Pfändbarkeit der Inflationsausgleichsprämie

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Da wir uns nun mal wieder dem Jahresende nähern und Arbeitgeber um die Wirkung der Inflationsausgleichsprämienzahlung im Verhältnis zur Zahlung von Weihnachtsgeldern wissen, dürfte dieses Thema neuerlich hochkommen. 

Mit dem Gesetz zur temporären Senkung des USt-Satzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz v. 19.10.2022 (BGBl. I 2022, S. 1743) hat der Gesetzgeber die Zahlung von Inflationsausgleichsprämien (Zuschüsse und Sachbezüge, die zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden und zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise dienen) ermöglicht, die in der Zeit v. 26.10.2022 – 31.12.2024 bis zu einem Betrag von 3.000 € weder steuer- noch sozialversicherungspflichtig sind und bei einkommensabhängigen Sozialleistungen auch nicht angerechnet werden. 

Wie diese von Arbeitgebern freiwillig gezahlten Inflationsausgleichsprämien pfändungsrechtlich zu behandeln sind, hat der Gesetzgeber nicht geregelt.

In der Literatur und Praxis gehen die Meinungen von vollständiger Pfändbarkeit (Ahrens, NJW-Spezial 2022, 725) bis zu vollständiger Unpfändbarkeit (AG Hannover v. 9.5.2023 – 907 IK 966/22 – 4). Die wohl mittlerweile h.M. spricht sich dafür aus, die Inflationsausgleichsprämie wie Arbeitseinkommen zu behandeln (so auch noch Ahrens, NJW-Spezial 2022, 725) und sie den Vollstreckungsregeln des § 850c ZPO i.V.m. der Pfändungstabelle zu unterwerfen ( AG Köln v. 4.1.2023 – 70k IK 226/20; BeckOK-ZPO/Riedel, 48. Edition, § 850 Rn. 38b; Jarchow, ZVI 2023, 191). 

Die Inflationsausgleichsprämie dient dem Ausgleich verringerter Kaufkraft und soll den durch Arbeitseinkommen gesicherten Lebensstandard sichern, womit das Kriterium einer wiederkehrend zahlbaren Vergütung für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste erfüllt ist  (AG Köln v. 4.1.2023 – 70k IK 226/20). Insbesondere das "wiederkehrende" Element sieht die überwiegende Judikatur in dem Umstand, dass mit der Inflationsausgleichsprämie die in vielen (und nicht nur in einem) Lohnzahlungsmonaten eingetretene Wertsenkung des Lohns ausgeglichen wird. Wesen des Arbeitseinkommens ist eine arbeitgeberseitige Auszahlung im Rahmen eines bestehenden vertraglichen Dienstverhältnisses. Auch die in § 3 Nr. 11c EStG gewählte Formulierung "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" spricht für die Annahme, es handele sich um eine Vergütung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Ohne diese Bewertung wäre auch die gesetzliche Bezugnahme auf die Regelungen des EStG ohne Relevanz (zu diesen Punkten: Jarchow, ZVI 2023, 191). 

Dass es sich bei der Inflationsausgleichsprämie jedenfalls pfändungsrechtlich wohl um Arbeitseinkommen handelt, entspricht offenbar auch der Ansicht der Bundesregierung, die auf Anfrage eines Abgeordneten die Frage nach der Pfändbarkeit der Inflationsausgleichsprämie dahin beantwortete, dass die Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen gem. § 850c ZPO gelten würden und ggf. im Einzelfall zusätzliche Freigabemöglichkeiten nach § 850f ZPO bestünden (BT-Drucks. 20/7148, S. 85). 

Eine vollständige Unpfändbarkeit der Inflationsausgleichsprämie, wie sie das AG Hannover annimmt (AG Hannover v. 9.5.2023 – 907 IK 966/22 – 4), ist eindeutig zu weitgehend. Dem AG Hannover ist zwar noch zuzustimmen, dass der Gesetzgeber mit der Inflationsausgleichsprämie einen Zweck verfolgt hat (Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise). Die vom AG Hannover angesprochene Zweckbindung liegt aber wohl gerade nicht vor. Eine Zweckbindung i.S.d. § 851 ZPO (auf diese Norm zielt wohl die Begründung des AG Hannover) würde voraussetzen, dass aufgrund des Leistungsinhalts eine so enge Verknüpfung zwischen Parteien eines Schuldverhältnisses besteht, dass ein Wechsel in der Person des Gläubigers des Schuldverhältnisses unzumutbar oder gar unmöglich erscheint (Ahrens, NJW-Spezial 2022, 725; BGH zuletzt  v. 10.3.2021 – VII ZB 24/20,  ZInsO 2021, 781). Stattdessen kann aber nach freier Wahl des Schuldners die Inflationsausgleichsprämie an völlig beliebige Gläubiger gezahlt werden. Eine Unpfändbarkeit nach § 851 ZPO scheidet daher aus. 

Nach Allem ist die Inflationsausgleichsprämie daher pfändungsrechtlich wie Arbeitseinkommen zu behandeln. Sie ist mit dem Lohn des Auszahlungsmonats zusammenzurechnen, ohne dass es eines gerichtlichen Zusammenrechnungsbeschlusses bedürfte (BeckOK-ZPO/Riedel, a.a.O., § 850 Rn. 38b). Die Ermittlung pfändbarer Teile des Arbeitseinkommens ist grds. Aufgabe der Arbeitgeber. Daher bedarf es auch keiner zahlenmäßigen Benennung des pfandfreien Betrags. 

Foto(s): Thorsten Klepper

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