Mengenänderung beim Pauschalvertrag!

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Was ist zu beachten?

In der Baupraxis kommt es immer wieder zu Fragestellungen im Zusammenhang mit Mengenänderungen beim Pauschalvertrag. Hier stoßen unterschiedliche Auffassungen von Auftraggeber und Auftragnehmer aufeinander. Es ist Zeit, Licht ins Dunkle zu bringen und die rechtlichen Auswirkungen von Mengenänderungen zu erhellen. Grundsätzlich gilt, dass der Preis unverändert bleibt, wenn die tatsächliche Menge von der dem Vertrag zugrundegelegten Menge abweicht.

Mithin sind grundsätzlich beide Seiten auch bei Mengenänderungen beim Pauschalvertrag an den Preis gebunden. Der Pauschalpreis bleibt bestehen. Bei erheblichen Mengenabweichungen findet jedoch sowohl beim VOB-Vertrag als auch beim BGB-Vertrag eine Preisanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage statt. In der VOB/B findet sich die Vorschrift in § 2 Abs. 7 VOB/B und im BGB in der Vorschrift des

§ 313 BGB. In der VOB-Vorschrift wird auf § 313 BGB Bezug genommen. § 2 Abs. 7 VOB/B lautet: Ist als Vergütung der Leistung eine Pauschalsumme vereinbart, so bleibt die Vergütung unverändert. Weicht jedoch die ausgeführte Leistung von der vertraglich vorgesehenen Leistung so erheblich ab, dass ein Festhalten an der Pauschalsumme nicht zumutbar ist (§ 313 BGB), so ist auf Verlangen ein Ausgleich unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu gewähren. Für die Bemessung des Ausgleichs ist von den Grundlagen der Preisermittlung auszugehen. Deshalb kommt es für eine Preisanpassung nicht darauf an, welcher Werkvertragstyp, ob BGB-Werkvertrag oder VOB-Werkvertrag zugrunde liegt.

In der Baupraxis wird oftmals von der Auftraggeberseite eingewendet, dass bei gravierenden Mengenerhöhungen eine Preisanpassung nicht möglich sei. Sie meinen, der Preis wäre bei einem Pauschalpreisvertrag fest und damit unveränderlich. Dem ist jedoch nicht so. Vielmehr kann es auch bei Pauschalpreisverträgen zu einer Preisanpassung kommen. Hierfür müssen erhebliche Mengenabweichungen vorliegen. Wann dies der Fall ist, kann nicht allgemein beantwortet werden. Die Rechtsprechung stellt auf den Einzelfall ab. Es gibt frühere Entscheidungen, die allein auf die Mengenansätze abstellen und eine Mengenabweichung von bis zu 20 % als noch zumutbar ansehen. Eine darüberliegende Überschreitung der Mengenansätze wurde durch das OLG Düsseldorf als erheblich angesehen. Der Bundesgerichtshof hat in späteren Entscheidungen darauf abgestellt, wie sich die Mengenabweichung auf den gesamten Vertrag und die zugrundliegende Vertragskalkulation auswirkt. Nur eine unzumutbare Auswirkung führt zu einem Anspruch auf Preisanpassung. Hier ist eine Gesamtschau notwendig, indem zum einen auf die wirtschaftliche Mehrbelastung abgestellt wird, jedoch dabei auch berücksichtigt wird, inwiefern Mengenüberschreitungen in einer Position durch Mengenunterschreitungen in anderen Positionen ausgeglichen werden können. In dem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, wie es überhaupt zu der Mengenabweichung gekommen ist. Dabei spielt es eine wichtige Rolle, wer die dem Pauschalvertrag zugrundeliegenden Mengen geschätzt hat. Dabei ist der Grundsatz zu erkennen, dass Fehlschätzungen des ausschreibenden Auftraggebers eher zu einer Preisanpassung berechtigen als Fehlschätzungen des Auftragnehmers, der in seinem Angebot die Mengen allein ermittelt hat. Die Mengenabweichungen beim Pauschalpreisvertrag kommen nur in Betracht bei einer zufälligen, also aus der Ungenauigkeit der Mengenangaben im Leistungsverzeichnis resultierenden Mengenschwankung. Hat die Mengenänderung ihre Ursache jedoch in dem Verhalten des Auftraggebers oder Auftragnehmers, so sieht die rechtliche Situation anders aus. Bei Anordnung des Auftraggebers zur Mengenabweichung, indem der Auftraggeber einfach dazu übergeht, die Mengen zu reduzieren, liegt kein Fall mehr der zufälligen Mengenänderung vor, sondern eine Anordnung nach § 2 Abs. 5 VOB/B über die eine Preisanpassung zu treffen ist.

