Müssen Werbetreibende jetzt Steuern von Google und Facebook eintreiben und an den Fiskus abführen?

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Zur steuerlichen Einordnung von Quellensteuerabzügen bei Online-Werbung

Online-Werbung ist omnipräsent und wird nicht mehr nur von jungen Tech-Unternehmen betrieben. Allgegenwärtige Paradebeispiele für Online-Werbeplattformen mit ausländischem Sitz sind u. a. Google, Instagram oder auch Facebook.

1. Worum geht es überhaupt?

Für deutsche, insbesondere bayerische Unternehmen mit online-basierter Werbung kann es ab sofort ungemütlich werden, im schlimmsten Fall müssen sie hohe Rückstellungen in ihren Bilanzen einstellen. Denn die bayerischen Finanzbehörden kategorisieren Erlöse aus Online-Bannerwerbung seit Kurzem als Einkünfte aus der Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Know-how gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG. Eine Besteuerung erfolgt demnach in Höhe von 15 %, sofern die ausländischen Anbieter der Werbeplattform als beschränkt steuerpflichtig angesehen werden, was überwiegend der Fall ist.

Diese Steuerlast betrifft zwar zunächst den ausländischen Anbieter dieser Werbemöglichkeit. Dennoch hat diese Einordnung vor allem weitreichende Folgen für den deutschen Werbekunden, da er als Vergütungsschuldner für den eigentlichen Steuerschuldner (Anbieter) nach § 50a Abs. 5 Satz 4 EStG gegenüber den Finanzbehörden für deren ausstehende Steuerforderungen aus den Werbeeinkünften haftet. Denn gerade für ausländische Unternehmen kann es mitunter leicht sein, sich den Forderungen des deutschen Fiskus zu entziehen. Um die Schlupflöcher zu schließen, soll nun auf den innerhalb Deutschlands ansässigen Kunden zurückgegriffen werden.

Die Abwälzung des Eintreibungsrisikos bei Auslandsbezug auf inländische Beteiligte des steuerlich relevanten Rechtsgeschäfts grassiert seit 01.01.2019 auch noch an anderer Stelle im deutschen Steuerrecht. Um behördliches Unvermögen beim Durchgriff auf ausländische Steuerschuldner zu umgehen, setzt § 25e Abs. 1 UStG die Haftung eines Dritten für nicht entrichtete Steuer fest, nämlich des Betreibers des elektronischen Marktplatzes, auf dem die steuerverursachende Transaktion durchgeführt wurde.

2. Haben deutsche Werbetreibende die Möglichkeit, Google & Co. in Regress zu nehmen?

Die Haftung des Kunden gegenüber den Finanzbehörden für die Ertragssteuern löst zwar einen Regressanspruch gegenüber dem eigentlichen Steuerschuldner aus. Wenn die Finanzbehörden jedoch nicht in der Lage waren, diesen entsprechend zu belangen, wird es in der Regel zweifelhaft sein, ob dies nun dem Kunden gelingt – insbesondere, wenn einer der eingangs genannten Marktführer der Konterpart sein sollte. Auch ein aufwändiges und langwieriges Freistellungsverfahren nach § 50d EStG wird dem belasteten Kunden hier nicht immer Abhilfe verschaffen können.

3. Haften Werbekunden auch für Vorgänge aus der Vergangenheit?

Da die geänderte Behandlung von Bannerwerbung nicht auf einer Gesetzesänderung basiert, sondern lediglich auf einer veränderten Auslegung des Gesetzestextes, gibt es – anders als im Fall des § 25e UStG – außerhalb der üblichen Anspruchsfristen keine Grenze der Rückwirkung. Aktuell ist es somit auf Basis von § 50a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 4 EStG möglich, nachträgliche Abgaben für bis zu 7 Jahren zu fordern. Die Risiken bei Nichtzahlung der potenziell sehr hohen Nachforderungen fangen bei einer empfindlichen Geldbuße an und enden bei Steuerhinterziehung.

4. Welche rechtlichen Argumente sprechen gegen die neue Steuerpraxis der Behörden?

Diese Abwälzungspraxis erscheint aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt. Unabhängig von den weitreichenden und u. U. existenzbedrohlichen Folgen erscheint uns die Einordnung von Bannerwerbung als Knowhow als nicht stichhaltig und nachvollziehbar. Schließlich erwirbt der Kunde kein Recht, das er innerhalb der Grenzen der Vereinbarung eigenständig nutzen kann, so wie dies beim Erwerb von Nutzungsrechten – z. B. an einem Quellcode – der Fall ist. Vielmehr zahlt er dem Anbieter eine Vergütung, damit dieser für ihn die vereinbarte Bannerwerbung veröffentlicht. Unter Nutzung welcher konkreten Mittel dies vom Anbieter getan wird, ist für den Kunden in der Regel nicht von Interesse und auch selten vom Anbieter offengelegt.

5. Wie hoch ist das Risiko, tatsächlich in Anspruch genommen zu werden?

Auch wenn man das genaue Risiko aktuell noch nicht einschätzen kann, ist jedoch zu befürchten, dass die Finanzbehörden von einem Quellensteuerabzug nicht absehen werden und ihre verfehlte Anwendung des § 50a Abs. 3 EStG auf Online-Werbung auch auf alle vergleichbaren Fälle ausweiten werden. Damit sind neben dem klassischen Bereich der Online-Banner-Werbung u. U. auch das Marketing über Such-Anzeigen, App-Anzeigen, Display-Anzeigen oder Influencer-Marketing betroffen.

6. Was ist nun zu tun?

Solange die Finanzbehörden von ihrer neuen Behandlung von Einkünften aus Online-Werbung durch ausländische Plattform-Anbieter nicht abweichen, kann nur Folgendes geraten werden:

  • Es sind in Absprache mit dem jeweiligen Steuerberater und einem qualifizierten Rechtsanwalt Rückstellungen – nach Möglichkeit in ausreichender Höhe – für etwaige Forderungen zu bilden.
  • Sollte eine Forderung der Finanzbehörden vorliegen, ist zu überlegen, gegen diesen Quellensteuereinbehalt Einspruch einzulegen und ggf. auch die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen.
  • Es sollten unverzüglich Vorkehrungen getroffen werden, um nach Möglichkeit eine weitere Haftung für Steuerschulden zu vermeiden. Dafür sind insbesondere die Möglichkeiten der vertraglichen Absicherung gegenüber dem Anbieter der Werbemöglichkeit in Betracht zu ziehen bzw. zumindest Erhöhungen der Steuerlast durch sogenannte „Nettopreisklauseln“ zu verhindern.


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