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rka-Klage: Rekordschadensersatz von 8.000,00 EUR für Computerspiel

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Die Kanzlei rka hat in einem Verfahren vor dem LG Stuttgart, AZ 24 O 179/15, v. 30. September 2015 gegen einen jungen Mann einen Rekordschadensersatz von 8.000,00 EUR wegen der Verbreitung eines Computerspiels zugesprochen bekommen.

Wie war der Verfahrensstand?

Gegenstand des Rechtsstreits war das Bereithalten eines Computerspiels in einer Tauschbörse (sog. Filesharing). Im Laufe des Rechtsstreits vor dem Amtsgericht hat der zunächst in Anspruch genommene Anschlussinhaber den Täter der Rechtsverletzung benannt. Dies hatte die Klageerweiterung zur Folge, als der Täter neben dem Anschlussinhaber vor dem Landgericht Stuttgart u.a. auf Schadensersatz verklagt wurde.

Gefahren der Täternennung!

Seit Jahren warnt die Kanzlei Dr. Wachs Rechtsanwälte davor, vorschnell Täter zu benennen, viele Abgemahnte und Beklagte glauben aber, insbesondere Minderjährige als Täter benennen zu können, weil sie von der Morpheus-Entscheidung des BGH gehört haben und dort eine Haftung des Familienvaters für ein belehrtes Kind verneint wurde. Leider wird immer wieder vergessen, dass danach das – auch minderjährige – Kind verklagt wird und für eine Exkulpierung des Familienvaters das Gericht von der Güte der ausreichenden Belehrung überzeugt werden muss. Beide Gefahren haben sich im Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart voll realisiert.

Was hat das LG Stuttgart genau zur Höhe des Schadensersatzes ausgeführt?

Das Gericht orientierte sich an Rechtsprechung, bei denen wegen einzelner Musikstücke das 400,00-fache des Verkaufspreises von 1,00 EUR, mithin 400,00 EUR, zugesprochen wurde und übertrug diese Überlegungen auf das hier streitgegenständliche Computerspiel. Das LG Stuttgart, AZ 24 O 179/15, v. 30. September 2015 führt aus:

