Nach Unfallflucht Fahrerlaubnis-Entziehung ab 2.500 € Schaden (Landgericht Nürnberg-Fürth, Januar 2020)

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Wird jemandem eine Unfallflucht vorgeworfen, so entscheidet die Höhe des verursachten Fremdschadens darüber, ob ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen ist oder nicht. Der damit angesprochene "bedeutende Sachschaden" im Sinne von § 69 I, II Nr.3 StGB wird aber im Gesetz nicht konkret bestimmt und unterliegt damit einem stetigen Wandel in den Entscheidungen der Gerichte. Dies führt dazu, dass in Deutschland sehr unterschiedliche Entscheidungen bei vergleichbarer Ausgangssituation getroffen werden. Gerade deswegen und wegen des hohen Stellenwerts der Mobilität für jeden Verkehrsteilnehmer ist es von herausragender Bedeutung, die maßgebliche Rechtsprechung zu kennen. 

Einen aus Verteidigersicht als positiv herauszustellenden Ausreißer stellt dabei ein Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15.01.2020 (Az. 5 Qs 4/20) dar. Darin wurde nicht nur festgelegt, dass die Fremdschadens-Grenze erst bei 2.500 € liege, sondern auch, dass dies "rein netto", also ohne Mehrwertsteuer gelte. 

Das Gericht hat sich dabei deutlich von dem abgesetzt, was die meisten anderen Landgerichte zu gleicher Zeit als maßgeblich halten (ca. 1.500 €) und dies ausführlich begründet: 

"[...] Im Hinblick auf die in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB angeordnete Gleichsetzung des bedeutenden Fremdschadens mit der Tötung bzw. nicht unerheblichen Verletzung eines Menschen einerseits und der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten 10 Jahren andererseits hat die Kammer im Interesse der Rechtssicherheit eine großzügige Anpassung der Wertgrenze nach oben vorgenommen. Die Kammer hat dabei die Entwicklung der Einkommen und der Kosten für die Beseitigung der Folgen von Verkehrsunfällen berücksichtigt und sich an einer groben Schätzung der wirtschaftlichen Entwicklung orientiert. Eine exakte Ermittlung der Kostenentwicklung bei der Beseitigung von Unfallfolgen ist nicht zuletzt wegen der Vielfältigkeit der Unfallszenarien von geringer Aussagekraft. Die Kammer hat deswegen davon abgesehen anhand von einem Musterunfallgeschehen auf eine insoweit singuläre Kostenentwicklung abzustellen (vgl. aber zu diesem Ansatz LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 13.05.2008, Az 5/9a Qs 5/08), Die Verbraucherpreise für die Wartung und Reparatur von Fahrzeugen sind allein in den Jahren von 2010 bis 2016 um 11,6 % angestiegen (vgl. Statistisches Bundesamt, Verbraucherpreisindex für Deutschland, Klassifikation CC 0723). Im gleichen Zeitraum steigerte sich der Reallohnindex lediglich um 7,8 % (vgl. Statistisches Bundesamt, Verdienste und Arbeitskosten, Reallohnindex und Nominallohnindex, 4. Vierteljahr 2017). Auch im Bereich der Bergungs- und Abschleppkosten ist es zu deutlichen Preissteigerungen gekommen. So sind beispielsweise die Preise für ein Standard-Bergungsfahrzeug zum Abtransport von liegen gebliebenen Pkws bis 7,49 t zwischen den Jahren 2006 und 2016 um 35,5 % angestiegen (vgl. VBA, Preis- und Strukturumfrage im Bergungs- und Abschleppgewerbe, Ergebnisse 2006 bis 2016). Eine großzügige Anpassung der Wertgrenze war im Interesse der Rechtssicherheit geboten, um eine wiederholte Anpassung um kleinere Beträge in kürzeren Zeitabständen möglichst zu vermeiden. [...]"

Dem ist aus unserer Sicht vollumfänglich zuzustimmen und zugleich sollten diese Ausführungen Mut machen, auch gegenüber anderen Gerichten auf entsprechende Anpassungen der Wertgrenze zu drängen, denn nachdem Stundenverrechnungssätze von 150 € zzgl. MwSt. in Fachwerkstätten keine Seltenheit mehr sind, kann es nicht angehen, dass bei einigen Gerichten seit Jahren die Grenze für den "bedeutenden Sachschaden" unverändert ist. 

Am Ende bleibt noch zu erwähnen, dass auch das Landgericht Nürnberg-Fürth in dem angesprochenen Beschluss angemerkt hat, dass es außerdem in subjektiver Hinsicht erforderlich ist, dass ein Beschuldigter wusste oder hätte wissen können, dass ein Schaden oberhalb der maßgeblichen Wertgrenze eingetreten ist. Im beschiedenen Einzelfall kam es darauf aber nicht an, da der bezifferte Schaden mit 1.937,05 € netto schon objektiv die festgesetzte Betragsgrenze nicht erreicht hatte. 

Es lohnt sich also, mit anwaltlicher Unterstützung darauf zu pochen, dass eine höhere Betragsgrenze für den "bedeutenden Schaden" angenommen wird, um dadurch die Entziehung der Fahrerlaubnis abzuwenden. 


Dr. Sven Hufnagel
Fachanwalt für Verkehrsrecht

Sowohl Rechtsanwalt Dr. Sven Hufnagel, als auch seine Ehefrau, Rechtsanwältin Claudia Hufnagel, verteidigen von ihrem Kanzlei-Sitz in Aschaffenburg aus in der gesamten Bundesrepublik Beschuldigte nach dem Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort.  

Regelmäßig dürfen Sie sich über Auszeichnungen (z.B. bzgl. Dr. Sven Hufnagel als „Top-Anwalt für Verkehrsrecht“ in der „FOCUS-Anwaltsliste“ 2015 bis 2021 und im STERN-Magazin 2020 und 2021 als eine der „besten Kanzleien im Verkehrsrecht“) freuen. 

Nähere Informationen gibt es hier: www.fahrerflucht24.de .


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