Rücktrittsrecht bei „Montagsauto“

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Der Käufer eines mit Mängeln behafteten Neuwagens ist nur dann zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, wenn er dem Verkäufer eine angemessene Frist zur ordnungsgemäßen Nacherfüllung setzt. Das gilt auch für sogenannte „Montagsautos”. So hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in einem aktuellen Urteil (Urteil vom 23.3.2011, AZ: I-3 U 47/10) entschieden. Zugleich verweist das Gericht auf die schwierige Definition des Bergriffs „Montagsauto”.

Im vorliegenden Fall erklärte der Käufer (Kläger) eines Neuwagens der Marke Mercedes-Benz ein Jahr und zehn Monate nach Gefahrübergang gegenüber seinem Händler (Beklagter) den Rücktritt vom Kaufvertrag. Grund: An verschiedenen Fahrzeugteilen waren mehrere, immer wieder auftauchende Mängel aufgetreten. Mit dem Argument, bei dem Fahrzeug handle es sich um ein „Montagsauto", hielt es der Kläger nicht für erforderlich, dem Beklagten die Möglichkeit zur fristgerechten Nachbesserung einzuräumen.

Nach den §§ 437, 440, 323 und 326 BGB setzt das Rücktrittsrecht des Käufers das Vorhandensein eines Sachmangels bei Gefahrübergang voraus. Weiter muss dem Verkäufer Gelegenheit und Zeit gegeben werden, mangelfrei zu erfüllen. Der Käufer muss dem Verkäufer deshalb eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen (§ 439 BGB). Erst wenn dies nicht gelingt, kann er vom Kaufvertrag zurücktreten. Das Oberlandesgericht (OLG) verneinte das Recht des Käufers zum Rücktritt vom Kaufvertrag. Zum einen sei die nach § 439 BGB erforderliche Frist zur ordnungsgemäßen Nacherfüllung „unentbehrlich". Zum anderen erfülle das streitgegenständliche Fahrzeug die Voraussetzungen eines sogenannten „Montagsautos" nicht. Zur Bewertung der Fehlerhaftigkeit nämlich sei sowohl die Fehlerhäufigkeit als auch der Zeitraum, in dem die Fehler auftreten, zu berücksichtigen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lagen am Fahrzeug lediglich sechs Mängel vor, die im Übrigen erst rund drei bis vier Monate nach Übergabe des Fahrzeugs auftraten. Dies lasse keinen Schluss darauf zu, dass bei dem Fahrzeug eine ungenügende Verarbeitungsqualität vorliege. Ebenso wenig lasse sich darauf schließen, dass das Fahrzeug von derart schlechter Gesamtqualität sei, dass künftig über nennenswerte Zeiträume eine Mangelfreiheit nicht zu erreichen sei.

Auszüge aus der Urteilsbegründung

„...Im vorliegenden Fall war zu entscheiden, ob eine Fristsetzung entbehrlich war, weil es sich bei dem gekauften Fahrzeug um ein „Montagsauto" handelte. Dies ist zu verneinen. Mit dem Begriff „Montagsauto" sollen Fälle erfasst und einer sachgerechten Lösung zugeführt werden, in denen einem Käufer eine Nachbesserung von vornherein unzumutbar ist, weil das Auto als solches eine „Zumutung" für ihn darstellt. Allerdings kann diese Erkenntnis immer erst im Nachhinein, d.h. nach Eintritt eines bestimmten Geschehensablaufs gewonnen werden. Deshalb kommt es praktisch darauf an, ab welchem Erkenntnisstand, mithin aufgrund welcher Beurteilungsgrundlage, die Qualifizierung als „Montagsauto" gerechtfertigt ist.

Das ist zumindest bei einem Neuwagen (wie hier) dann der Fall, wenn das bisherige Geschehen die wertende und prognostische Elemente enthaltende Beurteilung zulässt, es handele sich um ein Fahrzeug, das wegen seiner auf Qualitätsmängeln - namentlich auf schlechter Verarbeitung - beruhenden Fehleranfälligkeit insgesamt mangelhaft ist und von dem zu erwarten steht, dass es den Zustand der Mangelfreiheit nie über längere Zeit erreichen werde. Eine so verstandene „Gesamt-Mangelhaftigkeit" ist zwar irreparabel, doch wird die hierdurch begründete Unmöglichkeit der Nachbesserung nach der Interessenlage durch den bereits aufgezeigten Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit überlagert.

Die vom Kläger aufgeführten sechs Mängel betreffen zwar unterschiedliche Bereiche des Fahrzeugs. Auch ist bei einer dem Kläger günstigen Betrachtung zu berücksichtigen, dass drei von ihnen (Armaturenbrett, Stoßdämpfer und wohl auch Luftfilter) bei Werkstattaufenthalten trotz entsprechender Rügen des Klägers nicht behoben wurden. Andererseits hat der Kläger selbst aufgezeigt, dass sich die frühesten der besagten Mängel erst rund drei Monate und knapp 4.500 Kilometer nach Übergabe zeigten. Angesichts dessen ging die Beurteilung des Gerichts dahin, dass sich bei Erklärung des Rücktritts aus den ohnehin in recht überschaubarer Zahl vorliegenden relevanten Mängeln im Hinblick auf die bis zu ihrem Auftreten verstrichene Zeit und die bis dahin schon zurückgelegten Kilometer insgesamt kein tragfähiger Schluss auf eine das gesamte Fahrzeug erfassende ungenügende Verarbeitungsqualität ziehen ließ. Noch weniger war die Prognose gerechtfertigt, dass eine schlechte Gesamtqualität künftig einen Zustand der Mangelfreiheit über nennenswerte Zeiträume als unwahrscheinlich erscheinen lässt ..."


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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