REICHWEITE DER BERATUNGSPFLICHT DES ARCHITEKTEN

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Der Fall:

Ein Architekturbüro wurde unter anderem mit der Bauleitung und Bauüberwachung hinsichtlich der Errichtung eines Helikopterdachlandeplatzes auf einem mehrstöckigen Gebäude beauftragt. Die Auftraggeberin hat durch den Architekturbetrieb berechnete und mitgeteilte Mengenmehrungen bestritten und behauptet, es sei eine Anpassung der Einheitspreise auf Basis der Kalkulation nach § 2 Abs. 3 VOB/B vorzunehmen gewesen. Unter anderem seien die Stahlmassen unrichtig berechnet worden, was durch den Architekturbetrieb zu berücksichtigen gewesen wäre. Es seien daher an das Bauunternehmen überhöhte Abschlagszahlungen ausgeführt worden.

Der Architekturbetrieb hat neben anderem eingewendet, dass die Berechnungen richtig erfolgt seien. Insbesondere hätten keine über den erbrachten Leistungsumfang hinausgehende Überprüfungen der Abschlagsrechnungen erfolgen müssen.

Die Auftraggeberin hat das Architekturunternehmen auf Leistung von Schadensersatz wegen zu viel gezahlter Abschlagsleistungen verklagt.


Die Entscheidung:

Das Oberlandesgericht hat die erstinstanzliche Klageabweisung im Wesentlichen bestätigt, dies insbesondere mit der Erklärung, dass die Frage einer Abgrenzung zwischen einer Mengenabweichung und einer Ausführungsvereinbarung eine Rechtsfrage darstellt. Bei der konkret vorliegenden schwierigen Sach- und Rechtslage würden die Anforderungen an das Maß der im Rahmen eines Architektenvertrages bei der Prüfung einer Abschlagsrechnung nach § 276 BGB anzuwendenden Sorgfalt erheblich überspannt werden, wollte man dem Architekturbetrieb einen Sorgfaltsverstoß deswegen vorwerfen, weil es die Sach- und Rechtslage unzureichend erfasst bzw. beantwortet hat. Das Gericht hat die folgenden Grundsätze erarbeitet, die auch in vergleichbaren Fällen Anwendung finden können:

  1. Ein mit der Bauüberwachung beauftragter Architekt ist verpflichtet, Abschlagsrechnungen von Bauunternehmen auf die fachtechnische und rechnerische Richtigkeit zu überprüfen sowie darauf, ob die abgerechneten Leistungen erbracht sind und ob sie der vertraglichen Vereinbarung entsprechen.

  2. Soweit ein Architekt im Zuge der Rechnungsprüfung in einer komplexeren Konstellation eine schwierige Rechtsfrage nur unzureichend oder nicht richtig erfasst, liegt hierin keine schuldhafte Pflichtverletzung.

  3. Beim Auftraggeber entsteht im Falle eines Fehlers des Architekten bei der Rechnungsprüfung ein Schaden nicht erst dann, wenn das Scheitern eines Rückzahlungsbegehren gegenüber dem Unternehmer feststeht. Dagegen kann der Auftraggeber den Architekten dann unmittelbar in Anspruch nehmen, dies allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung des betreffenden Anspruches gegenüber dem Bauunternehmer.

  4. Eine auftragslos ausgeführte Leistung ist im VOB-Bauvertrag unverzüglich dem Auftraggeber anzuzeigen. Unzureichend ist grundsätzlich eine Anzeige an den bauüberwachenden Architekten.

  5. Die Prüfung einer Abschlags- oder Schlussrechnung durch den bauleitenden Architekten begründet kein nachträgliches Anerkenntnis hinsichtlich einer auftragslos erbrachten Leistung. Ein solches Anerkenntnis liegt auch nicht darin, dass der Auftraggeber das in veränderter Weise hergestellte Werk hinnimmt.

Konsequent wurde die Berufung der Auftraggeberin als unbegründet zurückgewiesen. Das Urteil ist mangels Zulassung der Revision rechtskräftig geworden.


OLG KölnUrteil vom 16. April 2021 – Az.: V19 U 56/20 )



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