Pflichtteil und Pflichtteilsrecht: der erbrechtliche Pflichtteil und wie dieser richtig geltend zu machen ist.

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Die Wichtigkeit des Pflichtteils bei Enterbung

Das Erbrecht in Deutschland ist so gestaltet, dass es einen fairen Ausgleich zwischen dem Willen des Erblassers und den Interessen der nahen Angehörigen schafft. 

Ein zentraler Aspekt dieses Ausgleichs ist der Pflichtteil, der eine fundamentale Rolle spielt, insbesondere bei der Enterbung. Der Pflichtteil stellt sicher, dass nahe Angehörige, wie Kinder und Ehepartner, auch im Falle einer Enterbung durch ein Testament oder einen Erbvertrag, nicht vollständig von der Erbmasse ausgeschlossen werden.

Diese Regelung dient dem Schutz der finanziellen Interessen der engsten Familienmitglieder und reflektiert das Verständnis, dass familiäre Bindungen bestimmte materielle Rechte nach sich ziehen, die auch über den Tod hinaus Bestand haben. 

Der Pflichtteil ist somit ein Instrument des sozialen Ausgleichs und der Gerechtigkeit, das verhindert, dass Angehörige unangemessen benachteiligt werden. Er stellt eine wichtige Säule im deutschen Erbrecht dar und ist Ausdruck des gesellschaftlichen Werteverständnisses von Familie und Erbfolge.

Um den Schutzzweck des Pflichtteilsrechts auch nutzen zu können, ist es notwendig, dass der Pflichtteil richtig und vollumfänglich geltend gemacht wird.

Auf wichtige und zu beachtende Punkte geht der hiesige Artikel ein.


Schritt 1: Pflichtteilsberechtigung prüfen – Ausführliche Erläuterung

Rechtliche Grundlagen im BGB

Die Pflichtteilsberechtigung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. 

Die zentralen Normen hierzu finden sich in den §§ 2303 bis 2338 BGB.

  • § 2303 BGB – Pflichtteilsberechtigte Personen: Nach dieser Vorschrift sind direkte Abkömmlinge (Kinder, Enkelkinder), der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und, falls keine Abkömmlinge vorhanden sind, die Eltern des Erblassers pflichtteilsberechtigt. Dies gilt auch dann, wenn sie durch ein Testament von der Erbschaft ausgeschlossen wurden.

  • § 2305 BGB – Pflichtteilsergänzungsanspruch: Dieser Paragraph regelt den Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen vorgenommen hat.

  • § 2317 BGB – Höhe des Pflichtteils: Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, den der Berechtigte erhalten hätte, wenn keine testamentarische Verfügung existieren würde.

Entscheidende Grundsatzurteile

Im Laufe der Jahre haben verschiedene Grundsatzurteile des Bundesgerichtshofs (BGH) die Auslegung und Anwendung der Pflichtteilsregelungen im BGB weiter präzisiert. Einige dieser Urteile sind:

  • BGH, Urteil vom 19. April 2017 – IV ZR 123/16: In diesem Urteil wurde entschieden, dass ein Pflichtteilsberechtigter, der auf seinen Pflichtteil verzichtet hat, diesen Verzicht anfechten kann, wenn er über wesentliche Umstände im Irrtum war.

  • BGH, Urteil vom 12. Juli 2005 – X ZR 148/02: Hier wurde klargestellt, dass Schenkungen des Erblassers an Dritte innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs berücksichtigt werden müssen.

  • BGH, Urteil vom 28. Mai 2014 – IV ZR 76/11: Dieses Urteil befasste sich mit der Frage, wie der Wert eines Nachlasses zu ermitteln ist, insbesondere wenn dieser aus Unternehmensbeteiligungen besteht.

Bedeutung für die Praxis

Die Überprüfung der Pflichtteilsberechtigung ist ein komplexer Prozess, der eine genaue Kenntnis der gesetzlichen Bestimmungen und der relevanten Rechtsprechung erfordert. Es ist ratsam, sich bei der Geltendmachung des Pflichtteils von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen, um alle relevanten Aspekte korrekt zu berücksichtigen und die eigenen Rechte effektiv durchzusetzen.


Schritt 2: Wirksamkeit der Enterbung prüfen – Ausführliche Erläuterung

Rechtliche Grundlagen im BGB

Die Überprüfung der Wirksamkeit einer Enterbung ist ein wesentlicher Schritt im Prozess der Pflichtteilsgeltendmachung. Dies beinhaltet die Prüfung der formellen und materiellen Voraussetzungen einer Enterbung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch.

