Schadenersatz und punitive damages in der US-Rechtsprechung – Versicherer am Pranger!

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Punitive damages in den USA

Die punitive damages haben eine ganze Reihe von Funktionen, von denen sich in Literatur und Rechtsprechung folgende unterscheidbare herausgebildet haben: die Abschreckung und Bestrafung des Beklagten, die Abschreckung Dritter, die Erhaltung des Friedens, der Anreiz zu privater Rechtsdurchsetzung, die Entschädigung des Opfers für anderweitig nicht ersetzbare Schäden und Deckung der Anwaltskosten des Klägers, schließlich die Genugtuung, Rache und Abschöpfung unrechtmäßigen Profits des Schädigers. Diese Funktionen stehen nicht auf gleicher Ebene und sind heutzutage auch nicht mehr zeitgemäß und daher kritikbehaftet. Rache kann in modernen Rechtsstaaten nicht mehr ernsthaft als Funktion in Betracht kommen. Dieses Motiv kann daher nur als Zugeständnis an die historische Verwurzelung der punitive damages herangezogen werden. Auch der Rechtsfrieden ist zu pauschal. Die Abschöpfung unrechtmäßigen Profits des Schädigers sagt nichts über den Sinn und Zweck einer solchen Abschöpfung aus. Verdichtet man die sodann verbleibenden Funktionen, so bleiben die strafrechtliche und die kompensatorische Funktionshypothese übrig.

Abschreckung und Bestrafung

In erster Linie sollen punitive damages als Abschreckung und Bestrafung für den Schädiger dienen. Die Abschreckung soll dabei so ausgestaltet sein, dass der Schädiger, der seinem Opfer in außerordentlicher Weise einen Schaden zugefügt hat, von einer potentiellen neuen Tat abgehalten wird. Zudem sollen mögliche Nachahmer von der erstmaligen Begehung einer solchen Tat ebenso abgehalten werden. Während die Abschreckung Spezial- und Generalpräventionen umfasst, ist die Bestrafung vielmehr auf die Vergeltung eines einzelnen ausgerichtet.

Damit ziehen die punitive damages mit ihrem strafrechtlichen Charakter in das Zivilrecht ein. Es werden strafrechtliche Termini verwendet, wie etwa „criminal indifference to civil obligations“ [1], „somewhat of a criminal or wanton nature“ [2] oder „lawless“ [3]. Der Beklagte wird in diesem Kontext oftmals mit „Rechtsbrecher“ und der Kläger als „Opfer“ bezeichnet [4].

Diese funktionale Nähe der punitive damages zum Strafrecht ist insbesondere deshalb plausibel, weil das amerikanische Strafrecht in der Rechtsdurchsetzung an erheblichen Defiziten leidet. Diese werden gerade in den punitive-damages-Entscheidungen angeprangert. Der im amerikanischen Rechtssystem eingesetzten Jury wird zugestanden, die Höhe der punitive damages festzusetzen und sich dabei an vergleichbaren Straftatbeständen als Maßstab zu orientieren [5]. Damit bildet das Institut ein Korrektiv zu den materiellen Schwächen des Strafrechts. Dieses Defizit beginnt bereits mit einer sehr starren Strafhöhengestaltung. So waren bis vor einiger Zeit Tagessätze und ähnliche Einrichtungen noch gänzlich unbekannt. Mit der Einrichtung der punitive damages konnten diese Defizite zivilrechtlich ausgeglichen werden.

Dieses verdeutlicht folgender Fall aus Mississippi [6]: Die verklagte Unfallversicherung weigerte sich, die berechtigte Regulierung eines Schadens von 20.000,- US Dollar vorzunehmen. Zwar erfüllte dies den Tatbestand des Betrugs im Staate Mississippi, allerdings sah die Straftatverwirklichung nur eine Höchststrafe von 1.000,- US Dollar vor. Angesichts der Lukrativität einer routinemäßigen Zurückweisung von Regulierungsforderungen der Versicherten hatte die Strafandrohung die Versicherung nicht von seinem Verhaltensmuster abzubringen vermocht. Neben actual damages in Höhe von 20.000,- US Dollar wurden punitive damages von 1,6 Millionen US-Dollar zugesprochen, was 0,5 % des Eigenkapitals der Versicherungsgesellschaft entsprach.

[1] vgl. Gombos v. Ashe, 158 Cal.App. 2d 517, 322 P.2d 933 (1958); Cook v. Hecks, Inc., 342 S.E. 2d 453, 461 (W.Va. 1986)

[2] vgl. Ogle v. Craig, 464 S.W.2d 95,97 (Tex. 1971)

[3] vgl. Day v. Woodworth, 54 U.S. 363, 371 (1854); Pacific Mut. Life Ins. Co. V. Haslip, 111 S. Ct. 1032, 1042 (1991)

[4] vgl. Reid v. Terwilliger, 22 N.E. 1091 (N.Y. 1889): „wrong-doer“; Donsellar v. Donsellar (1982) 1 N.Z.L.R. 97 (C.A.): „victim“.

[5] vgl. Afro-American Publishing Co. V. Jaffe, 366 F.2d 649, 663 (1966)

[6] Bankers Life & Casualty Co. V. Crenshaw, 108 S.Ct. 1645 (1988)



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