Reputationsrecht - Hass! Polizei veranstaltet "Aktionstage"

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Dr. Schulte Beispielbild für § 188 StGB - Leihgabe durch Monika Schulte

Bundeskriminalamt erwartet jährlich 150.000 Hass Strafverfahren

Viel zu tun für die Strafverfolgungsbehörden; die Freiheiten des Internets werden enger. Anfang Januar 2022 äußerte das Bundeskriminalamt (BKA) gegenüber Medien, dass es mit 150.000 Strafverfahren wegen Äußerungen im Internet pro Jahr rechnet. Oft vergessen wird, dass die Straftaten aus der realen Welt wie beispielsweise Beleidigungen gemäß § 185 Strafgesetzbuch oder Verleumdungen gemäß § 187 Strafgesetzbuch und andere selbstverständlich auch im Internet strafbar sind.

Bessere Kontrolle im Internet führt zu mehr Straftaten 

Die „Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI)“ mit rund 200 Beamten unter dem Dach des BKA hat zum 1. Februar ihre Arbeit aufgenommen, um laut eigenen Aussagen “eine konsequente Strafverfolgung der Verfasser solch strafbarer Inhalte durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden in den Ländern zu ermöglichen“. Wie das Verfahren grundsätzlich funktioniert sehen Sie hier. 

Die Großkonzerne weigern sich weiterhin mitzumachen und bremsen

Für Großkonzerne wie Facebook und Google bedeutet dies vor allem eines: Mehraufwand. So kommt es wohl, dass diese den Prozess nur zögerlich vorantreiben. Der Gesetzgeber reagierte mit der Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) welches zum 01.02.2022 in Kraft treten sollte. Das Gesetz wurde verschärft was dazu führt, dass die Konzerne die Straftaten im Internet nun nicht mehr nur löschen, sondern auch melden müssen! Das betrifft zwar nicht eine Klarnamenpflicht, jedoch wird durch die Zuordnung der IP Adresse die Feststellung, wer Täter ist, einfacher werden. Was im Internet erlaubt und verboten ist, ist teilweise gar nicht einfach nachzuvollziehen. Es wird sicher eine Fülle von neuen Urteilen und Kriterien geben. Erst einmal blamierte sich der deutsche Gesetzgeber im Februar 2022, weil das Verwaltungsgericht Köln das strengere Gesetz wegen Formfehlern aufhielt. Mehr zu zu dem Thema hier.  Nur weil jetzt die Meldepflicht, die zum 01.02.2022 eingeführt werden sollte, ruht, bedeutet das nicht, dass die Behörden nicht aktiv sind. Zumal ist zwar die Meldepflicht gestoppt, die strafrechtlichen Verschärfungen gelten also weiter. 

Aktionstag am 22.03.2022 gegen Hass im Netz

Straftaten sind immer strafbar und es bedarf regelmäßig keiner Aktionstage, da in Deutschland grundsätzlich gilt, dass nach dem Legalitätsgrundsatz die Anklagebehörde verpflichtet ist, "wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen." Zitat aus § 152 Strafprozessordnung. Nichtsdestotrotz hatten die Behörden sich koordiniert und sind am 22.03.2022 großräumig in Deutschland vorgegangen wegen ermittelter Hasspostings gegen Politiker gemäß § 188 Strafgesetzbuch. Die aktuelle Gesetzesverschärfung war nur teilweise vor dem Verwaltungsgericht Köln gescheitert und sieht darüber hinaus in § 194 StGB vor, dass die Behörden nicht auf Anzeigen warten müssen sondern direkt von sich aus vorgehen können.

Die Norm lautet:

Strafgesetzbuch (StGB)
§ 188 Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung

(1) Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine Beleidigung (§ 185) aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Das politische Leben des Volkes reicht bis hin zur kommunalen Ebene.(2) Unter den gleichen Voraussetzungen wird eine üble Nachrede (§ 186) mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren und eine Verleumdung (§ 187) mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Nun droht den Verfassern von Hasspostings ein teures Strafverfahren, welches nach bisherigen Erfahrungen zumeist mit einer Geldstrafe endet. Üblich sind einige Tausend Euro. Die Höhe der Strafe richtet sich gemäß § 40 Abs. 1 Strafgesetzbuch nach dem Nettoeinkommen pro Monat. Zudem können Computer eingezogen werden und die Opfer der Straftaten können zivilrechtlich Schadenersatz verlangen und so weiter. Außerdem können Beamte ihre Stellung und Pensionen verlieren, Ärzte ihre Zulassung oder Hetzer gekündigt werden.