  • § 1937 BGB – Testamentarische Verfügung: Dieser Paragraph regelt, dass eine Person durch Testament einen Erben bestimmen, einen Erben ausschließen (Enterbung) oder über seinen Nachlass anderweitig verfügen kann.

  • § 2064 BGB – Eigenhändiges Testament: Für die Wirksamkeit eines Testaments ist die eigenhändige Niederschrift und Unterschrift des Erblassers erforderlich.

  • § 2078 BGB – Anfechtung wegen Irrtums oder Drohung: Dieser Paragraph ermöglicht die Anfechtung eines Testaments, wenn der Erblasser bei der Errichtung des Testaments einem Irrtum unterlag oder durch Drohung zur Testamentserrichtung veranlasst wurde.

  • § 2083 BGB – Testierfähigkeit: Die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung ist eine grundlegende Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Testaments.

Entscheidende Grundsatzurteile

Verschiedene Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) haben wichtige Aspekte der Enterbung und der Testamentsgestaltung geklärt:

  • BGH, Urteil vom 19. Oktober 2016 – IV ZR 521/15: In diesem Fall wurde entschieden, dass ein Testament ungültig ist, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht testierfähig war, beispielsweise aufgrund einer psychischen Erkrankung.

  • BGH, Urteil vom 5. Juli 2017 – IV ZB 16/16: Hier ging es um die Anforderungen an die Form eines Testaments und die Bedeutung der eigenhändigen Unterschrift.

  • BGH, Urteil vom 28. Mai 2014 – IV ZR 76/11: Dieses Urteil befasste sich mit der Auslegung von Testamentsklauseln, insbesondere im Hinblick auf die Enterbung von Pflichtteilsberechtigten.

Bedeutung für die Praxis

Die Überprüfung der Wirksamkeit einer Enterbung erfordert eine sorgfältige Analyse des Testaments und anderer relevanter Dokumente. Es muss geprüft werden, ob das Testament formgerecht erstellt wurde, der Erblasser testierfähig war und keine Anfechtungsgründe wie Irrtum oder Drohung vorliegen.

In der Praxis ist es oft notwendig, die Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen, um die komplexen rechtlichen und tatsächlichen Fragen, die sich bei der Überprüfung der Wirksamkeit einer Enterbung ergeben, zu klären. Dieser Schritt ist entscheidend, um die Rechte der Pflichtteilsberechtigten effektiv zu wahren und sicherzustellen, dass die Enterbung den gesetzlichen Anforderungen entspricht.


Schritt 3: Verjährung prüfen – Ausführliche Erläuterung

Rechtliche Grundlagen im BGB

Die Prüfung der Verjährung von Pflichtteilsansprüchen ist ein kritischer Schritt, da verjährte Ansprüche nicht mehr durchsetzbar sind. Die relevanten Bestimmungen hierzu finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch.

  • § 195 BGB – Regelmäßige Verjährungsfrist: Diese Norm setzt die regelmäßige Verjährungsfrist für Pflichtteilsansprüche auf drei Jahre fest.

  • § 199 BGB – Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist: Die Verjährungsfrist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

  • § 2332 BGB – Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs: Diese Vorschrift regelt die Verjährung von Ansprüchen auf Ergänzung des Pflichtteils, die entstehen, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen vorgenommen hat.

Entscheidende Grundsatzurteile

Die Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofs (BGH), hat wichtige Leitlinien zur Verjährung von Pflichtteilsansprüchen entwickelt:

  • BGH, Urteil vom 28. Oktober 2015 – IV ZR 438/14: In diesem Urteil wurde klargestellt, dass die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von der Enterbung für den Beginn der Verjährungsfrist ausschlaggebend ist.

  • BGH, Urteil vom 12. April 2006 – IV ZR 279/05: Hier wurde entschieden, dass die Verjährungsfrist nicht beginnt, solange der Pflichtteilsberechtigte keine Kenntnis von der Höhe seines Anspruchs hat.

  • BGH, Urteil vom 29. Juni 2011 – IV ZR 225/10: Dieses Urteil befasste sich mit der Frage, inwieweit die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen gehemmt wird, wenn zwischen den Parteien Verhandlungen über den Anspruch geführt werden.

