Scheidung bei Hartz IV – wie kann meine Scheidung kostenlos durchgeführt werden?

  • 6 Minuten Lesezeit

Sie beziehen Bürgergeld, wollen sich scheiden lassen und haben kein Geld? Kein Grund, Ihre Scheidung aufzuschieben. Auch wenn Sie Bürgergeld (früher = Hartz IV) beziehen, gibt es Wege, dass Sie Ihr Scheidungsverfahren so gestalten, dass es nicht nur kostengünstig, sondern bestenfalls auch kostenlos für Sie durchgeführt werden kann.

Wie geht eine Scheidung bei Bürgergeld (Hartz IV)?

Beziehen Sie Bürgergeld (bis 31.12.2022 = Hartz IV = Arbeitslosengeld II), sind Sie zwar erwerbsfähig und stehen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, sind aber wegen der Gefährdung Ihres Existenzminimums finanziell bedürftig. Damit beziehen Sie in der Regel 502 EUR Unterstützung (Regelsatz). Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden zusätzlich erstattet. Sind Sie nicht mehr erwerbsfähig, erhalten Sie die Grundsicherung im Alter. Diese Leistungen sind im Regelfall Ausgangspunkt dafür, dass Sie im Fall Ihrer Scheidung staatliche Unterstützung beanspruchen können. Dafür stehen Ihnen verschiedene Wege zur Verfügung.

Anwaltliche Erstberatung

Stehen Sie am Anfang Ihrer Entscheidungsfindung, brauchen Sie eine gewisse Orientierung. Dafür können Sie eine anwaltliche Erstberatung in Anspruch nehmen. Gehen Sie zu Ihrem örtlichen Amtsgericht. Dort beantragen Sie einen Beratungshilfeschein. Um diesen Schein zu erhalten, müssen Sie Ihren Bürgergeld-Bewilligungsbescheid vorlegen. Mit diesem Schein suchen Sie einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl auf. Sie brauchen keinen bestimmten Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen. Achten Sie aber darauf, dass der Anwalt möglichst Erfahrungen im Familienrecht und in Scheidungssachen hat. Bestenfalls informieren Sie sich vorab über seine Website oder lassen sich über einen Scheidungsservice an einen in Scheidungsverfahren kompetenten und erfahrenen Rechtsanwalt vermitteln. Beim Anwalt zahlen Sie lediglich einen geringen Eigenanteil von 15 EUR in bar. Die Beratungsgebühr im Übrigen rechnet der Anwalt über den Beratungshilfeschein direkt mit der Gerichtskasse ab. Ansonsten bleibt die Erstberatung beim Anwalt für Sie gebührenfrei und damit weitgehend kostenlos. Nach der Beratung wissen Sie, wo Sie stehen und wie Sie Ihre Scheidung angehen sollten.

Rechtsschutzversicherung

Sollten Sie eine Rechtsschutzversicherung besitzen oder sind Sie über die Rechtsschutzversicherungspolice Ihres Ehepartners familienversichert, haben Sie Anspruch auf eine anwaltliche Erstberatung in familienrechtlichen Angelegenheiten. Der Rechtsschutzversicherer übernimmt die Gebühren für eine anwaltliche Erstberatung. Beachten Sie aber, dass für Ihr Scheidungsverfahren selbst kein Versicherungsschutz besteht. Sofern Sie rechtsschutzversichert sind und die anwaltliche Erstberatung über Ihre Rechtsschutzversicherung abrechnen können, haben Sie keinen Anspruch auf einen Beratungshilfeschein. Auf der Rechtsantragstelle beim Amtsgericht müssen Sie die Frage, ob Sie rechtsschutzversichert sind, unbedingt wahrheitsgemäß beantworten.