Gleiches gilt für eine eigenmächtige Mengenreduzierung durch den Auftragnehmer. Auch hierbei kann der Auftragnehmer keine Preisanpassung verlangen. Der Fall des § 2 Abs. 7 VOB/B regelt nur die Mengenabweichung aufgrund fehlerhafter Mengenermittlungen.

In der Baupraxis kommt es oft vor, dass bei Mengenunterschreitungen der Auftraggeber hingeht und einfach für die entfallenden Mengen einen anderen Einheitspreis ermittelt und nur diesen bei der Prüfung der Schlussrechnung ansetzt. So auch in diesem Fall. Ein öffentlicher Auftraggeber hat Maler- und Lackierarbeiten, die zunächst nach Einheitspreisen angeboten waren, zu einem Pauschalpreis von 53.000,00 € vergeben. Nach Abschluss der Arbeiten erstellt der Auftragnehmer seine Schlussrechnung und rechnet pauschal 53.000,00 € ab. Der Auftraggeber prüft die Schlussrechnung und geht hin und ermittelt die ausgeführten Mengen durch Aufmass und stellt fest, dass sich gegenüber dem Leistungsverzeichnis die Massen verringert haben.

Sodann berechnet der Auftraggeber auf Grundlage dieser ursprünglich angebotenen Einheitspreise die Vergütung mit 46.000,00 € neu. Dies entspricht ungefähr 86 % der pauschalierten Auftragsumme. Nach der Rechtsprechung ist diese Vergleichsberechnung zwar möglich, nur in diesem Fall verbleibt es bei der unveränderten Pauschalsumme von 53.000,00 €, weil Leistung und Vergütung nicht unverhältnismäßig voneinander abweichen. Denn die Neuberechnung würde ein Ergebnis in Höhe von 86 % des Pauschalpreises hervorbringen. Wenn man in der ersten Stufe von einem Orientierungswert bei Mengenanpassung von 20 % ausgeht, so ist dieser Wert nicht überschritten. Dann verbleibt es bei der Pauschalsumme. Wie gesagt handelt es sich nur um eine bloße Orientierung. Entscheidend sind noch die weiteren oben genannten Faktoren, jedoch kann jeder Auftragnehmer für sich anhand dieses Orientierungswertes zunächst selbst einschätzen, ob überhaupt von einer erheblichen Mengenabweichung ausgegangen werden kann. Deshalb sollte der Auftragnehmer gegen die Kürzung seines Werklohns auf jeden Fall einen Vorbehalt nach § 16 Abs. 3 Nr. 5 VOB/B erheben.

Gleiches gilt auch für den Fall, wenn es zu erheblichen Mengenerhöhungen kommt. Bei der Ausgangslage wird von Auftraggeberseite gern versucht, darzustellen, dass mit dem Pauschalpreis auch diese Mengenerhöhung abgegolten ist. Dies ist unrichtig. Denn die Vorschrift des § 2 Abs. 7 VOB/B erfasst in erster Linie die Fälle, in denen bei einem Pauschalpreisvertrag die Vordersätze ohne Anordnung des Auftraggebers explodieren. Diese Vorschrift ist damit nichts anderes als die Parallelvorschrift zu § 2 Nr. 3 VOB/B, der die Mengenabweichungen bei einem Einheitspreisvertrag regelt. Daraus kann man entnehmen, dass beim Einheitspreisvertrag § 2 Abs. 3 VOB/B gilt, wobei bei Mengenabweichungen bei einem Pauschalpreisvertrag die Vorschrift des § 2 Abs. 7 VOB/B zum Tragen kommt. Danach kann der Auftragnehmer im Falle einer Mengenerhöhung auf jeden Fall die Anpassung seines Pauschalpreises verlangen. Als Orientierungswert gilt wieder die 20 % Grenze. Der Anspruch aus § 2 Abs. 7 VOB/B setzt genauso wie die Vorschrift des § 2 Abs. 3 VOB/B kein Anpassungsverlangen voraus. Ein solches förmliches Anpassungsverlangen ergibt sich aus den beiden Vorschriften eben nicht, auch wenn die Auftraggeber darauf immer wieder verweisen. Dies ist rechtlich nicht richtig. Mithin ist deutlich geworden, dass nur bei erheblichen Mengenabweichungen eine Preisanpassung des Pauschalpreises beim Pauschalpreisvertrag denkbar ist.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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