anknüpfungspunkte für die potenzielle Rechtswidrigkeit von AGB, die nach Maßgabe von § 306 BGB die Unwirksamkeit der Klausel zur Folge hat. Vereinfacht beschrieben, lassen sich folgende Anknüpfungspunkte unterscheiden:

  • Überraschende Klauseln nach § 305c BGB: Klauseln, die im Kontext des Vertrages so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner mit Ihnen nicht zu rechnen braucht, sind rechtswidrig. Hier ist viel von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Die Rechtsprechung ist bei der Bejahung der Voraussetzungen (zu Gunsten eines Verbrauchers) allerdings tendenziell großzügig.
  • Intransparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB: AGB, die mehrdeutig und/oder insgesamt nicht klar verständlich sind, muss der Vertragspartner nicht gegen sich gelten lassen. Für die Intransparenz können bereits uneindeutige Formulierungen oder Ungenauigkeiten in der Vertragsklausel ausreichen.
  • Unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB: Eine unangemessene Benachteiligung liegt insbesondere dann vor, wenn der Inhalt der AGB grob von dem abweicht, was das Zivilrecht als maßgebliches Leitbild für den Vertragsinhalt für eine solche Fallgestaltung vorsieht und/oder maßgebliche Rechte bzw. Pflichten eines Vertragstyps modifiziert werden, so dass die Erreichung des eigentlichen Vertragszwecks gefährdet erscheint (vgl. § 307 Abs. 2 BGB). Vor Bejahung einer unangemessenen Benachteiligung findet eine umfassende Interessen-abwägung statt.

Die §§ 308 und 309 BGB sehen für Verträge zwischen einem Unternehmen und einem Verbraucher besondere, katalogartige Tatbestände vor, nach denen bestimmte Klauselgestaltungen nach den Umständen des Einzelfalls unzulässig sein können. Diese Rechtsgrundsätze werden bei Verträgen zwischen Unternehmern zum Teil über § 307 BGB ebenfalls angewendet.

Daneben gilt der Vorrang der Individualabrede nach § 305b BGB: Konkrete Vereinbarungen zwischen Vertragsparteien haben stets Vorrang vor möglicherweise widersprechenden AGB. Kann eine solche Individualabrede im ausreichenden Umfang nachgewiesen werden, gilt die widersprechende AGB allein deswegen nicht. Auf eine Prüfung der Rechtswidrigkeit der AGB (wie zuvor) kommt es dann nicht mehr an.

c) Was passiert, wenn sich eine AGB als rechtswidrig erweist? 

Sofern eine rechtswidrige AGB vorliegt, ist diese nach Maßgabe von § 306 BGB unwirksam. Der Rest des Vertrages bleibt ungeachtet der unwirksamen AGB prinzipiell wirksam. Soweit eine AGB insoweit nicht Vertragsbestandteil wird, richtet sich der Inhalt des Vertrags im Hinblick auf den Regelungstatbestand der unwirksamen AGB nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften.

3. Praxisbeispiele für unwirksame AGB

Folgende Beispiele sollen Ihnen einen ersten Eindruck dazu vermitteln, wann bei einer AGB nach der Rechtsprechung die Grenze der Rechtswidrigkeit überschritten ist:

Haftungsklauseln, die Ihnen in bestimmten Situationen - unabhängig von Pflichtverletzung und Verschulden - pauschal die Verantwortung für Schäden zuweisen, sind in aller Regel AGB-rechtlich problematisch. Gleiches gilt für die Einschränkung von gesetzlichen Kündigungsrechten in AGB; insbesondere, wenn der Vertragspartner an entsprechenden Kündigungsgründen je nach Vertragskonstellation ein gesteigertes Interesse hat. Problematisch sind auch Klauseln, die intensiv in den Umfang des gegenseitigen Austauschverhältnisses eines Vertrages eingreifen; so etwa wenn bei temporärer Einstellung der Leistungen (z.B. Schließung eines Fitnessstudios in der Ferienzeit) eine Zahlungspflicht von Kunden für die entsprechende Zeitperiode ganz oder teilweise aufrecht erhalten bleiben soll. Auch Bearbeitungsgebühren für vertragliche Leistungen, die nicht kommuniziert sind und üblicherweise bei der Abwicklung von Verträgen nicht anfallen, sollten AGB-rechtlich überprüft werden. Gleiches gilt für marktunübliche Zustimmungsvorbehalte zu Lasten des Vertragspartners. Nach den Umständen des Einzelfalls sind auch Schriftformklauseln nicht AGB-rechtskonform, mit denen ausgeschlossen werden soll, dass die Vertragsparteien Individualabreden treffen, die die AGB ganz oder teilweise kassieren bzw. ergänzen.

4. Fazit

Die Einzelfallrechtsprechung zu unwirksamen AGB ist sehr umfangreich, komplex und höchst individuell – ebenso wie die am Markt aufzufindenden AGB-Gestaltungen und die dazu auftretenden Rechtsprobleme. Sprechen Sie mich bei Rückfragen zu dem Thema Allgemeine Geschäftsbedingungen (rechtliche Prüfung und Gestaltung von AGB) gerne direkt an.   

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