Reform des Kaufrechts und Auswirkungen auf den Pferdehandel

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Seit dem 01.01.2022 sind weitreichende Änderungen des Kaufrechts in Kraft getreten, die sich auch auf den Handel mit Pferden auswirken. Das neue Kaufrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gilt für alle Kaufverträge, die ab dem 01.01.2022 geschlossen wurden.


Besonders im Zusammenhang mit einem sogenannten Verbrauchsgüterkauf, also einem Geschäft zwischen Unternehmer und Verbraucher („B2C“), ist es zur Vermeidung von Streitigkeiten wichtig, diese zu kennen und alte Vertragsmuster entsprechend anzupassen bzw. abzuändern.


Die Definition des Unternehmerbegriffs liegt unverändert in § 14 bzw. für den Verbraucher in § 13 BGB.


Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.


Auf zivilrechtlicher Ebene landet man als Verkäufer sehr schnell in der Liga der Unternehmer. Sind Sie Züchter und betreiben Sie eine Internetseite oder bieten Sie Pferde regelmäßig zum Verkauf an, so ist nicht zwingende Voraussetzung, dass Sie dafür ein Gewerbe angemeldet haben oder Einkünfte erzielen.

Meist hilft es auch nicht, die Ehefrau oder sonst ein nicht unternehmerisch tätiges Familienmitglied „vorzuschieben“, um die Unternehmereigenschaft zu umgehen.


Nach § 433 I S. 2 BGB hat der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Mängeln zu verschaffen. Daraus folgt, dass die Nichterfüllung dieser Pflicht durch den Verkäufer eine Pflichtverletzung darstellt und Gewährleistungsansprüche des Käufers nach sich zieht. 


Die vorgenommenen Änderungen im Gesetz stärken erneut den ohnehin schon  EU-weit großgeschriebenen Verbraucherschutz.


Folgende Änderungen sind künftig beim Verkauf eines Pferdes zu beachten:


1. Sachmangel


Nach neuem Recht muss die Kaufsache, also hier ein Pferd, sowohl subjektiven als auch objektiven Anforderungen zur Beschaffenheit genügen. Tiere werden gemäß § 90a BGB im Zivilrecht als „Sache“ eingeordnet und insofern erfolgt die rechtliche Einstufung vergleichbar mit dem Kauf eines Autos oder einer Waschmaschine.


Zunächst kommt es darauf an, wie die Vertragspartner die subjektiven Anforderungen der Beschaffenheit der Kaufsache vereinbaren.

Den objektiven Anforderungen entspricht die Sache jedoch nur, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und die „übliche Beschaffenheit“ aufweist.


Demzufolge kann nach neuem Kaufrecht in der seit 01.01.2022 geltenden Fassung eine Sache mangelhaft sein, obwohl sie einer Beschaffenheitsvereinbarung entspricht.


Sie verkaufen zum Beispiel ein Pferd, dass sich nicht reiten lässt aber als Beistellpferd geeignet ist.

Pferde eignen sich üblicherweise zum Reiten. Ist das bei dem konkreten Pferd nicht der Fall, so muss dies als „negative Beschaffenheit“ ausdrücklich und gesondert im Vertrag festgehalten werden.


Die Vertragsparteien können also von § 434 BGB abweichende Vereinbarungen treffen. Man kann z.B. ein Auto als Bastlerfahrzeug verkaufen oder Mängel des Gesundheitszustandes eines Tieres berücksichtigen. Bei Verbrauchsgüterkaufverträgen geht dies nach § 476 I 2 BGB aber nur, wenn der Verbraucher von der Abweichung eigens in Kenntnis gesetzt und diese ausdrücklich und gesondert vereinbart wird. Der Gesetzgeber schreibt hierfür keine Form vor. Als Verkäufer wären Sie im Streitfall aber beweisbelastet und insofern sollten gesonderte Vereinbarungen zur Beschaffenheit grundsätzlich schriftlich und im Vertrag gesondert hervorgehoben dokumentiert und gegengezeichnet werden. 



Besondere Schwierigkeiten können sich beim Pferdekauf bei gesundheitlichen Abweichungen von der Norm ergeben. Es wird nicht mehr genügen, sich in Bezug auf die gesundheitliche Beschaffenheit eines Pferdes allein auf die Feststellungen des Tierarztes aus dem Protokoll der Ankaufuntersuchung zu beziehen. Ergeben sich nach Ankaufuntersuchung gesundheitliche Abweichungen von der Norm, so müssen diese als sogenannte negative Beschaffenheitsvereinbarung vor Vertragsschluss mitgeteilt und für den Laien verständlich im Vertrag gesondert aufgeführt werden.


Nach § 476 Absatz 1, Satz 2 BGB kann 


Von den Anforderungen nach § 434 Absatz 3 oder § 475b Absatz 4 kann vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer durch Vertrag abgewichen werden, wenn


1

der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht, und


2

die Abweichung im Sinne der Nummer 1 im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.


