Respektlos – Sitzenbleiben und Stehenbleiben im Gerichtssaal

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Jeder, der schon mal an einem Strafprozess teilgenommen hat, egal ob als Verfahrensbeteiligter oder als Zuschauer, weiß, dass man aufstehen muss, wenn der Einzelrichter oder die Kammer den Saal betritt. Damit zollt man dem Gericht Respekt und erkennt die Autorität der Justiz an. Der Richter verkörpert schließlich eine der drei Gewalten und soll ein Repräsentant der Rechtsordnung sein.

Diese Geste ist schon seit Jahrhunderten Tradition und wird in etlichen Ländern praktiziert.


Wer diese Höflichkeit verweigert, kann wegen ungebührlichen Verhaltens nach § 178 GVG – dem Gerichtsverfahrensgesetz – mit einem Ordnungsgeld bis zu 1.000 Euro oder sogar Ordnungshaft bis zu einer Woche belegt werden, nach vorheriger Androhung von diesen Ordnungsmitteln.


Ungebührliches Verhalten: Das Sitzenbleiben

"Ungebühr" ist natürlich ein dehnbarer Begriff, umfasst jedoch auch die Ehre und Würde des Gerichts, solange nicht lediglich gegen prozessuale Vorschriften verstoßen wird. Es gibt keine gesetzliche Vorschrift, die das Aufstehen für alle Verfahrensbeteiligten oder Zuschauer regelt, sondern nur eine Regelung in Nr. 124 Abs. 2 S. 2 RiStBV – der Richtlinie für Strafverfahren und Bußgeldverfahren – die zwar nur die Staatsanwaltschaft bindet, aber in vielen Teilen durch die Gerichte übernommen wurde.

Das Nichtaufstehen beim ersten Betreten des Sitzungssaals durch das Gericht wurde von beinahe allen Oberlandesgerichten in Deutschland als ungebührlich eingestuft.


Das Stehenbleiben

Es gibt jedoch auch Fälle, in denen sich der Angeklagte nicht hinsetzen will. So geschah es unter anderem vor dem Amtsgericht Kamenz in einer Verhandlung am 6. Juli 2022, in welcher über einen Einspruch gegen einen Strafbefehl wegen Körperverletzung verhandelt werden sollte.


Der Angeklagte wollte stehenbleiben, woraufhin zunächst der Staatsanwalt und dann auch der Richter ihn dazu aufforderten, sich hinzusetzen. Der Angeklagte erklärte, sich nicht hinsetzen zu wollen und weigerte sich auch nach mehrmaliger Aufforderung durch das Gericht, Platz zu nehmen. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft beantragte, den Einspruch gegen den Strafbefehl zu verwerfen, da der Angeklagte als nicht anwesend betrachtet wird und die Einspruchsverwerfung wurde auch ausgeurteilt.


Dagegen legte der Angeklagte Revision ein und bemängelte, dass weder der Staatsanwalt noch der Richter ihm eine gesetzliche Regelung genannt haben, nach welcher er sich setzen muss. Dies sei für ihn von erheblicher Bedeutung gewesen. Das Oberlandesgericht Dresden hob auf die Revision des Angeklagten das Urteil des Amtsgerichts Kamenz auf und verwies die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurück.


Das Oberlandesgericht entschied, dass der Angeklagte im Sinne der §§ 412, 329 StPO anwesend war. Er war weder zu Beginn noch während der Hauptverhandlung unentschuldigt abwesend und versetzte sich auch nicht vorsätzlich oder schuldhaft in einen die Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand.


Ein Ausbleiben setzt die physische Abwesenheit vom Verhandlungsort voraus, oder dass sich der Angeklagte nicht zu erkennen gibt und seine Identifizierung für das Gericht nicht ohne weiteres möglich ist, vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.04.2011, Az.: 1 Rv 34 Ss 173/22.


Nach Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft handelte der Angeklagte zwar ungebührlich im Sinne des § 178 Abs. 1 GVG, jedoch hätte das Rechtsmittel nicht verworfen werden dürfen.


Folglich kann bei dem Nichthinsetzen jedoch wie bei dem Nichtaufstehen ein Ordnungsgeld verhangen werden oder eine Ordnungshaft festgesetzt werden.


Fazit:  Das Stehenbleiben ist genauso respektlos wie das Sitzenbleiben.



[Detailinformationen: RAin Stefanie Kretschmer, Fachanwältin für Strafrecht, Telefon 0351 80718-90, kretschmer@dresdner-fachanwaelte.de] 


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