Russische Unterkapitalisierungsvorschriften geändert

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Im Februar 2016 sind wichtige Gesetzesänderungen zu den „Thin-Cap–Rules“ (Unterkapitalisierungsvorschriften) verabschiedet worden, die größtenteils am 1. Januar 2017 in Kraft treten. Zudem gibt es neue Rechtsprechung zum Thema.

Gesetzesänderungen

Die Gesetzesänderungen betreffen Art. 269 Ziff. 2 und Ziff. 4 des Steuergesetzbuches (SteuerGB). Die Unterkapitalisierungsvorschriften gelten nunmehr unter bestimmten Bedingungen auch für Darlehen von natürlichen Personen und ausländischen Schwestergesellschaften sowie Darlehen von anderen ausländischen verbundenen Gesellschaften. Außerdem wurde neu geregelt, wann derartige Rechtsgeschäfte als kontrollierbar gelten. Dies ist der Fall, wenn:

  • Darlehen von einer ausländischen Person (natürliche oder juristische) gewährt werden, die direkt oder indirekt mehr als 25% am Stammkapital des russischen Darlehensnehmers hält;
  • Darlehen von Personen gewährt werden, die mit dem genannten ausländischen Unternehmen verbunden sind, wobei die Definition von verbundenen Personen hier enger ist und nicht alle Tatbestände für Verbundenheit der Verrechnungspreisregelungen anzuwenden sind;
  • Darlehen gewährt werden, für die ein verbundenes Unternehmen Sicherheiten stellt.

Bisher wurden die Unterkapitalisierungsvorschriften bei der Kreditvergabe durch unabhängige Banken angewendet, wenn verbundene Unternehmen Sicherheiten für die Kreditvergabe an ein verbundenes Unternehmen stellten. Dies soll sich für das Jahr 2016 unter gewissen Voraussetzungen ändern. Unter gewissen Bedingungen gelten die Regeln auch nicht mehr für Darlehen, die durch in Russland steuerlich ansässige Unternehmen oder Personen gewährt wurden.

Das allgemeine Verhältnis Debt-to-Equity von mehr als 3 zu 1 und mehr als 12,5 zu 1 für Banken und Leasingunternehmen bleibt unverändert. Klargestellt wurde aber, welche Unternehmen als Leasingunternehmen gelten. Als solche gelten nur solche Unternehmen, bei denen die steuerbaren Erträge aus der Leasingtätigkeit mindestens 90% der steuerbaren Gesamterträge ausmachen.

Die Berechnungen zur Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung der Thin-Cap-Rules werden wie bisher am Ende der jeweiligen Berichtsperiode vorgenommen, wobei nunmehr ein gesetzliches Verbot zur Umrechnung in den Folgeperioden festgelegt wurde. Ebenso wurde festgelegt, dass zu Berechnungszwecken die Gesamtsumme aller Verbindlichkeiten gegenüber der jeweiligen Person zu berücksichtigen ist.

Aktuelle Gerichtspraxis

Die russischen Gerichte haben sich im Rahmen der Thin-Cap-Rules hauptsächlich mit drei strittigen Themenkreisen befasst. Die erste Fallgruppe bezog sich auf die Anwendung der Thin-Cap-Rules in Fällen, wo Doppelbesteuerungsabkommen andere Regelungen vorsehen (z.B. den unbegrenzten Abzug von Zinsen gemäß dem deutsch-russischen Doppelbesteuerungsabkommen). Wurde anfänglich meist zugunsten der Steuerzahler entschieden, wird nunmehr in der Regel zugunsten der Steuerbehörden entschieden.

Die zweite Fallgruppe bezieht sich auf die Frage, ob eine „kontrollierbare Verschuldung“ gemäß Art. 269 Ziff. 2 SteuerGB vorliegt. Die am häufigsten strittige Frage war hier, ob die Thin-Cap-Rules auch auf ausländische Schwestergesellschaften anzuwenden sind, was sich nicht direkt aus dem Gesetz ergab, sowie auf andere verbundene Unternehmen, die weder direkt oder indirekt am Stammkapital des russischen Darlehensnehmers beteiligt sind. Die Gerichte entschieden hier meist zugunsten der Steuerbehörden, obwohl eine klare gesetzliche Regelung fehlte. In der Verordnung des Obersten Gerichts der Russischen Föderation in Sachen „Atschimgas“ Nr. А40-41135/2014 vom 17. Juli 2015 argumentierte das Gericht, dass die Thin-Cap-Rules auch auf Darlehen einer ausländischen Schwestergesellschaft anzuwenden seien, da zwischen den Schwestergesellschaften eine indirekte Verbundenheit vorläge, weil beide durch eine „einheitliche Zentrale“ verwaltet würden.

Darüber hinaus würde die Schwestergesellschaft lediglich als Vehikel genutzt, um die Anwendung der Unterkapitalisierungsvorschriften zu umgehen. Eine ähnliche Meinung vertrat auch das Neunte Berufungsgericht der Stadt Moskau in seiner Verordnung in Sachen „Inchkape“ Nr. А40-25939/15 vom 3. Dezember 2015, das darauf hinwies, dass nach dem OECD-Musterabkommen die Thin-Cap-Rules auch auf Darlehen zwischen Schwestergesellschaften anzuwenden sind.

Die dritte Fallgruppe betrifft die Umqualifizierung von Zinsen in Dividenden (Art. 269 Ziff. 4 SteuerGB) bei der Auszahlung von Zinsen an einen ausländischen Darlehensgeber, sowie Fälle, wo Darlehensgeber und Darlehensnehmer russische Unternehmen sind, und der Darlehensgeber mit einem ausländischen Unternehmen verbunden ist, das wiederum direkt oder indirekt Anteile am Stammkapital des Darlehensnehmers hält. Das Oberste Gericht der Russischen Föderation hat hierzu mit Verordnung in Sachen OOO „Nowaya tabatschnaya kompaniya“ Nr. А40-87775/2014 vom 18. März 2016 zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden und damit die Urteile der Vorinstanzen, die zugunsten der Steuerbehörden ausfielen, abgeändert. Das Gericht war der Meinung, dass die Unterkapitalisierungsvorschriften auf Dividenden in diesen Fällen nicht anwendbar sind. Die Thin-Cap-Rules betrachteten überschüssige Darlehenszinsen als Dividende, die an ein ausländisches Unternehmen ausgezahlt würden, so das Gericht.

Dabei verpflichte das SteuerGB russische Unternehmen, die eine Dividende an eine ausländische Gesellschaft auszahlen, die Dividendensteuer am Tag der tatsächlichen Auszahlung an die ausländische Gesellschaft einzubehalten, die aber nicht stattgefunden habe. Diese Unklarheit hat das Gericht zugunsten des Steuerpflichtigen ausgelegt. Darüber hinaus hat das Gericht darauf hingewiesen, dass es andernfalls zu einer Doppelbesteuerung ausgezahlter Zinsen kommen könnte: als Ertrag der ausländischen Gesellschaft und der russischen Darlehensgeberin. Auch das Arbitragegericht des Moskauer Bezirks ist in seiner Verordnung in Sachen „Hyundai Motors GUS“ Nr. А40-50654/2013 vom 20. Januar 2016 zum Schluss gekommen, dass Zinsen nicht besteuert werden sollen, wenn das Darlehen durch ein verbundenes Unternehmen besichert wird. Damit wurde eine lange umstrittene Frage zugunsten des Steuerpflichtigen geklärt, die zuvor meist zuungunsten der Steuerbehörden entschieden worden war.


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