Mit „gesondert“ meint der Gesetzgeber, dass die Abweichung hervorgehoben wird, damit der Verbraucher sie bewusst in seine Kaufentscheidung einbezieht. Ein Verweis auf AGB oder „Kleingedrucktes“ am Ende genügt nicht. Der Vertrag muss so gestaltet sein, dass dem Verbraucher bei Angabe seiner Vertragserklärung deutlich wird, dass er eine Kaufsache erwirbt, die von objektiven Anforderungen an die Vertragsgemäßheit abweicht oder abweichen kann.


Im oben genannten Beispiel des nicht mehr reitbaren Pferdes müsste also im Vertrag ein gesonderter Hinweis hervorgehoben erfolgen wie folgt:


„Der Käufer wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass das im Vertrag beschriebene Pferd „xxxx“ als Reitpferd nicht geeignet und nur als Beistellpferd zu verwenden ist.“


Ein Umdenken erfordert in der Praxis künftig die Handhabung im Zusammenhang mit tierärztlichen Ankaufuntersuchungen. Unabhängig davon, wer die Ankaufuntersuchung in Auftrag gibt, muss sich jedenfalls der Verkäufer in eigenem Interesse mit dem Inhalt eines Protokolls auseinandersetzen und in Absprache mit dem Tierarzt überlegen, welche Befunde als sog. negative Beschaffenheitsmerkmale im Vertrag aufgenommen werden müssen. Der Verkäufer kann nicht mehr auf die Feststellungen in der Ankaufuntersuchung verweisen und diese als „gesundheitliche Beschaffenheit“ definieren.


Zum besseren Verständnis ist klarzustellen, dass die Ankaufuntersuchung nur eine Dokumentation des aktuellen Gesundheitszustands eines Pferdes zum Zeitpunkt der Untersuchung beinhaltet. Die Verantwortung der Definition einer negativen Beschaffenheitsvereinbarung kann daher nicht dem Tierarzt auferlegt werden. Dennoch muss man sich als Verkäufer mit den erhobenen Befunden auseinandersetzen.


Beispiel: 


In der Zusammenfassung einer Ankaufuntersuchung wird dokumentiert:


  • ggr. Nasenausfluß
  • ggr. tracheales & pulmonales Rasseln in Ruhe und Bewegung
  • Temp. 38,3 


Mündlich erläutert der Tierarzt dem Kaufinteressenten, das Pferd habe vermutlich eine abklingende Erkältung und die Werte haben keine weitere Bedeutung.


Tatsächlich wurde bei dem Pferd wenige Tage nach Übergabe die Krankheit Druse diagnostiziert.


Nach altem Recht hätte man argumentieren können, der Käufer habe das Pferd im Risiko der dokumentierten Befunde erworben und habe nun Pech, dass es keine abklingende Erkältung war, sondern tatsächlich Druse besteht. Er hätte dies aufgrund der Befunde ja wissen oder auch weiter abklären können und somit in Kenntnis eines Mangels gekauft. Damit wäre ein Rücktritt wegen der Druseerkrankung möglicherweise wegen § 442 BGB verwehrt gewesen.


Nach neuem Recht ist der Verbraucher weiter geschützt und selbst positive Kenntnis vom Mangel hindert diesen nicht, Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Die Regelung des § 442 BGB gilt nämlich nicht mehr im Zusammenhang mit dem Verbrauchergeschäft (vgl. hierzu § 475 Abs.3 BGB n.F.)


Nach neuem Recht müsste man also in diesem Fall den Vertrag z.B. wie folgt ergänzen:


Dem Käufer ist bekannt, dass das Pferd anlässlich der Untersuchung durch den Tierarzt „xy“ am „xxxx“ ein Atemgeräusch, Nasenausfluß und erhöhte Temperatur gezeigt hat und diese Symptome auch Anzeichen für eine schwere Erkrankung sein können. 


Manch einer wird nun denken, wenn ich das so in den Vertrag schreibe, dann kauft ja keiner das Pferd. Das mag sein. Aber Sie ersparen sich auch einen teuren Rechtsstreit und das Risiko, das Pferd wieder zurücknehmen zu müssen, wenn es doch mehr hat als leichten Schnupfen.



2. Haftungsbeschränkungen

In Kaufverträgen liest man immer wieder alle möglichen Bemühungen, die Haftung auszuschließen oder zu begrenzen.


Auch hier gilt § 476 Absatz 2 BGB:


Eine Verkürzung von Verjährungsfristen wegen der Verpflichtung zur Gewährleistung wegen Mangels darf abweichend von den gesetzlichen Vorschriften bei gebrauchten Gegenständen zwar weiterhin auf 1 Jahr erfolgen. 


Eine solche Vereinbarung ist aber nach § 476 Absatz 2 Satz 2 BGB nur wirksam, wenn


1

der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung von der Verkürzung der Verjährungsfrist eigens in Kenntnis gesetzt wurde und


2

die Verkürzung der Verjährungsfrist im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.

