Polizeiliche Ladung als Zeuge? Wie sollte man sich ab 2017 verhalten?

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Die Ladung als polizeilicher Zeuge kann schnell erfolgen. Man hat einen Unfall oder eine Straftat beobachtet und soll nun bei der Polizei hierzu aussagen.

Bis zum Jahre 2017 galt dabei die allgemeine Faustformel: „Eine polizeiliche Ladung muss nicht zwingend beachtet werden. Nur auf Ladung der Staatsanwaltschaft muss man bei der Polizei erscheinen.“

Im folgenden Beitrag wollen wir nun die Frage klären, ob diese Faustformel nach der erfolgten Reform der Strafprozessordnung (StPO) noch Bestand hat.

Als Folge der Neufassung des § 163 Abs. 3 Satz 1 Strafprozessordnung (StPO) gilt nun grundsätzlich: Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt.

Beachtung muss hier vor allem der letzte Halbsatz finden: Es muss einen entsprechenden Auftrag der Staatsanwaltschaft geben. Grund hierfür ist eine Entlastung der Staatsanwaltschaften im Vergleich zur bisherigen Rechtslage. Es muss nun nicht mehr zur staatsanwaltlichen Vernehmung geladen werden, bei der dann ein Staatsanwalt die Vernehmung selbst durchführen muss. Die Staatsanwaltschaft kann nun die Polizei beauftragen, ebendiese Vernehmung allein durchzuführen.

Von der polizeilichen Ladung ist weiterhin die Vorladung eines Zeugen durch die Polizei ohne Einbindung der Staatsanwaltschaft zu unterscheiden. Hier hat sich durch die neue Rechtslage an der Faustformel nichts geändert: Gibt es keinen Auftrag der Staatsanwaltschaft, trifft den Zeugen auch keine Pflicht zum Erscheinen.

In der Praxis ist dies der absolute Regelfall, denn die meisten Ermittlungsverfahren werden bis zum Abschlussbericht ausschließlich durch die Polizei bearbeitet. Hier wird wohl auch in der Zukunft keine größere Änderung der polizeilichen Praxis zu erwarten sein.

Was könnte dennoch passieren?

Es wird zu beachten sein, dass der Staatsanwaltschaft auch nach neuem Recht die „Gesamtverantwortung für eine ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens“ obliegt – so steht es in der Gesetzesbegründung. Die Staatsanwaltschaft bleibt also weiterhin die „Herrin des Ermittlungsverfahrens“. Daraus ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft einzelfallbezogen über die Pflicht zum Erscheinen eines Zeugen bei der polizeilichen Vernehmung entscheiden muss.

Nun könnte die Staatsanwaltschaft einfach generell die Polizei ermächtigen, dass in jedem Ermittlungsverfahren alle in Betracht kommenden Zeugen „im Auftrag der Staatsanwaltschaft“ zu vernehmen sind. Dies würde es zwar für die Ermittlungsbehörden vereinfachen, aber es bleibt festzuhalten, dass diese Praxis rechtswidrig ist. Jede Ladung durch die Polizei muss auf einem einzelfallbezogenen Auftrag der Staatsanwaltschaft aufbauen. Dies findet sich für die besonders interessierten Leser sogar im Abschlussbericht der Expertenkommission zur besagten Änderung der Strafprozessordnung.

Was tun, wenn die Polizei das neue Recht doch falsch anwendet?

Nicht auszuschließen ist, dass Polizeibehörden Zeugen – ungeachtet des Rechtslage – kraft generellen Auftrages der Staatsanwaltschaft vorladen und zur Vernehmung abholen, wenn der Vorladung nicht gefolgt wurde. Sollte man in eine solche Situation geraten, muss man Folgendes wissen: Auch wenn die Vernehmung rechtswidrig erzwungen wird, ist nicht gewiss, dass die Angaben später unverwertbar sind. Das Recht der Beweisverwertungsverbote ist in Deutschland komplex und selten zum Vorteil des Betroffenen.

Wer nichts falsch machen will, sollte deshalb auch in einer durch Vorführung erzwungenen Vernehmung schweigen und stattdessen sofort auf eine gerichtliche Entscheidung drängen. Eine gerichtliche Entscheidung gemäß § 163 Abs. 5 der Strafprozessordnung kann in dieser Situation jeder Betroffene selbst beantragen. Hintergrund: Wie oben bereits erwähnt, muss die Staatsanwaltschaft jeden Einzelfall prüfen. Nur auf Ihrem Auftrag darf eine Vernehmung erzwungen werden. Fehlt es aber insgesamt an einem einzelfallbezogenen Auftrag zur Vernehmung, wird spätestens das Gericht als Kontrollinstanz dies erkennen und die Maßnahme für rechtswidrig erklären.

Wird zwischenzeitlich doch noch der Auftrag der Staatsanwaltschaft nachträglich eingeholt, fehlt es an einer ordnungsgemäßen Ladung, wenn die Polizei bereits versucht, die Vernehmung zu erzwingen. Hier sollte der Betroffene darauf bestehen, zu einem neuen Termin geladen zu werden.

Die Zeit bis zu diesem Termin sollte er ggf. nutzen, um anwaltlichen Rat einzuholen. In vielen Fällen ist es sinnvoll, einen Strafverteidiger als Zeugenbeistand zu wählen und mit diesem zur Vernehmung zu gehen.

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