OLG Frankfurt: Kardinalpflichten des Geschäftsführers und die persönliche Haftung– ein Weckruf für GmbH-Geschäftsführer
- 3 Minuten Lesezeit

Mit Urteil vom 05.03.2025 (Az. 7 U 134/23) hat das Oberlandesgericht Frankfurt ein deutliches Signal an Geschäftsführer und Gesellschafter gesendet: Wer die wirtschaftliche Krise seines Unternehmens ignoriert, riskiert nicht nur eine persönliche Haftung, sondern auch den Verlust des Schutzes durch eine D&O-Versicherung.
Im Zentrum des Urteils steht die konsequente Durchsetzung der sogenannten Kardinalpflichten eines GmbH-Geschäftsführers - insbesondere der Pflicht zur rechtzeitigen Insolvenzantragstellung sowie der Masseerhaltungspflicht, also dem Verbot, nach Eintritt der Insolvenzreife noch Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen zu leisten.
1. Was war geschehen?
Ein Insolvenzverwalter nahm im Wege der Zwangsvollstreckung die D&O-Versicherung einer GmbH in Anspruch, um Schadensersatzansprüche gegen den früheren Geschäftsführer durchzusetzen. Hintergrund war, dass der Geschäftsführer nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit weiterhin Zahlungen veranlasst hatte, ein klarer Verstoß gegen § 64 GmbHG a.F. (heute § 15b InsO).
Die Versicherung verweigerte die Leistung mit Verweis auf eine Ausschlussklausel für wissentliche Pflichtverletzungen.
2. Die Kernaussagen des Gerichts
Das OLG Frankfurt wies die Klage des Insolvenzverwalters ab und stärkte die Position des Versicherers. Maßgeblich war die Feststellung, dass der Geschäftsführer elementare Leitungsaufgaben verletzt habe:
- Die Pflicht zur Überwachung der Zahlungsfähigkeit und zur Erstellung einer Liquiditätsbilanz bei Anzeichen einer Krise gehört zur Grundverantwortung jedes Geschäftsführers.
- Die fortdauernde Untätigkeit trotz monatelanger Vollstreckungen, Mahnungen und Abgabenrückstände wurde als wissentliche Pflichtverletzung gewertet.
- Ein Geschäftsführer kann sich nicht darauf berufen, die Krise "nicht erkannt" zu haben, wenn er sich bewusst der Erkenntnis entzieht.
Besonders relevant für GmbH-Geschäftsführer: Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht zieht regelmäßig auch eine Verletzung der Masseerhaltungspflicht nach sich. Beide Pflichten sind nach
Ansicht des Gerichts eng miteinander verwoben und können nicht voneinander isoliert betrachtet werden.
3. Relevanz für Geschäftsführer und D&O-Versicherungsschutz
Das Urteil verdeutlicht, dass eine D&O-Versicherung keinen Freibrief für pflichtwidriges Verhalten darstellt. Zwar schützt sie grundsätzlich vor Haftungsrisiken aus der Geschäftsführung. Dies jedoch nicht bei wissentlicher Pflichtverletzung. Wer trotz Kenntnis der Krise keinen Insolvenzantrag stellt oder verbotene Zahlungen leistet, riskiert die Leistungsfreiheit des Versicherers.
Hinzu kommt: Selbst wenn der Geschäftsführer über keine juristische Ausbildung verfügt, wird erwartet, dass er sich bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten kompetenten Rat einholt. Die Verantwortung für die Einhaltung insolvenzrechtlicher Pflichten kann nicht delegiert oder ignoriert werden.
4. Praxisempfehlung für Geschäftsführer
Das Urteil des OLG Frankfurt ist kein Einzelfall, sondern reiht sich in eine Verdichtung der Rechtsprechung ein, die von Geschäftsführern besonders in der Krise Proaktivität, Kontrollbewusstsein und wirtschaftliches Urteilsvermögen verlangt.
Für Geschäftsführer gilt daher:
- Krisensignale frühzeitig erkennen: Steuer- oder Sozialabgabenrückstände, Liquiditätsengpässe oder Vollstreckungsmaßnahmen sind ernst zu nehmen.
- Unverzügliche Prüfung der Insolvenzreife: Dies erfordert eine tagesaktuelle Liquiditätsbilanz und gegebenenfalls auch externen insolvenzrechtlichen Rat.
- Dokumentation von Entscheidungen: Wer in der Krise handelt, muss dies gut dokumentieren - insbesondere bei der Fortführung des Geschäftsbetriebs.
- D&O-Schutz regelmäßig prüfen: Versicherungsklauseln sind nicht nur bei Vertragsschluss, sondern auch im Krisenfall genau zu analysieren. Nicht jede Pflichtverletzung ist abgedeckt.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist ein Lehrstück für Geschäftsführer über die gravierenden persönlichen Risiken in der Unternehmenskrise. Es genügt nicht, guten Willens zu handeln. Die gesetzlichen Pflichten verlangen aktives, fundiertes und krisenangepasstes Management. Wer dem nicht gerecht wird, verliert nicht nur die Deckung durch die D&O-Versicherung, sondern steht schnell mit seinem Privatvermögen in der Haftung.
Für GmbH-Geschäftsführer in mittelständischen Unternehmen bedeutet das: Fachliche Vorsicht ist keine Schwäche, sondern rechtliche Pflicht. Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten sollten Geschäftsführer sich professionell beraten lassen bevor aus Unsicherheit ein Haftungsfall wird.
Sie sind Geschäftsführer und möchten Klarheit über Ihre Pflichten oder den Schutz durch Ihre D&O-Versicherung?
Sprechen Sie mich gern an. Ich berate Sie fundiert, diskret und mit Blick auf Ihre persönliche Haftungsvermeidung.
Artikel teilen: