PKV muss sich zur Höhe des Risikozuschlags erklären

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Der Risikozuschlag ist ein häufiger Streitpunkt in der Privaten Krankenversicherung.

Häufig ist dem/der Versicherungsnehmer/in nicht klar, weshalb der Risikozuschlag gezahlt wird und wie sich dieser zusammensetzt. 

Dies führt bei rechtlichen Auseinandersetzungen zu Problemen.

Ein solcher Fall ist nun in der Berufungsinstanz vor dem LG München I gelandet, vgl. Urteil des LG München I vom 07.03.2023, Az.: 12 S 12059/22.

Versicherungsnehmer verlangt Herabsetzung des Risikozuschlags

Es ging um die Herabsetzung eines Risikozuschlags wegen "Stoffwechselerkrankungen", der seit 1988 bezahlt wurde.

Der Fall entwickelte sich in typischer Weise:

Der Versicherungsnehmer legte der Versicherung im Jahr 2022 eine ärztliche Stellungnahme mit Laborparametern zu Cholesterin- und Harnsäurewerten vor. Daraufhin wurde der Risikozuschlag auf 77,19 € reduziert. 

Der Versicherungsnehmer wollte aber eine weitere Absenkung des Risikozuschlags erreichen. Der Fall landete vor Gericht.

Amtsgericht geht von Ausforschungsbeweis aus

Das Amtsgericht München wies die Klage als unbegründet ab. Das Gericht führte aus, dass der Kläger mit der Vorlage der Laborwerte nicht belegen könne, dass der gefahrerhöhende Umstand endgültig weggefallen sei. Eine Einholung eines Sachverständigengutachtens stelle einen reinen Ausforschungsbeweis dar.

Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich beim Versicherungsnehmer

Das Landgericht München I (Berufungsgericht) sah dies anders:

Das Landgericht München I stimmte zunächst mit dem Amtsgericht München darin überein, dass den Kläger grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für den Wegfall des gefahrerhöhenden Umstands trifft.

Dies ist an sich keine neue Erkenntnis. Interessant wird das Berufungsurteil dann in seiner weiteren Begründung:

Das Landgericht nimmt nämlich an, dass der Kläger mit der Vorlage der Laborwerte und der diesbezüglichen ärztlichen Stellungnahme hinreichend dargetan hat, dass eine Herabsetzung des Risikozuschlags auf Null vorzunehmen ist.

Versicherung trifft sekundäre Darlegungslast

Bei dieser Indizienlage trifft die beklagte Versicherung eine sog. sekundäre Darlegungslast. Die Versicherung hätte darlegen müssen, dass der von ihr ausgerechneten Risikozuschlag von nunmehr 77,19 € schlüssig und gerechtfertigt sei. 

Hierzu bot die beklagte Versicherung allerdings nur allgemeine Richtlinien zur Handhabung von Blutwerten an. Danach versäumte es die Beklagte, ihre Prämienberechnungssysteme so offenzulegen, dass man hieraus den erhobenen Risikozuschlag berechnen kann.

Freie Beweiswürdigung zu Gunsten des Versicherungsnehmers

Das Berufungsgericht handelte danach konsequent:

Weil wegen dieses Versäumnisses kein Sachverständigengutachten zur Überprüfung der Risikokalkulation eingeholt werden konnte, hat das Gericht eine freie Beweiswürdigung nach § 286 ZPO vorgenommen: Es hat dabei unterstellt, dass die Beweisaufnahme ergeben hätte, dass eine vollständige Herabsetzung des Risikozuschlags auf Null veranlasst war.

Demnach gab das Gericht dem Kläger recht, der Risikozuschlag entfällt vollständig. 

Fazit aus dem Urteil

Das Urteil des Berufungsgericht hält einige wichtige Erkenntnisse bereit:

Der Versicherungsnehmer kann mit eingeholten ärztlichen Stellungnahmen grundsätzlich den Nachweis führen, dass der Risikozuschlag nicht mehr gerechtfertigt ist, weil das entsprechende Risiko entfallen ist.

Bei der genauen Berechnung des Risikozuschlags hüllen sich viele Versicherungen in Schweigen. Sie lassen den Versicherungsnehmer im Unklaren. 

Dies hat für die Versicherungen den Vorteil, dass der Versicherungsnehmer nicht genau erkennen kann, für welches Risiko er welchen Risikozuschlag zahlt. Häufig setzt sich der Risikozuschlag aus mehreren Risiken zusammen, ohne dass offengelegt wird, wie sich der Risikozuschlag betragsmäßig zusammensetzt. 

Hier liegt der Vorteil der Versicherung darin, dass es dem Versicherungsnehmer so schwerer fällt, die Reduzierung des Risikozuschlags in Euro zu bestimmen, wenn ein Risiko wegfällt. 

Wie das Urteil aus München zeigt, hat diese Taktik ihre Grenzen. Das Urteil zeigt das typische Wechselspiel zwischen Kläger und Beklagten auf:

Legt der Kläger die ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel vor, trifft die Beklagte eine entsprechende Darlegungslast. Sie muss also auf den Vortrag des Klägers angemessen reagieren.

Da die Kalkulation der Risikozuschläge allein Sache der Versicherung ist, kann der Versicherungsnehmer hierzu nichts vortragen. Damit ist die Versicherung prozessual am Zug. Die Taktik der Geheimhaltung funktioniert dann nicht mehr.

Robert Nebel, M.A.

Rechtsanwalt

Licenciado en Derecho



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