OLG Zweibrücken: Bremsen in der Waschstraße führt zu überwiegendem Mitverschulden.

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Das OLG Zweibrücken (OLG Zweibrücken, Urt. v. 27.01.2021; AZ: 1 U 63/19) hatte sich mit einer wohl nicht selten vorkommenden Situation in einer sog. Waschstraße zu befassen, die vorliegend zu einem erheblichen Sachschaden geführt hat: Der Kläger benutzte eine Autowaschstraße, in der die Fahrzeuge auf einem Förderband durch die Anlage gezogen werden. Die Anlage stoppte nicht sofort, als ein Kfz nach dem Waschvorgang bei Lichtzeichen „Grün“ noch stehen blieb. Der Kläger befürchtete, auf das stehende Fahrzeug aufzufahren und bremste ab, so daß sein Pkw aus dem Mitnehmer des Förderbandes der Anlage herausrutschte, sich in der Waschstraße verkantete und nicht unerheblich beschädigt wurde. Er verlangte Schadenersatz sowohl vom Betreiber der Waschstraße als auch vom Halter des stehenden Fahrzeugs.

Pkw aus Förderband gerutscht – Haftung 70:30 zu Lasten des Bremsenden.

Es sei allgemein bekannt und auch über die AGB an der Einfahrt der Waschstraße nochmals verlautbart worden, daß ein Abbremsen des vom Förderband der Anlage gezogenen Fahrzeugs tunlichst zu unterlassen sei, gerade weil dadurch das geschleppte Fahrzeug aus den Transportvorrichtungen herausspringen kann. Kollisionen mit anderen Fahrzeugen würden durch technische Schutzvorrichtungen verhindert, die ein Auffahren unterbinden. Das OLG war aber als Berufungsgericht der Ansicht, das nicht unverzüglich wegfahrende Kfz habe für den Kläger eine riskante, indes vermeidbare Situation geschaffen. Sein Haftungsanteil belaufe sich nach Einschätzung des Gerichtes auf 30% des Schadens des Klägers.

Das Beklagtenfahrzeug befand sich im Betrieb, da der Waschvorgang beendet war.

Das Beklagtenfahrzeug befand sich laut Gericht zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses "im Betrieb" i.S.v. § 7 StVG. Diese Voraussetzung sei nach herkömmlicher Rechtsprechung aufgrund des Schutzzwecks der Norm weit zu fassen. Die Haftung nach § 7 StVG sei gleichsam der Preis für die Zulassung der mit dem Kraftfahrzeug verbundenen besonderen Gefahren und umfasse daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genüge, daß sich eine von dem Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt habe und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kfz mitgeprägt worden sei. Das sich auf dem Förderband befindliche Fahrzeug befinde sich nicht im Betrieb, da keine Betriebseinrichtungen auf das Kfz einwirkten. Dieses sei vielmehr mit einem beliebigen Gegenstand vergleichbar, der automatisch transportiert wird (OLG Koblenz, Beschl. v. 05.08.2019; AZ: 12 U 57/19).

Mitverursachung durch verzögertes Ausfahren.

Der Streitfall sei mit dieser Situation allerdings nicht vergleichbar. Denn der Waschvorgang des Beklagtenfahrzeugs sei bereits vollständig beendet gewesen, das Fahrzeug befand sich am Ende des Schleppbandes und der Beklagte startete den PKW, um mit Motorkraft in den Verkehrsraum einzufahren. Gefahren gingen von nun an nicht mehr von der Waschanlage oder vom automatisierten Transportvorgang, sondern nur noch vom Fahrer und dem Fahrzeug aus. Die Beschädigungen am klägerischen Fahrzeug seien durch den Betrieb des Beklagtenfahrzeugs mitverursacht worden. Für den Kläger habe sich eine kritische Situation gezeigt. Aufgrund des Stehenbleibens des Beklagtenfahrzeuges vor der Waschstraßenausfahrt und des automatisierten Sichfortbewegens des klägerischen Fahrzeugs auf dem Schleppband der Waschstraße habe die nicht unberechtigte Besorgnis bestanden, daß es zu einer Kollision der Fahrzeuge komme. Ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem (verzögerten) Anlassvorgang des Beklagten und dem Abbremsen durch den Kläger habe deshalb bestanden (BGH, Urt. v. 22.11.2016; AZ: VI ZR 533/15).

Beweislast bei Schäden in der Waschanlage.

Eine Darlegungs- und Beweislastumkehr zu Lasten des Waschanlagenbetreibers erfolgt nur dann, wenn der Nutzer der Waschanlage dargelegt und bewiesen hat, daß die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Waschanlagenbetreibers stammt. Bei Waschstraßen, die eine Schleppeinrichtung besitzen und der Kunde im Auto sitzen bleibt, können Schäden also eher aus dem Bereich des Kunden herrühren, als bei sog. Portalanlagen, in denen das Fahrzeug ohne Fahrer stehend gereinigt wird.


Rechtsanwalt Holger Hesterberg

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein.



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