Bedeutung für die Praxis

Die Überprüfung der Verjährung erfordert eine genaue Betrachtung des Zeitpunkts, zu dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von seinem Anspruch und der Person des Schuldners erlangt hat. Dies beinhaltet oft eine detaillierte Analyse des Einzelfalls, insbesondere wenn es um die Kenntnis von bestimmten Tatsachen geht, die den Anspruch begründen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Verjährung durch bestimmte Handlungen, wie beispielsweise Verhandlungen zwischen den Parteien, gehemmt werden kann. In der Praxis ist es daher ratsam, sich frühzeitig rechtlich beraten zu lassen, um den Verjährungsstatus eines Pflichtteilsanspruchs korrekt zu bestimmen und rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um die Verjährung zu verhindern oder zu hemmen.


Schritt 4: Auskunft vom Erben verlangen – Ausführliche Erläuterung

Rechtliche Grundlagen im BGB

Das Verlangen nach Auskunft über den Nachlass ist ein entscheidender Schritt für Pflichtteilsberechtigte, um die Höhe ihres Anspruchs zu ermitteln. Die relevanten gesetzlichen Bestimmungen hierzu sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert.

  • § 2314 BGB – Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten: Dieser Paragraph gewährt dem Pflichtteilsberechtigten einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses sowie über geschenkte Gegenstände. Der Erbe ist verpflichtet, ein Verzeichnis des Nachlasses zu erstellen.

  • § 2314 Abs. 3 BGB – Sachverständigengutachten: In bestimmten Fällen kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass zur Wertermittlung des Nachlasses ein Sachverständigengutachten eingeholt wird.

Entscheidende Grundsatzurteile

Die Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofs (BGH), hat wichtige Aspekte des Auskunftsanspruchs präzisiert:

  • BGH, Urteil vom 19. Januar 2011 – IV ZR 7/10: Dieses Urteil betont die Verpflichtung des Erben, ein detailliertes Nachlassverzeichnis zu erstellen und dabei alle relevanten Informationen anzugeben, die für die Berechnung des Pflichtteils notwendig sind.

  • BGH, Urteil vom 1. März 2017 – IV ZR 65/16: Hier wurde entschieden, dass der Pflichtteilsberechtigte auch Auskunft über den Wert von Nachlassgegenständen verlangen kann, was insbesondere bei wertvollen oder komplexen Nachlässen relevant ist.

  • BGH, Urteil vom 29. Juli 2015 – IV ZR 448/14: In diesem Fall wurde klargestellt, dass der Erbe auch über Vorgänge Auskunft geben muss, die möglicherweise zu einem Pflichtteilsergänzungsanspruch führen, wie beispielsweise Schenkungen des Erblassers.

Bedeutung für die Praxis

Für Pflichtteilsberechtigte ist es essentiell, ein vollständiges und korrektes Nachlassverzeichnis vom Erben zu erhalten, um ihren Anspruch präzise berechnen zu können. Dies umfasst nicht nur die Auflistung aller Nachlassgegenstände, sondern auch deren Bewertung.

In der Praxis ist es oft notwendig, rechtliche Schritte einzuleiten, um den Erben zur Erfüllung seiner Auskunftspflicht zu bewegen. Hierbei kann die Unterstützung durch einen Rechtsanwalt von großem Nutzen sein, insbesondere wenn es um die Bewertung komplexer Vermögensgegenstände oder die Ermittlung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen geht.

Die rechtzeitige und umfassende Geltendmachung des Auskunftsanspruchs ist daher ein kritischer Schritt für Pflichtteilsberechtigte, um ihre Rechte effektiv durchzusetzen.


Schritt 5: Wertermittlung durch einen Sachverständigen – Ausführliche Erläuterung

Rechtliche Grundlagen im BGB

Die Wertermittlung des Nachlasses durch einen Sachverständigen ist ein entscheidender Schritt für Pflichtteilsberechtigte, insbesondere wenn der Nachlass komplexe oder schwer zu bewertende Vermögensgegenstände umfasst. Die relevanten gesetzlichen Bestimmungen finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch.

  • § 2314 BGB – Auskunftsanspruch und Wertermittlung: Dieser Paragraph regelt nicht nur den Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten, sondern impliziert auch die Notwendigkeit einer sachgerechten Bewertung des Nachlasses. Bei Unklarheiten oder Streitigkeiten über den Wert von Nachlassgegenständen kann die Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich sein.