„Setzt man das 400-fache des Preises von 20 Euro für einen legalen Download an, gelangt man zu dem zugesprochenen Schadensbetrag von 8.000 Für Filesharing-Fälle ist darauf abzustellen, wie häufig aufgrund der Beteiligung des Verletzers an der Tauschbörse von unbekannten Dritten auf die geschützten Titel zugegriffen worden ist (vgl OLG Köln, Urteil vom 23. März 2012 6 U 87/11, juris Rn. 40). Dabei ist in verschiedenen Gerichtsentscheidungen die Zahl von 400 illegalen Zugriffen zugrunde gelegt worden (vgl. OLG Köln, Urteil vom 23. März 2012 – 6 U 87/11, juris Rn. 41 1.; Beschluss vom 8. Mal 2013 6 W 256/12, juris Rn. 9; OLG Hamburg, Urteil vom 7. November 2013 – 5 U 222/10, juris Rn. 70 ff., jeweils für Musiktitel; siehe zu Musiktiteln auch die Pressemitteilung des BGH Nr. 92/2015 vom 11.6.2015, dort a.E., der die Multiplikation 400 X 0,50 € zugrunde liegen dürfte; die Gründe der betreffenden Entscheidung liegen noch nicht vor). Anzumerken ist noch, dass der Umstand, dass die Dateien mit Computerspielen umfangreicher sind als die von Musiktiteln, keine andere Beurteilung rechtfertigt Zwar könnte es so scheinen, dass deswegen im gleichen Zeitraum weniger Downloads erfolgen könnten. Dem haben die Tauschbörsenbetreiber aber dadurch Rechnung getragen, dass sie die Computerspiele in Einzelteile (‚chunks‘) zerlegen und der neue Nutzer solche Chunks zur Umgehung der asymetrischen Leitungsaufteilung mit geringerer Uploadbreite von mehreren früheren Nutzern erhalten, die wiederum als Gesamtschuldner insgesamt haften. Zudem Ist die virale Verbreitung zu berücksichtigen, nämlich dass derjenige, der die Chunks vorn Beklagten Ziff. 2 herunterlädt, diese gleich wieder selbst hochlädt und anbietet, so dass es nicht nur auf die Erstweitergabe ankommt. Der Vervielfältiger erscheint auch unter Berücksichtigung der Einzelheiten des Streitfalls (mindestens) angemessen, zumal der Beklagte zu 2 das Computerspiel über einen Zeitraum vom 9.10.2011 bis zum 19.11.2011 also fast sechs Wochen lang auf dem Computer gespeichert hatte und konkret feststellbar an nicht weniger als 72 Zeitpunkten an 24 Tagen über eine Tauschbörse zum Download bereitgehalten hat und zwar für mindestens 117 Stunden (09.10.2011: 12.06 - 20.23 Uhr; 11.10.2011: 18.02 - 21.58 Uhr; 12.10,2011 7.32 - 23.10 Uhr; 13.10.2011: 17.22 - 22.27 Uhr; 14.10.2011: 14.44 - 1.56 Uhr; 15.10.2011: 10.03 - 0.02 Uhr; 20.10.2011: 18.01 - 21.13 Uhr, 21.10.2011: 13.30 - 22.51 Uhr; 26.10.2011: 17.04 - 22.05 Uhr; 27.10.2011: 16.03 - 18.58 Uhr; 30./31.10.2011: 16.26 - 9.29 Uhr; 31.10.11: 15.44 - 23.13 Uhr; 9.11.2011: 18.11 - 18.20 Uhr; 16.11.2011: 18.11 - 21.34 Uhr und 18.11.2011; 11.09 - 15.48 Uhr). Letzteres ergibt sich daraus, dass der Anschluss des Beklagten Ziff. 1 teils mehrmals hinter einander mit der gleichen IP-Adresse festgestellt wurde, was mit mindestens überwiegender Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass es sich um eine Sitzung des Beklagten Ziff. 2 handelt, denn die Wahrscheinlichkeit, dass der Zugangsprovider zweimal hintereinander die gleiche Adresse aus seinem Pool vergibt, ist nahezu Null. Unter diesen Umständen gelangt man auch nicht zu anderen Ergebnissen, wenn man die Erwägungen des Amtsgerichts Düsseldorf im Urteil vom 3. Juni 2014 (57 C 3122/13, juris Rn. 16 ff.) zugrunde legt (siehe bereits den gerichtlichen Hinweis in der Sitzung vom 28.8,2015, BI. 281). Für eine Herabsetzung des im Wege der Lizenzanalogie ermittelten Schadensersatzbetrags aus Billigkeitsgründen sieht die Kammer keinen Raum (anders möglicherweise LG Hamburg, Urteil vom 12. Februar 2014 308 0 227/13, juris Rn. 36 mwN).“

Für weitergehende Kritik an diesen Überlegungen lesen Sie bitte www.dr-wachs.de/blog/2015/10/21/lg-stuttgart-filesharing-8-00000-eur-schadensersatz-fuer-computerspiel/.

Was bedeutet diese Entscheidung für weitere Filesharing-Klagen?

Auch wenn diese – wohl noch nicht rechtskräftige Entscheidung – mit der Berufung noch angegriffen werden kann, offenbaren sich weiterhin die nicht unerheblichen Gefahren einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Die Beklagten haben wohl insgesamt hier Kosten von fast 14.000,00 EUR zu tragen. Den Löwenanteil von deutlich über 13.000,00 EUR muss dabei der jugendliche Filesharer tragen, der Rest ist vom Anschlussinhaber zu tragen. Hüten Sie sich, ohne gute anwaltliche Beratung vorschnell ein Familienmitglied auch nicht außergerichtlich als Täter zu benennen und lassen Sie sich bereits nach Erhalt einer rka-Abmahnung, ganz sicher aber nach Erhalt einer rka-Klage, beraten. Gerne stehen Ihnen die Anwälte der Kanzlei Dr. Wachs helfend zur Seite.


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