Merkantile Wertminderung (Ersatz des Minderwertes) nach Verkehrsunfall

  • 3 Minuten Lesezeit

Der merkantile Minderwert ist ein erstattungsfähiger Schaden, der sich darin begründet, dass der Unfallwagen im Falle eines späteren Abverkaufes einen geringeren Erlös erzielen wird, als wenn er keinen Vorschaden erlitten hätte. Dieser Wertverlust tritt auch dann ein, wenn das Fahrzeug technisch vollständig und fachgerecht repariert und instandgesetzt wurde. Der Wagen gilt gleichwohl als nicht mehr unfallfrei. Es handelt sich also um den Ausgleich der Marktwahrnehmung, nach welcher ein Unfallfahrzeug schwerer zu verkaufen sein wird bzw. einen niedrigeren Preis erzielen wird.

Der Begriff „unfallfrei“ wird im Handel einheitlich verwendet und besagt, dass das Fahrzeug noch keinen Schaden erlitten hat, der als erheblich anzusehen ist. Die Erheblichkeit eines Schadens bestimmt sich dabei nach der Verkehrsauffassung, sodass nur geringfügige, ausgebesserte Blechschäden und Schönheitsfehler hier unberücksichtigt bleiben.

Die technische Wertminderung stellt in Abgrenzung dazu einen Zustand dar, in welchem trotz Reparatur tatsächlich Schäden oder Mängel an dem Fahrzeug verblieben sind.

Nicht nach jedem Verkehrsunfall ist zwangsläufig eine merkantile Wertminderung anzunehmen bzw. erstattungsfähig.

Üblicherweise fällt eine merkantile Wertminderung nur bei Fahrzeugen an, welche ein Fahrzeugalter von bis zu 5 Jahren haben.

Je höher der Fahrzeugwert ist, desto eher ist von einer merkantilen Wertminderung auszugehen und desto höher fällt diese in der Regel aus.

Auch der Schadenumfang (Fahrzeugschaden) aus dem Verkehrsunfall spielt eine zentrale Rolle bei der Bemessung, bei Bagatellschäden fällt in der Regel keine Wertminderung an.

Berechnungsmethoden: Die Sachverständigen bedienen sich verschiedener Berechnungsmethoden, um den merkantilen Minderwert zu bestimmen. Dieser kann in einem Sachverständigengutachten neben dem Fahrzeugschaden als gesonderte Position ausgewiesen werden, oder in einem gesonderten Minderwertgutachten bestimmt werden. Kostenvoranschläge berücksichtigen den Minderwert in der Regel nicht, dieses bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass ein solcher nicht entstanden ist.

Methode Ruhkopf-Sahm: Bei dieser Methode werden die Parameter Fahrzeugwert (Veräußerungswert als Zeitwert), Schadenhöhe (Reparaturkosten) und Fahrzeugalter, sowie der ehemalige Neupreis berücksichtigt.

Methode des BVSK (Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen): Diese Methode orientiert sich an den Marktdaten und Erfahrungssätzen.

Schätzung: Nach Abstimmung mit dem eigenen Rechtsanwalt kann in einigen Fällen (z.B. hoher Fahrzeugschaden und nur Kostenvoranschlag vorhanden) auch eine Schätzung durch den Rechtsanwalt erfolgen. Diese wird sich im Bereich 5%-15% des Fahrzeugschadens bewegen und ist verbunden mit der Androhung, bei Nichtzahlung ein entsprechendes Gutachten einzuholen. Diese Fälle kommen in der Praxis seltener vor, da in diesen Konstellationen in der Regel ohnehin zu einem Gutachten geraten werden sollte.

Hier kann dann formuliert werden: „Sollte die Wertminderung nicht akzeptiert werden, so kündigen wir bereits jetzt die Einholung eines Minderwert-Gutachtens auf Ihre Kosten an.“

In den Urteilen zu den Aktenzeichen VI ZR 205/23, VI ZR 239/23 und VI ZR 243/23 hat der BGH die lange Zeit anders beurteilte Frage zur Umsatzsteuer bei der Wertminderung neu entschieden. Nach der Bewertung es BGH ist die merkantile Wertminderung grundsätzlich nach wie vor steuerneutral, da der Ersatz der merkantilen Wertminderung nicht der Umsatzsteuer nach § 1 I Nr. 1 UstG unterliegt. Es fehlt an einem Austausch gegenseitiger Leistungen bei der Entschädigungsleistung.

Neu ist aber, dass die Wertminderung aufgrund einer Schätzung anhand eines Netto-Verkaufspreises oder anhand eines Brutto-Verkaufspreises berechnet werden kann. In der ersten Konstellation ist die Wertminderung voll durch die Gegenseite zu bezahlen, in der zweiten Konstellation wären die 19% Mehrwertsteuer herauszurechnen.

Die Gutachter sind demnach nunmehr angehalten statt wie bisher die merkantile Wertminderung (steuerneutral) auszuweisen (welche dann in der Vergangenheit ungekürzt bezahlt wurde), bestenfalls explizit einen Netto-Betrag für die Wertminderung auszuweisen und darauf hinzuweisen, dass diese anhand eines Netto-Verkaufspreises ermittelt worden ist.

Fehlt ein Hinweis im Gutachten, darf die Gegenseite zunächst von einer Berechnung anhand des Brutto-Wiederbeschaffungswertes ausgehen und damit die 19% kürzen.


Weitere Artikel finden Sie hier:

https://www.anwalt.de/rechtstipps/medizin-verkehrs-und-versicherungsrecht-hyperlink-baumstruktur-zu-den-bisherigen-artikeln-241807.html


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Hendrik Wilken

Beiträge zum Thema