Menschlicher Abschaum - aktuelles Beispiel für eine Beleidigung

Das Bayerische Oberste Landesgericht. v. 03.02.2022, Aktenzeichen 204 StRR 20/22 die Äußerung, dass ein "Amtsrichter menschlicher Abschaum" sei als Beleidigung angesehen. Über die Frage, was denn nun zulässige Meinungsäußerungen seien, die nach Art. 5 des Grundgesetz geschützt sind und welche Formulierungen als Beleidigungen anzusehen sind, wird seit jeher gestritten. Jedenfalls sind Formal-Beleidigungen "Du bist ein Idiot!" strafbar, weil das genutzte Wort Idiot schon eine Beleidigung darstellt. Auch gilt das für Schmähungen, weil das Merkmal der Schmähung ist die das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Das Bundesverfassungsgericht definiert eine Beleidigung als Beleidigung, weil "der Begriff der Beleidigung jedenfalls durch die über hundertjährige und im wesentlichen einhellige Rechtsprechung einen hinreichend klaren Inhalt erlangt" hat (Beschluss vom 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 des Bundesverfassungsgerichts zu "Soldaten sind Mörder", Rdn. 116)

Tipps für Opfer von Hetze im Internet

Spätestens durch ein Strafverfahren erfährt das Opfer den Klarnamen des Täters und kann selber zivilrechtlich tätig werden. Das Opfer hat Anspruch auf Akteneinsicht, dann kann kostenpflichtig verlangt werden, dass der Täter für die Zukunft schädigenden Äußerungen unterlässt (kostenpflichtige Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen). Außerdem spricht die Justiz den Opfern Schadenersatz zu. Als Anspruchsgrundlage diente das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) als geschütztes Rechtsgut des § 823 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Der „Lockenwickler-Fall“

Ehrverletzungen bringen Schadenersatzansprüche in Geld. Klassisches Beispiel: An der Kasse wird die Ehefrau eines Kunden lauthals des Ladendiebstahls verdächtigt und vor anderen Kunden bloßgestellt. Der Vorwurf des Marktleiters war unrichtig. Das Landgericht Koblenz verurteilte den Marktleiter zu einem Schadenersatz von 500 € (damals 1.000 DM), Aktenzeichen – 6 S 212/86 -.

Der Fall "Caroline von Monaco"  - Ehre ist mehrere 100.000 € wert

In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts sorgte Caroline von Monaco für Aufsehen, weil sie gegen Bilder in Zeitschriften und / beziehungsweise gegen gefälschte Interviews klagte. Eine juristische Schlacht in Deutschland und Europa entbrannte. Eines der Ergebnisse war, dass der Schadenersatz höher wird, je mehr Personen die unzulässige Verletzung des Persönlichkeitsrechts zur Kenntnis nehmen könnten. Das ist klassischer Weise im Internet der Fall. Hinzukommen gegebenenfalls auch noch Verdienstausfälle und sonstige Schäden, die Opfer von Hetze im Internet gelten machen können. Aktionstage wie der am 22.03.2022 führen also im Nachgang zu einer Aufarbeitungswelle vor den Gerichten.

Ergebnis - Aktionstag gegen Hass

Trotz der Schlappe der Bundesregierung wegen einer Meldepflicht von Hass-Straftaten durch die großen Internetkonzerne wie Google oder Facebook ist die großflächige Strafverfolgung von Hass und Hetze im Internet angelaufen. Vor kurzem fand ein Aktionstag statt, der den Schwerpunkt auf dem neuen § 188 Strafgesetzbuch hat. Hier geht es um den Schutz von Personen, die im öffentlichen Leben stehen. Für den Täter bedeutet dieses nicht nur, dass meistens eine Geldstrafe herauskommt, sondern dass zusätzlich Schadenersatz an das Opfer gezahlt werden müssen.

Foto(s): https://pixabay.com/illustrations/web-design-user-interface-website-3411373/

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