Schadensersatz wegen Verstoß gegen das AGG und das „Recht zur Lüge" beim Einstellungsgespräch

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Liebe Leserinnen und Leser,

nach Einführung des AGG im Jahr 2006 sind bis heute eine Reihe von Entscheidungen durch die Arbeitsgerichte ergangen, in deren Rahmen die Frage zu beurteilen war, ob einem Arbeitnehmer bei behauptetem Verstoß gegen das AGG durch den Arbeitgeber ein Schadenersatzanspruch nach § 15 AGG zustehen kann. Ferner, ob und inwiefern ein/e Bewerber/in bei der Einstellung Fragen des Arbeitgebers unwahr beantworten darf. Ziel des Gesetzes ist es gemäß § 1 AGG, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Würde man an dieser Stelle auf alle genannten Merkmale eingehen, so würde dies den Rahmen des vorliegenden Beitrags sprengen, sodass hier zwei in der Praxis immer wieder auftauchende Probleme bzw. Fragestellungen besprochen werden sollen.

Zunächst die Situation bei der Veröffentlichung von Stellenanzeigen, wobei es gleichgültig ist, ob diese per elektronischem Medium oder per Printmedium vom Arbeitgeber aufgegeben werden. Hier ist - obgleich dies auch vor Inkrafttretens des AGG schon relevant war - dennoch immer wieder festzustellen, dass der Arbeitgeber die Stellenanzeige nicht geschlechtsneutral formuliert und veröffentlicht. Hier ist stets darauf zu achten - zumal es im aktuellen Jahrhundert wohl nur noch sehr selten vorkommt, dass ein bestimmter Beruf bzw. eine bestimmte Tätigkeit de facto nur von einem Mann, respektive nur von einer Frau ausgeübt wird -, dass die Anzeige auch tatsächlich ausdrücklich deutlich macht, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin für die zu besetzende Stelle sucht. Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass man die Stellenanzeige wie folgt formuliert: „KfZ-Mechatroniker/in" oder „KfZ-Mechatroniker m/w".

Macht der Arbeitgeber das nicht, so läuft er Gefahr, dass ein Bewerber bzw. eine Bewerberin, der/die keine oder eine negative, nicht näher begründete Antwort auf die Bewerbung erhält, einen Schadensersatzanspruch mit guten Aussichten auf Erfolg geltend machen und ggf. auch gerichtlich durchsetzen kann. Alleine die Tatsache, dass entweder keine Reaktion, eine Ablehnung oder eine unzureichend begründete Ablehnung erfolgte, begründet die - für den Arbeitgeber dann zu widerlegende - Vermutung eines Verstoßes gegen das AGG. Ob dem Arbeitgeber allerdings der Entlastungsbeweis gelingt, ist oft sehr fraglich. Gelingt ihm das nicht, dann kann der/die nicht berücksichtigte bzw. abgelehnte Bewerber/in vom Arbeitgeber eine angemessene Entschädigung wegen einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung verlangen und durchsetzen. Das Gesetz sieht hierbei in § 15 Absatz 2 AGG einen Betrag bis zu drei Monatsgehälter vor, die der Arbeitnehmer hier (nach den orts- und branchenüblichen Sätzen) zu erhalten hätte. Dieser Höchstsatz gilt indes nur bei einer Einstellungsdiskriminierung, somit, wenn der/die Bewerber/in auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. In der gerichtlichen Praxis wird indes zumeist dennoch auch in den übrigen Fällen ein Monatsgehalt als Entschädigungsbetrag zugesprochen.

Der zweite Fall, der hier kurz angesprochen werden soll, ist die immer wiederkehrende Frage, ob denn der Arbeitgeber den/die Bewerber/in nach einer bei diesem/dieser etwa vorhandenen Schwerbehinderung fragen - und der/die Bewerber/in ggf. auf diese Frage die Unwahrheit sagen - darf. Wäre die Frage vor dem Hintergrund des Benachteiligungsverbots gemäß AGG unzulässig, so dürfte der/die Bewerber/in grundsätzlich ohne nachteilige Folgen auch die Unwahrheit sagen. Eine Ausnahme könnte hier wohl nur dann anzunehmen sein, wenn die Schwerbehinderung ursächlich dafür ist, dass es dem Bewerber/in tatsächlich unmöglich ist, die Tätigkeit auch wirklich ausüben zu können, ohne dabei sich und/oder andere zu gefährden (Bsp. Bewerber/in für eine Tätigkeit als Kraftfahrer/in leugnet die Behinderung wegen stark eingeschränkter Sehkraft). Tatsächlich sieht das Bundesarbeitsgericht gemäß seiner Entscheidung im Juli 2011 so, dass die tätigkeitsneutrale (somit ohne einen Zusammenhang mit der vorgesehenen Tätigkeit) Frage des Arbeitgebers nach einer Schwerbehinderung bei den Einstellungsgesprächen grundsätzlich unzulässig ist. Eine solche Frage darf der/die Bewerber/in daher unwahr beantworten.

Rechtsanwalt Arnd Burger

Fachanwalt für Arbeitsrecht


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