Nachweis der Berufsunfähigkeit: fingierte Berufsunfähigkeit und 6-Monats-Klausel

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Sie sind bereits seit mehreren Monaten „krankgeschrieben“, also arbeitsunfähig und möchten nun Ihre private Berufsunfähigkeitsrente in Anspruch nehmen?

Wer eine private BU-Rente beantragt, muss den Nachweis führen, dass er oder sie berufsunfähig im zuletzt ausgeübten Beruf ist. Was hierunter zu verstehen ist, definieren die Versicherungsbedingungen. Die Verträge unterscheiden sich hierbei in Nuancen, die Voraussetzungen sollten also immer professionell geprüft werden.

Die meisten BU-Versicherungsverträge sehen vor, dass Berufsunfähigkeit vorliegt, wenn die versicherte Person entweder

  • voraussichtlich für mindestens 6 Monate nicht in der Lage sein wird, den letzten Beruf auszuüben

    oder 

  • ununterbrochen 6 Monate hierzu nicht in der Lage war (Fiktion der Berufsunfähigkeit)

Die 2. Alternative (Fiktion) ist meistens günstiger für die Anspruchsteller, da die Zukunftsvorhersage nach Alternative 1, ob die Leistungsminderung noch mindestens 6 Monate andauern wird, schwer zu treffen ist. 

Sie fragen sich nun, ob nun also ohne weiteres Ihre BU-Rente ausgezahlt werden muss, da Sie seit 6 Monaten in Ihrem Beruf nicht tätig sein konnten?

Im Prinzip:  Ja…

Jedoch müssen Sie damit rechnen, dass Ihr Versicherer die an sich verbraucherfreundliche Klausel unkorrekt anwendet.  

Was die Sache für Sie als Kunden so schwierig macht, ist, dass die Versicherer mit Argumenten aufwarten, die einzeln betrachtet nicht falsch sind, die aber die Rechtslage seltsam verzerrt wiedergeben und die Rentenbewilligung verzögern.

So wird häufig argumentiert, dass die Fiktion der Berufsunfähigkeit dem Kunden nur den Nachweis erspare, dass die Leistungsminderung „voraussichtlich dauerhaft“ sei, indem diese Zukunftsprognose durch einen Umstand aus der Vergangenheit ersetzt wird.  Nämlich durch das sechsmonatige ununterbrochene Bestehen der „Unfähigkeit, den bisherigen Beruf auszuüben.

Im Kern stimmt dieses Argument.

Schwierig wird es jedoch beim zweiten Teil der üblichen Verteidigungsstrategie der Versicherer: Diese vertreten den Standpunkt, dass auch bei der 6-Monats-Klausel der Kunde ärztlich nachweisen müsse, dass in dem vergangenen Zeitraum tatsächlich Berufsunfähigkeit bestand. So weit, so richtig, nur, warum wird dann die Rente nicht einfach gezahlt, wenn Sie Ihre AU-Bescheinigungen beim Versicherer einreichen?  

Fakt ist, dass die Versicherer die AU-Bescheinigungen in der Regel nicht als Nachweis der zurückliegenden 6-monatigen BU anerkennen. Hier kommt das das – wie ich finde – tückische – Argument, dass Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung nicht identisch sei mit der Berufsunfähigkeit im Sinne der privaten BU-Versicherung. Arbeitsunfähigkeit sei voraussichtlich nicht dauerhaft, Berufsunfähigkeit dagegen dauerhaft.  Auch dies ist, für sich betrachtet, nicht falsch. Aber eben auch nicht richtig, da die Fiktion der Berufsunfähigkeit ja gerade den Zweck hat, einen Zustand, von dem man noch nicht weiß, ob er dauerhaft ist, als dauerhaft anzusehen. Es handelt sich eben um eine Fiktion, d. h., man schafft quasi „künstlich“ die Voraussetzungen für die Leistung, eine kundenfreundliche Regelung, um Prognoseschwierigkeiten zu umgehen. Somit ist des dem Versicherer verwehrt, zu argumentieren, Arbeitsunfähigkeit sei vorübergehend.

Für viele BU-Versicherer ist dies offenbar zu viel der Kundenfreundlichkeit in ihrem eigenen Kleingedruckten, sie übersehen bewusst, dass es sich bei AU-Bescheinigungen um ärztliche Dokumente handelt, die geeignet sind, den Nachweis zu führen. Schließlich können Arbeitgeber oder auch die Krankenkasse bei längerer AU diese vom MDK überprüfen lassen und tun dies auch, wenn Zweifel bestehen.

Sinn der Fiktionsklausel ist, dass Sie in der existenziellen Situation Ihre Leistungen so schnell wie möglich erhalten sollen, wenn die Voraussetzungen gegeben sind.

Bereiten Sie Leistungsanträge mit professioneller Unterstützung vor und nehmen Sie Verzögerungen bei der Prüfung nicht einfach hin.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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