Österreichisches Insolvenzrecht, Gläubigerschutz und Instrumente zur Zahlungssicherung

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Hauptzweck des Insolvenzverfahrens nach der österreichischen Insolvenzordnung ist es, die Gleichbehandlung aller Gläubiger sicherzustellen. Alle angemeldeten Forderungen abgesehen von bestimmten privilegierten Forderungen sind in gleichem Umfang zu befriedigen. Dazu wird grundsätzlich das gesamte Vermögen des Schuldners herangezogen.

Im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens, insbesondere bei drohender Insolvenz, besteht die Gefahr, dass dieser primäre Zweck des Insolvenzverfahrens vereitelt wird: Mehr oder weniger große Teile des Schuldnervermögens können etwa an Dritte (oft Verwandte) übertragen werden, um sie dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, dem Schuldner besonders nahestehende Gläubiger werden schnell voll befriedigt, während sich die anderen mit der ohnehin meist extrem niedrigen und durch solche Handlungen noch schlechteren Insolvenzquote begnügen müssen.

Die österreichische Insolvenzordnung versucht diesem Problem zu begegnen, indem sie - zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung aller Gläubiger - einen Anspruch der Insolvenzmasse (vertreten durch den Insolvenzverwalter) gegen den Empfänger von Leistungen aus anfechtbaren Rechtshandlungen/Unterlassungen auf Rückzahlung („Anfechtung“) schafft. 

1.         Anfechtung von empfangenen Leistungen

Rechtshandlungen des Schuldners, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden, können innerhalb eines Jahres vom Insolvenzverwalter insbesondere wegen Benachteiligungsabsicht, Begünstigung anderer Gläubiger oder Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuldners angefochten werden (das Gesetz kennt hier noch andere Tatbestände).

a.         Anfechtung wegen Benachteiligungsabsicht 

Benachteiligungsabsicht liegt vor, wenn der Schuldner beabsichtigt, durch die betreffende Rechtshandlung die Befriedigung mindestens eines (anderen) Gläubigers zu vereiteln. 

b.         Anfechtung wegen Begünstigung anderer Gläubiger

Eine begünstigende Rechtshandlung zur Sicherung oder Befriedigung eines Gläubigers, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder in den letzten sechzig Tagen davor, frühestens jedoch ein Jahr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde, ist anfechtbar, wenn der Gläubiger die Begünstigungsabsicht des Schuldners kannte oder hätte kennen müssen. Darüber hinaus kann unabhängig von einer Begünstigungsabsicht - innerhalb derselben Frist - jede Sicherheitsleistung oder Befriedigung angefochten werden, durch die der Gläubiger etwas erhält, was ihm nach dem Gegenstand, der Zeit oder dem Ort nicht zusteht (z. B. durch Zahlung einer noch nicht fälligen Schuld).

c.         Anfechtung wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung 

Alle Rechtshandlungen oder Rechtsgeschäfte, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und nicht mehr als sechs Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen werden, sind anfechtbar, wenn ein anderer Insolvenzgläubiger Sicherheit oder Befriedigung erlangt oder das Rechtsgeschäft, das der Schuldner mit anderen Personen geschlossen hat, für die Gläubiger nachteilig ist, wenn der andere Teil die Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung oder den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kannte oder hätte kennen müssen. Überschuldung liegt vor, wenn weder das vorhandene Vermögen noch das zu erwartende Einkommen eines Schuldners seine bestehenden Verbindlichkeiten decken. 

2.         Instrumente zur Zahlungssicherung

Internationale Verkäufer sind häufig mit dem Risiko eines Zahlungsausfalls im Falle einer (möglichen) Insolvenz des Käufers konfrontiert. Wie können sie sich am besten absichern, ohne das Geschäft zu gefährden? 

Die bevorzugten Instrumente sind Vorauszahlung oder ein Akkreditiv. Im Falle einer Anfechtung der Zahlung durch den Insolvenzverwalter ist es wohl am unwahrscheinlichsten, dass ein Gericht die Zahlung im Rahmen eines Akkreditivs als nachteilig für die anderen Gläubiger einstuft.

Darüber hinaus sieht das österreichische Recht ein weiteres Instrument zur Zahlungssicherung vor - den Eigentumsvorbehalt bis zur vollständigen Bezahlung durch den. Hierfür müsste eine entsprechende Klausel nach österreichischem Recht in den Kaufvertrag aufgenommen werden.

Bei Gegenständen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Eigentumsvorbehalt an der verkauften Ware nach österreichischem Recht geliefert wurden, besteht ein Aussonderungsrecht. Aussonderungsgläubiger ist nach österreichischem Recht der Eigentümer als Rechtsinhaber eines beweglichen Gegenstandes (einer Sache), der zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Verfügungsgewalt des Schuldners steht. Der Rechtsinhaber kann die Aussonderung im Insolvenzverfahren beantragen, da die Sache nicht zur Masse gehört.

Aussonderungsberechtigte Gläubiger haben im Insolvenzverfahren die vermeintlich stärkste Rechtsposition. In der Praxis erfährt diese rechtlich starke Position jedoch einige Einschränkungen. So kann der Insolvenzverwalter nach der Insolvenzordnung die Aussonderung bis zu sechs Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufschieben, wenn der auszusondernde Gegenstand für die Fortführung des Geschäftsbetriebes des Schuldners erforderlich ist.

Der Eigentumsvorbehalt bietet zusätzliche Sicherheit, birgt aber in der Praxis auch Risiken. So kann es insbesondere dann zu Problemen kommen, wenn sich die übertragene Ware nicht mehr im Besitz des Käufers befindet oder unselbstständiger Teil eines anderen Gegenstandes geworden ist. Außerdem muss der Verkäufer in der Regel Maßnahmen ergreifen, um sein Eigentum zurückzuerlangen (was zeit- und kostenaufwendig ist). Eine Eigentumsvorbehaltsklausel muss sorgfältig formuliert werden, um im Falle einer Insolvenz des österreichischen Schuldners wirksam zu sein.

Rechtsanwalt Handelsrecht

Rechtsanwalt Dr. Simon Harald Baier LL.M. berät zu Fragen der des internationalen Handelsrechts, zur internationalen Vertragsgestaltung und zu wirtschaftsrechtlichen Themen.

Artikel auf shb-law.at



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