Zu beachten ist hier allerdings, dass zwischen einer Gewährleistungsfrist in Form der Haftungsfrist  und einer Verjährungsfrist zu unterscheiden ist.

Bei der Haftungsdauer (auch Haftungsfrist) handelt es sich um den Zeitraum, in dem sich ein Mangel der Kaufsache i.S.d. § 434 BGB, der bereits bei Gefahrübergang (zumindest latent) vorhanden war, zeigt - also dem Käufer bekannt wird. Bei der Verjährungsfrist handelt es sich um den Zeitraum, in dem der Verbraucher seine Rechte, die während der Haftungsdauer des Verkäufers entstanden sind, tatsächlich gegenüber diesem ausüben kann. 



Bei Mängeln, die sich erst am Ende der Gewährleistungsfrist zeigen, verlängert sich faktisch die Gewährleistungszeit. So verjähren Gewährleistungsansprüche in der Regel nicht vor Ablauf von vier Monaten nach erstmaligem Auftreten des Mangels (§ 475e Abs. 3) und nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach einem Nacherfüllungsversuch aufgrund von Gewährleistung oder Garantie (§ 475e Abs. 4). Das kann im Ergebnis zu einer wesentlichen Verlängerung der Verjährung führen.



3. AGB – Kontrolle


Meist werden für Kaufverträge Formularverträge verwendet. Besondere Vorsicht ist bei Musterverträgen aus dem Internet geboten. Aktuell abrufbare Muster beinhalten meist noch nicht die neue Rechtslage. 


Formularverträge sowie klauselartige Beschränkungen zum Nachteil des Vertragspartners müssen sich an den Vorgaben des AGB-Rechts messen lassen. 


Wollen Sie im Formularvertrag die Haftung verkürzen so ist folgende Formulierung nach § 309 Nr. 7a und b BGB erforderlich:


Die gesetzliche Verpflichtung des Verkäufers zur Gewährleistung wird auf ein Jahr beschränkt. Der Haftungsausschluss gilt nicht für Schäden, die aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen und ebenso nicht für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen.“


Auch wenn sich der Satz furchtbar liest, steht es doch so im Gesetz. Bevor Sie das Rad neu erfinden und etwas falsches schreiben, ist es besser, diese Formulierung einfach  abzuschreiben.



4. Beweislastumkehr


Nach neuem Recht beträgt die Dauer der Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers nun 1 Jahr. Erfreulicherweise ist diese bei dem Verkauf von lebenden Tieren nach § 477 Abs. 1 BGB weiterhin und wie bisher auf 6 Monate beschränkt.

Zeigt sich innerhalb der ersten sechs Monate ein Mangel, dann wird zugunsten des Verbrauchers vermutet, dass dieser von Anfang an vorlag. Den Gegenbeweis, dass das Pferd vor Übergabe nicht mangelhaft war, muss dann der Verkäufer führen.



5. Nacherfüllung

Der Käufer hat weiterhin das Wahlrecht, entweder Nacherfüllung oder Ersatzlieferung zu verlangen. Künftig wird der Käufer gemäß § 439 Abs. 5 BGB ausdrücklich dazu verpflichtet, die Kaufsache zum Zwecke der Nacherfüllung dem Verkäufer zur Verfügung zu stellen, also etwa zur Nachbesserung im Sinne einer „Reparatur“ an den Unternehmer zu schicken bzw. diesem zu übergeben. Eine solche Verpflichtung des Käufers war bisher nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt und hat in der Praxis immer wieder zu Unstimmigkeiten geführt.

Neu und aus Unternehmersicht  für den Verbrauchsgüterkauf ist die Vorschrift des § 475 Abs. 5 zu beachten, wonach der Unternehmer „die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen hat, wobei die Art der Ware sowie der Zweck, für den der Verbraucher die Ware benötigt, zu berücksichtigen sind“.

Neu ist dabei auch, dass der Käufer den Verkäufer nicht mehr unter Fristsetzung zur Nacherfüllung auffordern muss, sondern es genügt, den Mangel mitzuteilen.


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Wie man sieht, legt der Gesetzgeber dem Unternehmer als Verkäufer gegenüber dem Verbraucher weitreichende Pflichten auf.


Es ist bedauerlich, dass der Verbraucherschutz im Gesetz zu Regeln führt, die für den juristischen Laien kaum zu durchblicken sind. Letztlich kommt man aber nicht daran vorbei, sich einzulesen oder beraten zu lassen und das Gesetz im Alltag des Pferdehandels besser gestern als heute umzusetzen. 


Aus der anwaltlichen Erfahrung wäre mehr Ehrlichkeit und Transparenz beim Pferdehandel ohnehin das Ziel, um Streitigkeiten im Anschluss zu vermeiden.


Gerne stehe ich für Beratung sowohl bei der Vertragsgestaltung als auch Streitigkeit nach Kauf zur Verfügung.





Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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