Mordmerkmal niedrige Beweggründe
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Zunächst, was ist ein Mordmerkmal?
Ein Mordmerkmal ist das, was aus einem Totschlag rechtlich einen Mord macht.
In § 212 StGB heißt es, wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger bestraft.
Und § 211 StGB regelt, dass Mörder ist, wer einen Menschen tötet und dabei eines der im Gesetz abschließend aufgezählten Mordmerkmale erfüllt. Zum Beispiel aus Mordlust oder um eine andere Straftat zu ermöglichen / zu verdecken.
Eines der Mordmerkmale sind die niedrigen Beweggründe. Sie sind der Auffangtatbestand des § 211 StGB. Nur um diese soll es nachfolgend gehen.
Nach ständiger Rechtsprechung sind Beweggründe im Sinne von § 211 II StGB niedrig, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind.
Wie so häufig im Strafrecht eine Definition, die wenig greifbar ist. Was ist die allgemeine sittliche Wertung? Wer bestimmt sie? Ist sie überprüfbar? Und hat sie überhaupt Stufen?
Für die Beurteilung der Frage, ob die konkreten Beweggründe zur konkreten Tat niedrig sind und in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verachtenswert erscheinen, fordert die Rechtsprechung eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren.
Dabei können Gefühlsregungen wie Wut und Zorn niedrige Beweggründe sein. Allerdings sind sie es nicht automatisch. Jeder Mensch ist mal wütend und zornig, ohne dass das gleich niedrige Beweggründe wären. Sie werden es erst, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, nicht menschlich verständlich sind, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters, vgl. BGH Urt. v. 28.11.2018 – 5 StR 379/18.
Jede vorsätzliche und rechtswidrige Tötung ist für sich genommen schon verwerflich. Aus diesem Grund kann allein aus der Tötung noch nicht auf niedrige Beweggründe geschlossen werden. Solange das Motiv der Tötung also nicht jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehrt, ist es noch nicht als niedrig im Sinne von § 211 StGB zu qualifizieren.
Deswegen kann auch die Tötung des Intimpartners, der sich vom Täter abwenden möchte oder bereits abgewendet hat, nicht zwangsläufig als durch niedrige Beweggründe motiviert bewertet werden. Gerade der Umstand, dass die Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, darf sogar als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden, vgl. BGH Urt. v. 21.02.2028 – 1 StR 351/17. Das man in so einer Situation wütend und zornig auf den Partner sein kann, sieht der BGH also als menschlich nachvollziehbar an.
Beim Vorliegen eines fast immer vorkommenden Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, das der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist, vgl. zB BGH Urt. v. 14.12.2006 – 4 StR 419/06.
Für die Gerichte macht das die Beweiswürdigung schwierig und fehlerträchtig. Relativ häufig geschehen dabei Fehler, die einer Revision zum Erfolg verhelfen können.
So auch in dem Beschluss des BGH v. 17.04.2024 – 1 StR 92/24.
Dort legte das Schwurgericht bei seiner Beweiswürdigung der Tat – eine klassische Beziehungstat, bei der er ihr die Trennung vorwarf und schließlich das Haus, in dem sie nach der Trennung wohnte, anzündete - die Motive Wut, Bestrafung und Rache wegen der Trennung und der damit verbundenen als ungerecht empfundenen Vermögensaufteilung zugrunde und wertete diese als niedrig.
Das monierte der BGH. Die Gesamtwürdigung greife zu kurz, weil aus ihr nicht ersichtlich werde, weshalb die angenommenen Motive des Ärgers und der Wut ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen.
Wut und Ärger sind für sich genommen eben keine niedrigen Beweggründe. Das Gericht muss in einer Gesamtwürdigung darlegen, warum im konkreten Fall Wut und Ärger ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen. Bei einer Trennung sind sie es nicht per se.
Im vom BGH entschiedenen Fall kommt hinzu, dass sehr nahe lag, dass der Angeklagte mit der Situation absolut überfordert war, was sich u.a. an seinem unmittelbar nach der Tat begangenen Suizidversuch zeigte. Bei diesem Hintergrund hätte sich das Schwurgericht nicht mit der Erwägung begnügen dürfen, der Angeklagte habe „ohne Rücksicht auf Dritte und sich selbst gehandelt“ und seinen Ärger über das Leben unbeteiligter Dritter gestellt. Vielmehr hätte es erörtern und mit Tatsachen unterlegen müssen, aus welcher Motivation heraus dies geschah. Nur wenn das zugrundeliegende Motiv seinerseits als niedrig zu bewerten ist, liegen niedrige Beweggründe vor (vgl. BGH aaO Rn. 13).
Niedrige Beweggründe zu begründen ist also gar nicht so einfach. Für die Verteidigung hingegen bieten sie nicht selten viele erfolgversprechende Ansätze, gerade auch für Revisionen.
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