Verfahrenskostenhilfe für Ihr Scheidungsverfahren

Soweit Sie Bürgergeld beziehen, haben Sie in aller Regel Anspruch auf staatliche Verfahrenskostenhilfe (VKH). Im Idealfall zahlen Sie dann keinerlei Gebühren und Ihre Scheidung ist tatsächlich kostenlos. Wird Ihnen Verfahrenskostenhilfe bewilligt, übernimmt der Staat die Gebühren für Ihren Rechtsanwalt. Die Gerichtskasse berechnet selbst keine Gebühren für Ihr Scheidungsverfahren. Verfahrenskostenhilfe ist übrigens das gleiche wie Prozesskostenhilfe, nur mit dem Unterschied, dass Ihre Scheidung nicht als Prozess, sondern als Verfahren zu verstehen ist.

Was ist, wenn ich arbeitslos bin oder nur geringfügig arbeite?

Beziehen Sie keine Bürgergeld und sind erwerbslos oder nur geringfügig beschäftigt, haben Sie im Regelfall wegen Ihres geringen Verdienstes gleichfalls Anspruch auf staatliche Verfahrenskostenhilfe.

Was ist, wenn ich Bargeld besitze oder eine eigene Immobilie bewohne?

Soweit Sie bis 40.000 EUR Bargeld besitzen, zählt der Betrag als Schonvermögen und beeinträchtigt nicht Ihren Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe. Leben Sie mit Angehörigen zusammen und bilden eine Bedarfsgemeinschaft, steht jedem Mitglied einen Freibetrag von zusätzlichen 15.000 € zu. Auch wenn Sie in einer selbstgenutzten angemessen großen Immobilie wohnen, haben Sie keine Nachteile. Verbindlichkeiten, die Sie in Teilbeträgen an Gläubiger zurückzahlen, mindern Ihr Einkommen zusätzlich.

Wo kann ich Details nachlesen?

Details, die die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Verfahrenskostenhilfe bestimmen, lesen Sie im „Hinweisblatt zum Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe“ nach.

Wie beantrage ich Verfahrenskostenhilfe?

Möchten Sie Verfahrenskostenhilfe beantragen, müssen Sie das dafür amtlich vorgesehene Formular „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe“ mit Ihren Personenstandsdaten ausfüllen und persönlich unterschreiben. Zum Nachweis Ihrer Einkommensverhältnisse müssen Sie den Bewilligungsbescheid über Ihren Bürgergeld-Bezug oder sonstige Sozialleistungen beifügen. Idealerweise bitten Sie Ihren Rechtsanwalt, für Sie diese Verfahrenskostenhilfe zu beantragen.

Was ist, wenn Verfahrenskostenhilfe abgelehnt wird?

Der Anwalt wird im Regelfall den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zusammen mit Ihrem Scheidungsantrag bei Gericht einreichen. Das Gericht wird vorab über Ihren Antrag auf Verfahrenskostenhilfe entscheiden und erst bei einer positiven Entscheidung Ihren Scheidungsantrag bearbeiten. Sollte Ihr Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wider Erwarten vom Gericht abgelehnt werden, entstehen Ihnen keine Kosten, da Ihr Scheidungsverfahren nicht durchgeführt wird. Sie erhalten keine Verfahrenskostenhilfe, wenn Ihr Scheidungsantrag mutwillig und aussichtslos erscheint. Dies ist meist dann der Fall, wenn Sie offensichtlich das Trennungsjahr noch nicht vollzogen haben. Leben Sie jedoch nachweislich mehr als ein Jahr getrennt, besteht diese Hürde nicht mehr. Ihr Anwalt kann Sie beraten, wenn Sie Schwierigkeiten haben, das betreffende Formular richtig auszufüllen.

Was ist VKH mit und ohne Ratenzahlung?