  • § 2314 Abs. 3 BGB – Sachverständigengutachten: Dieser Absatz ermöglicht es dem Pflichtteilsberechtigten, die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zu verlangen, um den Wert bestimmter Nachlassgegenstände festzustellen.

Entscheidende Grundsatzurteile

Die Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofs (BGH), hat wichtige Aspekte der Wertermittlung im Kontext des Pflichtteilsrechts geklärt:

  • BGH, Urteil vom 27. September 2017 – IV ZR 78/16: In diesem Urteil wurde die Bedeutung einer korrekten und marktgerechten Bewertung von Immobilien im Nachlass hervorgehoben, insbesondere wenn diese einen wesentlichen Teil des Nachlasswerts ausmachen.

  • BGH, Urteil vom 10. Oktober 2018 – IV ZR 99/17: Hier ging es um die Bewertung von Unternehmensbeteiligungen im Nachlass. Der BGH betonte, dass für die Bewertung solcher Beteiligungen spezialisierte Sachverständige herangezogen werden sollten, um eine marktgerechte und realistische Bewertung zu gewährleisten.

Bedeutung für die Praxis

Die Wertermittlung durch einen Sachverständigen ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn der Nachlass Gegenstände umfasst, deren Wert nicht ohne Weiteres feststellbar ist, wie Immobilien, Kunstwerke, Antiquitäten oder Unternehmensbeteiligungen. Eine korrekte Bewertung ist essentiell, um den genauen Wert des Pflichtteilsanspruchs zu ermitteln.

In der Praxis kann es erforderlich sein, gerichtliche Schritte einzuleiten, um die Erstellung eines Sachverständigengutachtens durchzusetzen. Die Auswahl des Sachverständigen kann dabei entscheidend sein und sollte idealerweise auf dem Gebiet der zu bewertenden Vermögensgegenstände spezialisiert sein.

Für Pflichtteilsberechtigte ist es daher ratsam, frühzeitig rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen und gegebenenfalls auf die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zu bestehen, um eine faire und marktgerechte Bewertung des Nachlasses sicherzustellen.


Schritt 6: Pflichtteilsanspruch berechnen – Ausführliche Erläuterung

Rechtliche Grundlagen im BGB

Die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs ist ein komplexer Prozess, der eine genaue Kenntnis der relevanten gesetzlichen Bestimmungen erfordert. Die maßgeblichen Vorschriften hierzu finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch.

  • § 2303 BGB – Pflichtteilsberechtigung: Dieser Paragraph definiert, wer pflichtteilsberechtigt ist und legt fest, dass der Pflichtteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt.

  • § 2311 BGB – Bewertung des Nachlasses: Nach dieser Vorschrift ist für die Berechnung des Pflichtteils der Wert des reinen Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich.

  • § 2325 BGB – Pflichtteilsergänzungsanspruch: Dieser Paragraph regelt den Ergänzungsanspruch bei Schenkungen des Erblassers. Schenkungen, die innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall getätigt wurden, können unter bestimmten Voraussetzungen bei der Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt werden.

Entscheidende Grundsatzurteile

Die Rechtsprechung, vor allem des Bundesgerichtshofs (BGH), hat wesentliche Aspekte der Pflichtteilsberechnung präzisiert:

  • BGH, Urteil vom 3. Dezember 2014 – IV ZR 400/13: In diesem Urteil wurde klargestellt, dass bei der Berechnung des Pflichtteils auch Ansprüche und Schulden des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls zu berücksichtigen sind.

  • BGH, Urteil vom 12. April 2006 – IV ZR 279/05: Hier ging es um die Berücksichtigung von Schenkungen bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs. Der BGH stellte klar, dass der Zeitpunkt der Schenkung für die Berechnung des Ergänzungsanspruchs entscheidend ist.

Bedeutung für die Praxis

Die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs erfordert eine detaillierte Bewertung des Nachlasses und die Berücksichtigung aller relevanten Faktoren, einschließlich eventueller Schulden des Erblassers sowie Schenkungen, die den Pflichtteilsergänzungsanspruch beeinflussen können.

In der Praxis ist es oft notwendig, die Dienste eines Fachanwalts für Erbrecht in Anspruch zu nehmen, um eine korrekte Berechnung des Pflichtteilsanspruchs sicherzustellen. Dies ist besonders wichtig, wenn der Nachlass komplexe Vermögenswerte umfasst oder wenn es Unklarheiten bezüglich der Bewertung oder der Berücksichtigung von Schenkungen gibt.

