Pflichtteil und Pflichtteilsrecht: 10 wichtige Fragen ​rund um das Pflichtteilsrecht.

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Einführung

Das Pflichtteilsrecht im deutschen Erbrecht, verankert in den §§ 2303 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), stellt einen wesentlichen Aspekt des Erbrechts dar. Es dient dem Schutz der engsten Familienangehörigen des Erblassers, indem es ihnen auch bei einer Enterbung durch Testament oder Erbvertrag einen Mindestanteil am Nachlass sichert. 

Dieses Recht reflektiert das grundlegende Prinzip des Familienerbrechts, das darauf abzielt, eine gerechte Verteilung des Vermögens des Verstorbenen unter den nächsten Angehörigen zu gewährleisten. 

Die Regelungen des Pflichtteilsrechts sind komplex und umfassen verschiedene Aspekte wie die Berechtigung, die Berechnung des Pflichtteils, die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten sowie die Möglichkeiten zur Reduzierung oder Stundung dieser Ansprüche. 

Die nachfolgende Darstellung geht auf die wichtigsten Fragen zum Thema "Pflichtteil" ein, um ein tieferes Verständnis für dieses bedeutende Rechtsgebiet zu schaffen.


Was ist der Pflichtteil vom Erbe?

Der Pflichtteil ist ein grundlegendes Rechtskonzept im deutschen Erbrecht, das in den §§ 2303 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt ist. Er stellt eine Mindestbeteiligung bestimmter nahestehender Angehöriger am Nachlass eines Verstorbenen sicher, selbst wenn diese im Testament des Erblassers nicht als Erben eingesetzt wurden. Der Pflichtteil ist somit eine Art „Noterbe“, der den nächsten Angehörigen zumindest einen Teil des Erbes sichert.

Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Dies bedeutet, dass der Pflichtteilsberechtigte Anspruch auf die Hälfte dessen hat, was er als gesetzlicher Erbe erhalten hätte, wenn kein Testament existieren würde. Der Pflichtteil ist ausschließlich ein Geldanspruch gegen die Erben und berechtigt nicht zur Übernahme bestimmter Nachlassgegenstände.


Wer ist pflichtteilsberechtigt?

Nach § 2303 BGB sind in erster Linie die Abkömmlinge des Erblassers pflichtteilsberechtigt. Dazu zählen Kinder, Enkel und Urenkel. Sind keine Abkömmlinge vorhanden, rücken die Eltern des Erblassers in die Position der Pflichtteilsberechtigten. Weiterhin sind der Ehegatte oder der eingetragene Lebenspartner des Verstorbenen pflichtteilsberechtigt.

Interessant ist hierbei, dass die Pflichtteilsberechtigung unabhängig davon besteht, ob der Erblasser ein Testament hinterlassen hat oder nicht. Selbst wenn der Erblasser durch ein Testament bestimmte Personen als Erben einsetzt oder bestimmte Angehörige von der Erbfolge ausschließt, bleibt der Anspruch auf den Pflichtteil für die berechtigten Angehörigen bestehen.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Pflichtteilsanspruch nur unter bestimmten, im Gesetz festgelegten Voraussetzungen entzogen werden kann. Dies kann beispielsweise bei schweren Verfehlungen des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erblasser der Fall sein (§ 2333 BGB).


Wer muss den Pflichtteil zahlen?

Der Pflichtteil ist von den Erben des Verstorbenen zu zahlen. Dies ergibt sich aus § 2303 BGB, der besagt, dass nahe Angehörige, die durch ein Testament von der Erbfolge ausgeschlossen wurden, einen Anspruch auf den Pflichtteil haben. Die Verpflichtung zur Zahlung des Pflichtteils liegt bei den testamentarischen Erben oder, falls kein Testament vorhanden ist, bei den gesetzlichen Erben. Die Höhe des zu zahlenden Pflichtteils hängt vom Wert des Nachlasses und der gesetzlichen Erbquote des Pflichtteilsberechtigten ab. Bei einer Erbengemeinschaft ist jeder Miterbe anteilig nach seiner Erbquote zur Zahlung des Pflichtteils verpflichtet.


Kann der Pflichtteil umgangen, entzogen, ausgeschlossen werden?

Das deutsche Erbrecht sieht nur unter strengen Voraussetzungen die Möglichkeit vor, den Pflichtteil zu entziehen. Gemäß § 2333 BGB kann der Pflichtteil entzogen werden, wenn der Pflichtteilsberechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser oder nahe Angehörige des Erblassers schuldig gemacht hat. Auch bei schwerwiegender Verletzung der Unterhaltspflicht oder bei Lebensnachstellung kann der Pflichtteil entzogen werden. Ein vollständiger Ausschluss des Pflichtteils ist jedoch nicht möglich, da das Pflichtteilsrecht ein fundamentaler Bestandteil des deutschen Erbrechts ist und dem Schutz der engsten Familienangehörigen dient.

Eine "Umgehung" des Pflichtteilsrecht ist nur bei zeitlichen Abstand zum Todesfall und durch entsprechende rechtliche Konstruktionen möglich.


Wie kann man den Pflichtteil berechnen?

Die Berechnung des Pflichtteils erfolgt in zwei Schritten: Zunächst wird der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls ermittelt. Dazu gehören alle Vermögenswerte abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten. Anschließend wird die gesetzliche Erbquote des Pflichtteilsberechtigten bestimmt. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte dieser Erbquote. Beispielsweise, wenn ein Kind als gesetzlicher Erbe ohne Testament die Hälfte des Nachlasses erhalten würde, beträgt sein Pflichtteil ein Viertel des Nachlasswertes.


Welche Ansprüche haben Pflichtteilsberechtigte gegen die Erben?

Pflichtteilsberechtigte haben primär einen Anspruch auf Zahlung des Pflichtteils. Darüber hinaus haben sie gemäß § 2314 BGB einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Dieser Auskunftsanspruch kann die Erstellung eines detaillierten Nachlassverzeichnisses durch die Erben umfassen. 

In bestimmten Fällen kann der Pflichtteilsberechtigte auch die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung verlangen, um die Vollständigkeit und Richtigkeit des Nachlassverzeichnisses zu gewährleisten. Diese Ansprüche dienen dazu, dem Pflichtteilsberechtigten die notwendigen Informationen zu verschaffen, um seinen Pflichtteilsanspruch berechnen und durchsetzen zu können.


Fazit

Das Pflichtteilsrecht spielt eine zentrale Rolle im deutschen Erbrecht, da es die finanziellen Interessen der nächsten Angehörigen des Erblassers schützt. Es gewährleistet, dass nahe Familienmitglieder, selbst wenn sie durch ein Testament von der Erbfolge ausgeschlossen wurden, einen Mindestanteil am Nachlass erhalten. 

Die Regelungen sind darauf ausgerichtet, eine faire und gerechte Verteilung des Vermögens des Verstorbenen sicherzustellen und Missbrauch zu verhindern. Die Pflichtteilsberechtigten haben Anspruch auf genaue Informationen über den Nachlass und können ihren Anspruch unter bestimmten Bedingungen geltend machen. 

Das Pflichtteilsrecht balanciert somit die testamentarische Freiheit des Erblassers mit dem Schutzbedürfnis der engsten Familienangehörigen aus und stellt einen wichtigen Bestandteil des deutschen Rechtssystems dar. 

Es ist für alle Beteiligten von Bedeutung, die relevanten gesetzlichen Bestimmungen zu verstehen, um ihre Rechte und Pflichten im Rahmen des Erbfalls angemessen wahrnehmen zu können.



Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. 


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