Mindestkindesunterhalt bei Reduzierung der Erwerbstätigkeit, Hausfinanzierung und erweitertem Umgang?

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Das OLG Koblenz hatte sich in seinem Beschluss vom 27.05.2021 mit Fragen zum Mindestkindesunterhalt befasst.

Die antragstellenden Kinder lebten seit der Trennung ihrer Eltern bei der Mutter und hatten alle zwei Wochen von Donnerstag bis Dienstag Umgang mit ihrem Vater. Dieser zahlte zunächst bis einschließlich August 2019 einen über dem Mindestkindesunterhalt liegenden Betrag an die Mutter der Antragsteller. Anschließend stellte er seine Zahlungen komplett ein, da er am 24.4.2019 Vater eines weiteren Kindes geworden war, und seit 1.8.2019 seine Erwerbstätigkeit auf 50 % reduziert hatte.

Der Antragsgegner lebt mit der Mutter des weiteren Kindes in einem in seinem Eigentum stehenden Haus, für dessen Finanzierung er monatlich 750 € an Zins und Tilgung aufwendet. Die Mutter des weiteren Kindes, welche der Antragsgegner zwischenzeitlich geehelicht hat, hat ihr berufliches Engagement ebenfalls um rund die Hälfte reduziert. Sie erhält für das Kind vom 3. bis zum 21. Lebensmonat Elterngeld plus. Der Antragsgegner bezog solches für den 13. Bis zum 16. Lebensmonat.

Das erstinstanzliche Gericht hatte das Einkommen des Antragsgegners aus seiner reduzierten Erwerbstätigkeit sowie sein um einen Sockelbetrag von 300 € verringertes Elterngeld zugrunde gelegt und ist nach Abzug der Berufsaufwandspauschale, einer zusätzlichen Altersvorsorge von 100 €/mtl. Und Umgangsmehrkosten von ebenfalls 100 €/mtl. Zu einem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen von rund 1.486 €/mtl. Gelangt. Weitere Abzüge, insbesondere die Hausfinanzierung, hat das Familiengericht mit dem Argument der unzulässigen Vermögensbildung abgelehnt.

Bei dem vom Familiengericht ermittelten unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Antragsgegners liege ein Mangelfall vor. Dieser führe dazu, dass sich für die Antragsteller kein über dem erhaltenen Unterhaltsvorschuss liegende Unterhaltsanspruch ergebe, weshalb der Antrag abgewiesen wurde.

Gegen diese Entscheidung haben die Antragsteller Beschwerde eingelegt. Sie machen geltend, dass ihre Mutter infolge Wiederheirat keinen Unterhaltsvorschuss mehr erhalte und greifen die fehlende Leistungsfähigkeit ihres Vaters an. Es sei ein Unterhaltsanspruch des Vaters gegen dessen neue Ehefrau mit zu berücksichtigen. Erhöhte Umgangskosten sei nicht zu berücksichtigen, da vorliegend lediglich der Mindestkindesunterhalt begehrt werde. Zudem sei die jetzige Ehefrau des Vaters gegenüber den Antragstellern unterhaltsrechtlich nachrangig.

Die eingelegte Beschwerde hatte zum großen Teil Erfolg.

Das OLG sah in der Reduzierung der Erwerbstätigkeit des Vaters unterhaltsrechtlich keine Obliegenheitsverletzung zulasten der Antragsteller. Denn die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlichen Voraussetzungen für eine anzuerkennende Rollenwahl (Hausmann) in der neuen Beziehung seien erfüllt.

Das vom erstinstanzlichen Gericht ermittelte unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Antragsgegners wurde durch das OLG korrigiert.

Für den Vorteil des mietfreien Wohnens im eigenen Haus wurde beim Antragsgegner ein Wohnwert einkommenserhöhend berücksichtigt. Angesetzt wurde der objektive Wohnwert, und zwar unabhängig davon, ob das Objekt auch seiner neuen Familie zum Wohnen dient. Die Hausfinanzierung von 750 € ist bis zur Höhe des Wohnwerts auf diesen anzurechnen, da es den einkommenserhöhenden Wohnvorteil ohne die Finanzierung nicht gäbe.

Dem Antragsgegner entstehen durch den erweiterten Umgang sowohl Kosten, die - wie z.B. Wohnkosten, Kosten für Kleidung und Freizeit - reinen Mehraufwand darstellen, weil ihnen keine Kostenreduzierung im Haushalt der Kindesmutter gegenübersteht, als auch bedarfsdeckend der Aufwand wie z.B. erhöhte Verpflegungskosten der Kinder. Da die Antragsteller lediglich den Mindestkindesunterhalt begehren und der Antragsgegner sich selbst zu dessen Zahlung als nicht ausreichend leistungsfähig ansieht, scheidet eine Herabstufung in der Düsseldorfer Tabelle aus. Nachdem der Antragsgegner geltend macht, über kein ausreichendes Einkommen zu verfügen, hielt es das OLG als sachgerecht, die Mehrkosten des Umgangs mit einem Abzug von 50 €/mtl. pro Kind vom Einkommen des Antragsgegners zu berücksichtigen.

Weiter wurde der notwendige Selbstbehalt des Antragsgegners von 1.080 € in 2019 und 1.160 € ab 2020 wegen der Kostenersparnis des Zusammenlebens mit der Mutter des weiteren Kindes um 10 % gekürzt.

Da sich der Antragsgegner die Betreuung des weiteren Kindes mit seiner Ehefrau teilt, wurde der Barunterhaltsanspruch des weiteren Kindes  nur hälftig berücksichtigt. Zudem ist die neue Ehefrau des Antragsgegners allen Kindern nachrangig.

Für die Dauer des Elterngeldbezuges gelangte auch das OLG zu einem Mangelfall, allerdings mit einer höheren Quote. Sobald der Antragsgegner seine Vollzeiterwerbstätigkeit wieder aufnimmt, wird kein Mangelfall mehr vorliegen, sodass ggf. ein Abänderungsverfahren geführt werden muss.

Die Antragsteller haben im streitbefangenen Zeitraum in den Monaten September und Oktober 2020 sowie Mai 2021 zusätzlich zum Kindergeld Corona Kinderbonuszahlungen in Höhe von insgesamt jeweils 450 € erhalten. Das OLG Koblenz hat in seinem Beschluss nochmals klargestellt, dass die erhaltenen Corona Kinderbonuszahlungen zur Hälfte (bzw. vollständig bei Volljährigenunterhalt) auf den Barunterhaltsbedarf des Kindes anzurechnen sind.

OLG Koblenz, Beschluss vom 27.05.2021 (AZ 7 UF 689/20)


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