Rechtsschutz gegen (unberechtigte) Vollstreckungen des Finanzamts.

  • 4 Minuten Lesezeit

1. Die Vollstreckung des Finanzamts als existenzbedrohende Maßnahme

(Unberechtigte) Vollstreckungen des Finanzamtes können für ein Unternehmen schnell zu einer Existenzbedrohung erwachsen.

Werden durch Vollstreckungsmaßnahmen Kontopfändungen ausgebracht und/oder Forderungen ggü. Debitoren gepfändet, fehlen diese liquiden Mittel zur Zahlung der laufenden Kosten.

Häufig entstehen hierdurch nicht kalkulierte Liquiditätslücken, die schlimmstenfalls in einer Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz münden.

Umso wichtiger ist es, bei eingeleiteten Pfändungsmaßnahmen unverzüglich und entschlossen gegen diese Maßnahmen vorzugehen.

Denn die Zeit läuft in beschriebener Situation klar gegen das Unternehmen und den Steuerpflichtigen.


2. Allgemeine Voraussetzungen für eine Vollstreckung durch die Finanzbehörde

Für die Frage des effektiven Rechtsschutzes gegen eingeleitete Vollstreckungsmaßnahmen kommt es zunächst einmal darauf an, ob die Voraussetzungen für eine Vollstreckung vorliegen.

Die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung durch die Finanzbehörde sind:

  • das Vorliegen eines wirksamen Steuerbescheids, Haftungsbescheids oder einer gesetzlich vorgesehenen Steueranmeldung (z. B. Umsatzsteuervoranmeldung); 
  • Fälligkeit der Leistung (keine Stundung);
  • ordnungsgemäßes Leistungsgebot in Form einer konkreten Zahlungsaufforderung; 
  • Einhaltung der Wochenfrist (beginnt mit Bekanntgabe des Leistungsgebots) und
  • Vollstreckbarkeit des Steuerbescheides (keine Aussetzung der Vollziehung).


3. Sofortiger Angriff des Steuerbescheids als vorbeugende und zeitgewinnende Maßnahme mit Blick auf eine drohende Vollstreckung

Als generelle Handlungsempfehlung sollte - wenn die Intention des Zeiterfordernisses für bestimmte Steuerzahlungen besteht - ein Steuerbescheid unmittelbar nach Bekanntgabe mit Rechtsbehelf angegriffen werden.

Dies ist die erste "Verteidigungslinie", um Zeit gegen einen bestandskräftigen Steuerbescheid nebst Zahlungsaufforderung und drohender Vollstreckung zu gewinnen.

Über einen Fachanwalt für Steuerrecht oder Steuerberater sollte eine umfangreiche und fundierte Begründung des Einspruchs ggü. der Finanzbehörde formuliert werden.

Je fundierter diese Begründung ist, umso mehr Zeit benötigt die Finanzbehörde zur Bearbeitung der Begründung und den vorgetragenen rechtlichen Argumenten.

Gleichlaufend stützt eine umfangreiche Begründung den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, welche mit dem Einspruch ggü. der Finanzbehörde zu beantragen ist.

Sollte das Finanzamt trotz hinreichender Begründung einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ablehnen, so kann das Begehren der Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht geltend gemacht werden.

Wenn der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht gestellt ist, ist es übliche Praxis, dass das Finanzamt die Vollstreckung bis zu einer Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (stillschweigend) unterbricht.


4. Vorgehen und Rechtsschutz gegen die ausgebrachten Vollstreckungsmaßnahmen

Sind die Steuerbescheide der Finanzbehörde bestandskräftig und bereits in der Vollstreckung, ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen noch vorliegen und falls dies der Fall ist, die Vollstreckung über die Einwendung einer unbilligen Härte der Vollstreckung anzugreifen.

a) Der Wegfall der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen

Liegen die Voraussetzungen für die Vollstreckung nicht mehr vor, kann die Einstellung bzw. teilweise Einstellung/Aufhebung der Vollstreckung über § 257 AO verlangt werden (hilfsweise im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes).

Dieses rechtliche Vorgehen bietet dann Erfolgsaussicht, wenn

  • die Voraussetzungen der Vollstreckung gem. § 251 AO weggefallen sind;
  • der vollstreckbare Verwaltungsakt aufgehoben wurde;
  • der Steueranspruch mittlerweile erloschen ist oder
  • eine Stundung nach § 222 AO gewährt wurde.

Bieten die vorgenannten Punkte keinen Ansatz, muss über die Einwendung der unbilligen Härte gegangen werden.

b) Die unbillige Härte der Vollstreckung

Eine unbillige Härte der Vollstreckung wird über die Rechtsbehelfe

  • des Antrags auf Stundung gemäß § 222 AO und/oder
  • des Antrags auf Vollstreckungsschutz gemäß § 258 AO

ggü. der Finanzbehörde geltend gemacht.

Mit einer unbilligen Härte kann dann argumentiert werden, wenn die Vollstreckung oder eine einzelne Vollstreckungsmaßnahme dem Vollstreckungsschuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde, der durch kurzzeitiges Zuwarten oder durch eine andere Vollstreckungsmaßnahme verhindert werden könnte. 

In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nur Erfolgsaussicht hat, wenn der Finanzbehörde eine Befriedigung der Steuerforderung innerhalb eines Zeitfensters von ca. 6 bis 12 Monaten glaubhaft gemacht werden kann.

Im Rahmen einer unbilligen Härte haben sich insbesondere folgende Argumente als beachtenswert bei der Finanzbehörde bewährt:

  • vorübergehende Bedrohung der wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz des Steuerpflichtigen durch die Vollstreckungsmaßnahmen, z.B. drohender Eintritt einer Insolvenz, Entziehung der existenznotwendigen Mittel, Verlust des Arbeitsplatzes etc.;
  • Verweis auf Sicherheiten, die zur Verwertung durch die Finanzbehörde vorrangig zu berücksichtigen sind,
  • Verstoß gegen Treu und Glauben, wenn zu erwarten ist, dass die vollstreckte steuerliche Leistung zeitnah zurückzubezahlen ist (z. B. wegen einer anstehenden Steuererstattung).


Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte rechtliche Materie. Insbesondere ist zu beachten, dass das steuerliche Vollstreckungsrecht hoch komplex und weitläufig ist und jeder Fall anders gelagert sein kann. Dies deshalb, da auch die zu Grunde liegenden Steuerbescheide/Haftungsbescheide noch gesonderte taktische Handlungsmaßnahmen erlauben. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie daher nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten

Gerne stehe ich Ihnen bei Fragen rund um das steuerliche Haftungsrecht und die Vollstreckung als Fachanwalt für Steuerrecht zur Verfügung.



#Vollstreckung #Steuerbescheid #Vollstreckungsschutz #Rechtsbehelf #Rechtsmittel #Stundung #AussetzungderVollziehung #Einstellung #Aufhebung #Rechtsschutz #Fachanwalt #Steuerrecht

Foto(s): Canva.de - Dr. Holger Traub

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. iur. Holger Traub - Dipl. Kfm.

Beiträge zum Thema