Neues Kaufrecht und der Gebrauchtwagenmarkt

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Neues Kaufrecht ab 01.01.2022 / Umsetzung Warenkaufrichtlinie

Am 01.01.2022 treten umfassende Neuregelungen zum Kaufrecht in Kraft, mit denen der Gesetzgeber die europäische Warenkaufrichtlinie (EU/2019/771) in nationales Recht umsetzt.

Zweck der Warenkaufrichtlinie ist es, zum ordnungsgemäßen Funktionieren des digitalen Binnenmarkts beizutragen und gleichzeitig für ein hohes Verbraucherschutzniveau zu sorgen. Die damit verbundenen Änderungen des Kaufrechts betreffen alle Verträge, die ab dem 01.01.2022 geschlossen werden.

Im Folgenden möchten wir einige wesentliche Änderungen für den Verbrauchsgüterkauf (B2C) mit Schwerpunkt auf den Gebrauchtwagenmarkt vorstellen, also Kaufverträge über gebrauchte Kraftfahrzeuge, die Händler mit Verbrauchern abschließen.

Die Neuregelungen für digitale Produkte und Sachen mit digitalen Elementen werden hier ausgeklammert und in einem gesonderten Beitrag behandelt.

Neuer Sachmangelbegriff

Zukünftig ist eine Sache nur noch dann frei von Sachmängeln, wenn sie – kumulativ – den (1) subjektiven Anforderungen, den (2) objektiven Anforderungen und den (3) Montageanforderungen entspricht. Anders als nach derzeitigem Recht kann eine Kaufsache daher auch dann mangelhaft sein, wenn sie zwar der vereinbarten Beschaffenheit (also den subjektiven Anforderungen) entspricht, aber nicht die übliche Beschaffenheit aufweist.

Vereinbaren die Parteien eines Verbrauchsgüterkaufs (B2C) beispielsweise, dass das Kraftfahrzeug einen reparierten Unfallschaden (subjektive Anforderungen) hat, kann dennoch ein Mangel im Sinne des Sachmängelrechtes vorliegen, wenn die Reparaturarbeiten nicht die üblicherweise zu erwartende Beschaffenheit (objektive Anforderungen) aufweisen.

In Abweichung vom bisherigen Recht, das einen Vorrang der vereinbarten Beschaffenheit statuiert hat, sieht die neue Rechtslage nun einen Gleichrang der subjektiven Anforderungen, der objektiven Anforderungen und der Montageanforderungen vor.

Abweichende Vereinbarungen über die objektiven Anforderungen der Kaufsache sind möglich. Man spricht in diesem Falle von negativen Beschaffenheitsvereinbarungen.

Beim Verbrauchsgüterkauf erfordert eine vertragliche Abweichung von den objektiven Anforderungen allerdings eine gesonderte Information sowie eine ausdrückliche und gesonderte Zustimmung des Verbrauchers.

Der Händler muss den Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung, also bevor eine verbindliche Bestellung oder ein Kaufvertrag unterschrieben wird, eigens davon in Kenntnis setzen, dass ein bestimmtes Merkmal der Kaufsache von den objektiven Anforderungen abweicht. Den Verkäufer trifft damit eine vorvertragliche Informationspflicht, die aus Beweisgründen auf einem separaten Beiblatt dokumentiert werden sollte.

Zusätzlich muss die negative Beschaffenheitsabweichung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart werden, wobei es ausreichend sein sollte, das Beiblatt (siehe oben) der verbindlichen Bestellung oder dem Kaufvertrag als unterzeichnete Anlage beizufügen.

Verlängerung Beweislastumkehr auf 1 Jahr

Die bisher bekannte Beweislastumkehr von sechs Monaten wird auf ein Jahr verlängert. Der Zeitraum, in dem die Vermutung zugunsten des Verbrauchers greift, der Mangel der Kaufsache habe schon bei Gefahrübergang vorgelegen, beträgt zukünftig also ein Jahr.

Nach Einschätzung des Bundesverbandes freier Kfz-Händler dürfte die Ausweitung der Beweislastumkehr auf den Zeitraum von einem Jahr für eine nicht unbedeutende Anzahl von Händlern hauptursächlicher Faktor für die Notwendigkeit deutlicher Preiserhöhungen sein. Sollte sich diese Einschätzung als zutreffend erweisen, könnten sich die Kaufpreise für gebrauchte Kraftfahrzeuge in Zukunft deutlich erhöhen.

Nachbesserung, wo und wie oft?

Neu ist zudem, dass der Käufer zukünftig verpflichtet ist, die Kaufsache dem Verkäufer zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen. Im Gebrauchtwagenmarkt ist daher der Betriebssitz des Händlers der Erfüllungsort für Nachbesserungsarbeiten.

Der Gesetzgeber verabschiedet sich zudem von der 2-Versuche-Regelung beim Verbrauchsgüterkauf. Verbraucher sind zukünftig nicht mehr gehalten, dem Verkäufer im Regelfall zwei Nachbesserungsversuche für die Beseitigung eines Mangels einzuräumen.

Der Verbraucher ist nicht mehr gehalten, dem Verkäufer im Regelfall zwei Nachbesserungsversuche einzuräumen. Rücktritt und Schadensersatz können zukünftig auch schon dann geltend gemacht werden, wenn sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeigt, also der erste Versuch der Nachbesserung fehlgeschlagen ist.

Abkürzung Verjährungsfrist für Sachmängel (Gewährleistungsfrist)

Wie bisher, kann auch in Zukunft die Verjährungsfrist für Mängelrechte (Gewährleistungsfrist) beim Gebrauchtwagenkauf auf ein Jahr abgekürzt werden. Allerdings ist dies nicht mehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich.

Wie im Falle der negativen Beschaffenheitsvereinbarung (siehe oben) ist es in Zukunft vielmehr erforderlich, dass der Verbraucher vor Unterzeichnung der verbindlichen Bestellung oder des Kaufvertrages, nach Möglichkeit auf einem separaten Beiblatt, vom Händler ausdrücklich darüber informiert wird, dass die gesetzliche Verjährungsfrist auf ein Jahr verkürzt wird und für welche Fälle dies nicht gilt.

Ausblick

Die neuen Regelungen gelten für Kaufverträge, die ab dem 01.01.2022 geschlossen werden. Das Kaufrecht passt sich dem Markt an, Verbraucherrechte werden gestärkt. Dies bringt neue Pflichten für Unternehmen, die einige Fragen aufwerfen.

In jedem Fall ist Händlern und Verkäufern zu raten, ihre Vertragsmuster und Allgemeinen Geschäftsbedingungen an die neuen Anforderungen anzupassen.


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