Für Pflichtteilsberechtigte ist es daher entscheidend, eine umfassende und genaue Bewertung des Nachlasses vorzunehmen und alle relevanten rechtlichen Aspekte bei der Berechnung ihres Pflichtteilsanspruchs zu berücksichtigen.


Schritt 7: Pflichtteilsanspruch geltend machen – Ausführliche Erläuterung

Rechtliche Grundlagen im BGB

Das Geltendmachen des Pflichtteilsanspruchs ist der finale Schritt im Prozess der Pflichtteilseinforderung. Dieser Schritt erfordert ein klares Verständnis der relevanten rechtlichen Bestimmungen, die im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert sind.

  • § 2317 BGB – Geltendmachung des Pflichtteils: Dieser Paragraph regelt die Fälligkeit des Pflichtteilsanspruchs. Der Anspruch ist sofort nach dem Erbfall fällig.

  • § 2329 BGB – Haftung des Beschenkten: Falls der Erbe nicht in der Lage ist, den Pflichtteil zu zahlen, kann der Pflichtteilsberechtigte unter Umständen den Beschenkten in Anspruch nehmen, insbesondere wenn der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen vorgenommen hat.

  • § 2330 BGB – Einrede der Verjährung: Dieser Paragraph regelt die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs und die Möglichkeit der Einrede der Verjährung durch den Erben.

Entscheidende Grundsatzurteile

Die Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofs (BGH), hat wesentliche Aspekte der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen geklärt:

  • BGH, Urteil vom 12. März 2008 – IV ZR 305/06: Dieses Urteil befasste sich mit der Frage, wann ein Pflichtteilsanspruch als geltend gemacht gilt und welche Anforderungen an die Geltendmachung zu stellen sind.

  • BGH, Urteil vom 19. Januar 2011 – IV ZR 7/10: Hier wurde entschieden, dass der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Zahlung des Pflichtteils hat, auch wenn er zunächst nur Auskunft und nicht direkt die Zahlung verlangt hat.

Bedeutung für die Praxis

Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs sollte klar und eindeutig erfolgen. In der Regel geschieht dies durch ein formelles Schreiben an den Erben, in dem der Pflichtteilsanspruch unter Bezugnahme auf die entsprechenden rechtlichen Grundlagen und die durchgeführte Berechnung gefordert wird.

Es ist ratsam, bei der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs rechtliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, insbesondere wenn der Nachlass komplex ist oder wenn es zu Streitigkeiten über die Höhe des Anspruchs kommt. Ein Rechtsanwalt kann dabei helfen, die Rechte des Pflichtteilsberechtigten effektiv durchzusetzen und bei Bedarf gerichtliche Schritte einzuleiten.

Für Pflichtteilsberechtigte ist es entscheidend, ihren Anspruch innerhalb der Verjährungsfrist geltend zu machen und alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um eine angemessene Erfüllung des Anspruchs zu erreichen.


Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Pflichtteil im deutschen Erbrecht eine entscheidende Rolle spielt, indem er einen Mindestanspruch für nahe Angehörige bei der Enterbung sichert. Dieser Mechanismus gewährleistet, dass die finanziellen Interessen der engsten Familienmitglieder geschützt werden, selbst wenn sie durch ein Testament oder einen Erbvertrag von der Erbschaft ausgeschlossen sind.

Die Existenz des Pflichtteils unterstreicht die Bedeutung, die dem Schutz der Familie und ihren Mitgliedern im deutschen Rechtssystem beigemessen wird. Es ist ein Ausdruck der sozialen Verantwortung und des Respekts gegenüber familiären Bindungen. Für Erblasser bedeutet dies, dass sie bei der Testamentsgestaltung die Pflichtteilansprüche berücksichtigen müssen, während für die Enterbten der Pflichtteil eine wichtige rechtliche Absicherung darstellt. 

Insgesamt trägt der Pflichtteil zu einem ausgewogenen und gerechten Erbrecht bei, das sowohl die Autonomie des Erblassers als auch die legitimen Interessen der Familienmitglieder berücksichtigt.

Umso wichtiger ist es, dieses Instrumentarium zu nutzen und richtig und vollumfänglich über einen Rechtsanwalt geltend zu machen.



Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. 


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