Nebenjob in Corona-Hotspot-Betrieb verschwiegen: Kündigung wirksam?

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Viele Arbeitnehmer*innen bessern ihr Einkommen mit einem Nebenjob auf. Grundsätzlich steht es Arbeitnehmern frei, einer weiteren Tätigkeit nachzugehen, wenn sich dadurch keine Konflikte mit dem hauptsächlichen Arbeitsverhältnis ergeben.

Ist allerdings im Arbeitsvertrag geregelt, dass Arbeitnehmer*innen Nebentätigkeiten dem Arbeitgeber anzeigen müssen, sollten Arbeitnehmer*innen dieser Pflicht nachkommen.

Was aber sind die Folgen, wenn man als Arbeitnehmer*in diese Pflicht verletzt? Und mehr noch: Was, wenn das Verschweigen der Nebentätigkeit entgegen der arbeitsvertraglichen Mitteilungspflicht in Zeiten der Corona-Pandemie die Gesundheit von Kollegen und Kolleginnen gefährden könnte? Über diese Frage entschied das Arbeitsgericht (ArbG) Bielefeld (Urteil v. 17.12.2020; Az: 1 Ca 1741/20).

Der Fall vor Gericht 

Ein Mann Mitte 40 arbeitete in der Qualitätsprüfung eines Autoteile-Zulieferbetriebs. Um sein Einkommen aufzubessern, war er als Reinigungskraft einen Tag pro Woche im Schlacht- und Zerlegebetrieb Tönnies tätig. Kontakt mit Tönnies-Mitarbeitern hatte der Mann während seiner Arbeit im Schlachtbetrieb nicht.

Im Sommer 2020 wurde bekannt, dass bei Tönnies mehr als 1000 Mitarbeiter*innen positiv auf das SARS-CoV-2-Virus getestet wurden. Daraufhin wurde der Betrieb aufgrund behördlicher Anordnung zeitweise geschlossen, Mitarbeiter*innen in Quarantäne geschickt. Der Mann hatte sich nach dem Bekanntwerden der Infektionen auf das Coronavirus testen lassen – freiwillig, mit negativem Ergebnis. Seinem Hauptarbeitgeber hatte der Mann nichts über seinen Nebenjob mitgeteilt.

Als der jedoch davon erfuhr, sprach er sofort eine fristlose Kündigung aus, gleichzeitig hilfsweise die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung. Der Mann hätte seine Nebentätigkeit anzeigen müssen – im Arbeitsvertrag sei das ausdrücklich vereinbart. Spätestens jedoch als der Corona-Hotspot bei Tönnies bekannt wurde, hätte er nicht mehr schweigen dürfen. Mit seinem Verhalten hätte er in Kauf genommen, dass sich Kollegen und Kolleginnen im Betrieb des Hauptarbeitgebers anstecken. Dieses Schweigen sei grob fahrlässig gewesen und habe das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer so massiv beschädigt, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sei.

Gegen diese (fristlose) Kündigung nach § 626 BGB setzte sich der Mitarbeiter allerdings zur Wehr und erhob fristgerecht Klage zum Arbeitsgericht. Mit Erfolg.

Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld

Einen Grund für eine (fristlose) Kündigung sahen die Richter des Arbeitsgerichts nicht. Zwar hätte der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mitteilen müssen, dass er eine Nebentätigkeit ausübt. Dass er das nicht getan habe, sei zwar eine Pflichtverletzung. Die sei jedoch nicht so schwerwiegend, als dass man dem Arbeitnehmer deswegen sofort und fristlos hätte kündigen müssen. Denn dieses Fehlverhalten wäre keine derart schwerwiegende Verletzung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die eine fristlose Kündigung hätte rechtfertigen können.

Und auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung hielt das Gericht für unwirksam. Einerseits sei der Betriebsrat nicht beteiligt worden, obwohl das notwendig gewesen wäre. Andererseits wäre im konkreten Fall eine Abmahnung ausreichend gewesen: der Mitarbeiter habe nicht aus Rücksichtslosigkeit seine Nebentätigkeit im Corona-Hotspot-Betrieb verschwiegen. Er habe sich vielmehr aufgrund des medialen Drucks nicht getraut, sich dem Arbeitgeber zu offenbaren. Und nicht zuletzt hatte sich der Mitarbeiter mit negativem Ergebnis freiwillig einem Corona-Test unterzogen. Anhaltspunkte dafür, dass eine arbeitsrechtliche Abmahnung als eine Art „Warnschuss“ nicht ausgereicht hätte, sahen die Richter außerdem im konkreten Fall nicht. Insofern sei auch die ordentliche Kündigung unverhältnismäßig und damit unwirksam.

Bedeutung des Urteils für die Praxis 

Die Verletzung von (arbeitsvertraglichen) Mitteilungspflichten im Arbeitsverhältnis kann arbeitsrechtliche Folgen haben. Eine ordentliche (verhaltensbedingte) Kündigung ist denkbar, in extremen (Einzel-)Fällen sogar eine fristlose Kündigung.

Deutlich wird aber an diesem Fall auch: Kommt ein solches Fehlverhalten erstmalig vor und erschüttert das Fehlverhalten das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht in den Grundfesten, kann eine Abmahnung die einzig zulässige, verhältnismäßige arbeitsrechtliche Maßnahme des Arbeitsgebers sein. Kommt es dennoch zu einer Kündigung, kann die Kündigung unwirksam sein und eine Kündigungsschutzklage – wie in diesem Fall – erfolgreich.  

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Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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