Rechtliche Auswirkungen des Coronavirus, Teil II

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Dies ist der zweite Teil meiner Ausführungen zu „Corona und Recht“. Er befasst sich primär mit dem Infektionsschutzgesetz, aus dem sich Rechte und Pflichten des Staates und der für ihn handelnden Behörden ergeben, ergänzend sollen aber auch in Kürze noch einige Aspekte des Bereiches Arbeitsrecht, die im ersten Teil aus Platzgründen nicht dargestellt werden konnten, erläutert werden.

Datenschutzrechtliche Aspekte im Arbeitsverhältnis

Im ersten Teil wurde auf das Fragerecht des Arbeitgebers hingewiesen. Dieses dient in der hier relevanten Ausformung der Erfüllung der Fürsorgepflicht, die Ausübung wird daher im Regelfall erforderlich sein.

Spätestens dann, wenn andere Mitarbeiter Kenntnis von der Möglichkeit einer Erkrankung erlangen – nach Ansicht des Verfassers deutlich früher, nämlich bereits mit Erhebung der Daten, vgl. Art. 4 Ziffer 2 EU-DSGVO – liegt eine Datenverarbeitung im Rechtssinne vor. Damit dem Arbeitgeber keine Nachteile drohen muss entweder eine – nachweisbare – Einwilligung des Arbeitnehmers vorliegen oder die Datenverarbeitung auf eine Rechtsgrundlage gestützt werden können. In Betracht kommen als Rechtsgrundlage Art. 6 lit. b), c), d), e) und f) EU-DSGVO. Dass es sich insoweit um Gesundheitsdaten handelt, deren Verarbeitung grundsätzlich verboten ist, steht der Verarbeitung nicht entgegen, weil Ausnahmetatbestände greifen, vgl. Art. 9 EU-DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 3 BDSG.

Verwaltungsrecht/Sozialrecht

Kranker, Ansteckungsverdächtiger, Ausscheider: Die Bedeutung der wesentlichen Begriffe

Als Kranker im Sinne des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gilt, wer an einer übertragbaren Krankheit erkrankt ist, § 2 Nr. 4 IfSG.

Krankheitsverdächtig sind Personen, die Symptome aufweisen, die das Vorliegen einer bestimmten übertragbaren Krankheit vermuten lassen, § 2 Nr. 5 IfSG.

Ausscheider ist, wer – ohne erkrankt oder krankheitsverdächtig zu sein – Krankheitserreger ausscheidet und daher eine Ansteckungsquelle für die Allgemeinheit darstellt, § 2 Nr. 6 IfSG. 

Ansteckungsverdächtig sind Personen, von denen anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen haben, ohne dass sie krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider sind, § 2 Nr. 7 IfSG.

Diese Unterscheidung ist wichtig, weil nicht alle Maßnahmen auf alle vorgenannten Kategorien anwendbar sind.

Wer darf was? oder: Die Zuständigkeiten von Behörden

Das IfSG regelt die wesentlichen Eingriffsbefugnisse des Staates und seiner Behörden in Fällen wie der derzeitigen Corona-Pandemie.

Die zuständige Behörde bestimmt sich gemäß § 54 IfSG nach dem jeweiligen Landesrecht. Auch wenn insoweit also Unterschiede denkbar sind, so ist doch regelmäßig das Gesundheitsamt zuständig.

Die zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zulässigen Maßnahmen ergeben sich aus §§ 28 – 32 IfSG.

§ 28 IfSG ist dabei als Generalklausel ausgestaltet und bestimmt, dass die zuständige Behörde „die notwendigen Schutzmaßnahmen“ trifft. Diese werden spezifiziert in den §§ 29 bis 31 IfSG, wobei die in diesen Vorschriften explizit geregelten Maßnahmen nicht abschließend sind. Dabei ist die Behörde aber nicht gänzlich frei, vielmehr dürfen nur Maßnahmen ergriffen werden, „soweit und solange“ es zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit erforderlich ist. Die Behörde kann nach dieser Vorschrift etwa Veranstaltungen beschränken oder verbieten (dies erleben wir derzeit bereits), sie kann Personen aufgeben, bestimmte Orte nicht zu verlassen oder nicht aufzusuchen. Eine Heilbehandlung darf sie aber nicht anordnen, insoweit bleibt der Betroffene frei.

Nach § 29 IfSG kann die Beobachtung von Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ausscheidern und Ansteckungsverdächtigen angeordnet und durchgeführt werden.

Eine solche Beobachtung geht mit ganz erheblichen Grundrechtseingriffen einher. Der Betroffene ist nicht nur verpflichtet, die erforderlichen Untersuchungen zu dulden, er muss auch Zugang zu seiner Wohnung gewähren, über alle, seinen Gesundheitszustand betreffenden Aspekte Auskunft geben und im Fall eines Umzugs unverzüglich (d. h. ohne schuldhaftes Zögern, im Zweifel sofort) hierüber dem bisher zuständigen Gesundheitsamt Mitteilung machen. 

Nach § 30 IfSG kann eine Quarantäne angeordnet werden. Bei bestimmten Krankheiten ist die Quarantäne zwingend, bei anderen steht sie im (pflichtgemäßen) Ermessen der jeweils zuständigen Behörde. In welcher Einrichtung die Quarantäne stattzufinden hat ist unterschiedlich geregelt, ebenfalls in Abhängigkeit von der jeweiligen Krankheit.