Wird Ihnen Verfahrenskostenhilfe bewilligt, erfolgt die Bewilligung mit oder ohne Ratenzahlung. Beziehen Sie Bürgergeld, erfolgt die Bewilligung regelmäßig ohne Ratenzahlung. Das bedeutet, dass Sie keinerlei Gebühren zahlen müssen. Die Gerichtskasse berechnet selbst keine Gebühren. Die Gebühren für Ihren Rechtsanwalt übernimmt die Gerichtskasse. In diesem Fall ist und bleibt Ihre Scheidung tatsächlich kostenlos und kostet Sie nichts. Beachten Sie jedoch, dass Sie verpflichtet sind, jede über 100 EUR hinausgehende Einkommensverbesserung umgehend der Gerichtskasse mitzuteilen. Dies ist dann der Fall, wenn Sie Arbeit annehmen und eigenes Geld verdienen.

Was ist, wenn auch mein Ehepartner Verfahrenskostenhilfe beantragen will?

Soweit auch Ihr Ehepartner Bürgergeld bezieht, wird nur berücksichtigt, welche Einnahmen Sie beziehen. Ihre Einkommen werden nicht etwa zusammengerechnet. Möchte Ihr Ehepartner sich im Scheidungsverfahren durch einen eigenen Rechtsanwalt vertreten lassen, kann er seinerseits Verfahrenskostenhilfe beantragen.

Scheidungen gehen auch günstig

Ungeachtet dessen, dass Sie aufgrund des Bezugs von Bürgergeld voraussichtlich Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe haben, sollten Sie dennoch darauf bedacht sein, Ihre Scheidung möglichst kostengünstig zu bewerkstelligen. Achten Sie darauf, Kosten zu vermeiden, nur weil Sie unnötigerweise über irgendwelche Scheidungsfolgen vor Gericht streitig verhandeln wollen und eine einvernehmliche Scheidung damit verhindern.

Berücksichtigen Sie, dass Sie in dem Zeitpunkt, zu dem Sie Verfahrenskostenhilfe beantragen, noch nicht sicher wissen, ob Sie überhaupt Verfahrenskostenhilfe erhalten und falls Ihnen Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird, diese möglicherweise ratenweise an die Gerichtskasse erstatten müssen. Um dieses Risiko zu verringern oder bestenfalls auszuschließen, sollten Sie von vornherein auf eine einvernehmliche Scheidung hinarbeiten. Im ungünstigsten Fall würden Sie dann allenfalls die bei Gerichtskasse und Anwalt anfallenden Gebühren für Ihr Scheidungsverfahren und den von Amts wegen durchzuführenden Versorgungsausgleich aus eigener Tasche bezahlen müssen.

Wenn es immer wieder heißt, Scheidungen verursachen finanzielle Katastrophen, bestehen die Ursachen meist darin, dass die Scheidung streitig abgewickelt wird. Eine streitige Scheidung provoziert nicht nur hohe Gebühren für die Gerichtskasse. Vielmehr muss jeder Ehepartner durch einen eigenen Rechtsanwalt vertreten sein, den er normalerweise auch selbst bezahlen muss. Bedenken Sie, dass Ihnen Verfahrenskostenhilfe möglicherweise nur gegen Ratenzahlung bewilligt wird. Dann tritt die Gerichtskasse wegen der Scheidungsgebühren zwar in Vorlage, verlangt die verauslagten Kosten aber ratenweise von Ihnen zurück.

Der beste Ansatz, um Ihre Scheidung kostengünstig durchzuführen, besteht also darin, dass Sie sich möglichst auf eine einvernehmliche Scheidung einstellen. Tun Sie also alles, um sich im Einvernehmen mit Ihrem Ehepartner scheiden zu lassen und unterlassen Sie alles, was eine streitige Scheidung provoziert. Eventuelle Scheidungsfolgen regeln Sie möglichst außergerichtlich in einer notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung oder lassen diese gerichtlich im Scheidungstermin vom Richter protokollieren. Um die Voraussetzungen für dieses Ziel zu schaffen, sollten Sie frühzeitig entsprechende Hilfen in Anspruch nehmen. Nur so haben Sie beste Chancen, Einfluss auf den Verfahrensablauf zu nehmen und die Weichen so zu stellen, dass Sie nicht nur kostengünstig, sondern möglichst auch kostenlos geschieden werden.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Oliver Worms

Beiträge zum Thema