Bei Ausscheidern ist die Anordnung einer Quarantäne nur dann rechtmäßig, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen, befolgen können oder befolgen würden und dadurch ihre Umgebung gefährden, § 30 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 IfSG.

Die Quarantäne kann unter bestimmten Umständen zwangsweise durchgesetzt werden.

Wer so abgesondert wurde, hat die Anordnungen der Einrichtung zu befolgen und Maßnahmen zu dulden, der Empfang von Post kann eingeschränkt werden, bestimmte Gegenstände können ihm abgenommen werden. 

Im Fall der Covid-19-Infektion dauert die Quarantäne regelmäßig 14 Tage lang an.

Darüber hinaus kann ein Verbot der Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ausscheidern und Ansteckungsverdächtigen verhängt werden, § 31 S. 1 IfSG.

Die Bundesländer haben außerdem die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen für die vorgenannten Maßnahmen auch weitere Gebote und Verbote für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten durch Rechtsverordnung zu erlassen. Eine Darstellung solcher Verordnungen muss an dieser Stelle unterbleiben, sie würde den Rahmen sprengen. 

Als weitere, nicht explizit geregelte Maßnahmen werden derzeit – insbesondere von Luftfahrtunternehmen, aber auch von der Deutschen Bahn – sogenannte Ausstiegskarten verteilt, damit mögliche „Infektionsketten“ nachvollzogen werden können. Es soll rechtzeitig ermöglicht werden, die „Kette“ einer Infektion – etwa durch die vorstehend dargestellte Quarantäne – zu unterbrechen.

Entschädigung bei Entgeltausfall

Kommt es zur Durchführung einer Quarantäne, so kann der Betroffene in dieser Zeit selbstverständlich seine Arbeitsleistung nicht erbringen. Auch ein Berufsverbot führt zu einem solchen Problem. Es stellt sich daher die Frage, wer für den Entgeltausfall aufzukommen hat (insoweit sei auch auf die Ausführungen in Teil I dieser Darstellung verwiesen). 

Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber das Entgeltrisiko. Der Verweis auf § 615 BGB (Vergütung bei Annahmeverzug und Betriebsrisiko) – übliches Mittel der Juristen – geht hier in der Sache fehl. Denn ein Annahmeverzug des Arbeitgebers liegt nicht vor, es ist der Arbeitnehmer, der seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann. Inwieweit sich möglicherweise das Betriebsrisiko auswirkt ist Sache des Einzelfalls.

Allerdings besteht nach § 56 Abs. 1 S. 1 IfSG ein Entschädigungsanspruch für Ausscheider, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und sonstige Träger von Krankheitserregern, wenn diese Verboten in der Ausübung ihrer bisherigen Erwerbstätigkeit unterworfen werden. Nach § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG gilt Entsprechendes für Personen, die einer Quarantäne-Maßnahme unterworfen werden. Die Entschädigung kommt nur dann in Betracht, wenn die betroffenen Personen durch die Maßnahmen einen Verdienstausfall erleiden. 

Die Höhe der Entschädigung ist gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 IfSG nach dem Verdienstausfall zu bemessen. Für die ersten sechs Wochen entspricht die Entschädigung der Höhe des entfallenen Verdienstes. Ab der siebten Woche – was im Bereich von Covid-19-Infektionen allerdings kaum relevant sein dürfte – erfolgt eine Entschädigungszahlung in Höhe des Krankengeldanspruchs, allerdings nur, wenn der Verdienstausfall die für die gesetzliche Krankenversicherungspflicht maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze (im Jahr 2020 beträgt diese 62.550 €) nicht übersteigt. Der Krankengeldanspruch beläuft sich nach § 47 Abs. 1 SGB V auf 70 % des regelmäßigen Arbeitsentgelts.

Arbeitnehmer erhalten in den ersten sechs Wochen die Entschädigung unmittelbar von ihrem Arbeitgeber ausgezahlt. Dem Arbeitgeber steht in diesen Fällen ein Erstattungsanspruch gegenüber dem jeweiligen Bundesland zu, § 56 Abs. 5 S. 2, 3 IfSG. 

Das Vorstehende gilt entsprechend für selbständig Tätige.

Kommt es aufgrund der vorgenannten Maßnahmen zu einer existenzgefährdenden Situation, so können auf Antrag auch Mehraufwendungen erstattet werden, etwa – natürlich nur in angemessenem Umfang – die weiter anfallenden, nicht gedeckten Betriebsausgaben, § 56 Abs. 4 IfSG.

Wichtig:

Für die Stellung entsprechender Anträge laufen Fristen. Sind diese abgelaufen, so kommt eine Entschädigung nicht mehr in Betracht. Die Entschädigungsleistungen müssen binnen einer Frist von 3 Monaten nach der Beendigung der Absonderung bei den nach Landesrecht zuständigen Behörden beantragt werden, § 56 Abs. 11 IfSG. 

Damit Ansprüche nicht wegfallen oder versehentlich nicht oder nicht vollständig geltend gemacht werden empfiehlt sich die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe.



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