Seit 17.08.2015 wird europäisch gestorben!

  • 3 Minuten Lesezeit

Seit dem 17.08.2015 findet die Europäische Erbrechtsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 650/2012) auf Erbfälle von Personen Anwendung, die an diesem Tag oder danach verstorben sind. Diese Verordnung gilt dabei in allen EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark. Abweichende internationale Abkommen mit Staaten außerhalb der EU bleiben jedoch weiterhin vorrangig. dies gilt für Deutschland z. B. für Abkommen mit dem Iran, Russland oder der Türkei.

Bisher war nach deutschem Recht auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates anzuwenden, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes besaß. War der Erblasser z. B. Deutscher, so war auch deutsches Erbrecht anzuwenden.

Nach der EU-Verordnung wird auf die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen nunmehr das Recht des Staates angewendet, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ist der Erblasser z. B. Deutscher, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Mallorca hatte, so ist nach der EU-Verordnung nun spanisches Erbrecht anzuwenden. Dieses weicht aber z. B. beim Ehegatten nachteilig vom deutschen Erbrecht ab: Der Ehegatte erhält zwar nach spanischem Recht eine Art Nießbrauch am Nachlass, er wird aber nur dann gesetzlicher Erbe, wenn weder Kinder noch Eltern oder Großeltern des Erblassers vorhanden sind.

Das nach der EU-Verordnung berufene Erbrecht ist auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines EU-Mitgliedsstaates ist. Auch dies kann zu ungewollten Ergebnissen führen. Hat z. B. ein deutscher Erblasser ein Testament errichtet, mit dem er seiner Kinder von der Erbfolge ausschließt, so erhalten diese nach deutschem Erbrecht zumindest den Pflichtteil, also einen Zahlungsanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Hatte der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt aber in einem Land, das kein Pflichtteilsrecht kennt (z. B. diverse Bundesstaaten der USA), so kann das Testament eine vollständige Enterbung des Kindes herbeiführen oder eine Nachlassbeteiligung bewirken, die geringer als der deutsche Pflichtteil ist.

Eine Definition des gewöhnlichen Aufenthalts enthält die EU-Verordnung nicht. Mit einem vorübergehenden oder gelegentlichen Aufenthalt in einem anderen Land (z. B. Urlaubsreise) kann man diesen jedenfalls nicht begründen. Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts wird vielmehr – neben anderen Faktoren – darauf abzustellen sein, wo der soziale und familiäre Lebensmittelpunkt des Erblassers lag.

Um den eventuellen Schwierigkeiten vorzubeugen, die sich aus dem Erbrecht des gewöhnlichen Aufenthalts ergeben können, sieht die EU-Verordnung den Ausweg der Rechtswahl vor. Für den Erbfall kann man nämlich bestimmen, dass das Erbrecht des Landes der eigenen Staatsangehörigkeit angewendet werden soll. Dies muss jedoch in Form einer Verfügung von Todes wegen geschehen (z. B. im Testament oder Erbvertrag).

Auch die internationale Zuständigkeit des für den Erbfall berufenen Gerichts bestimmt sich nach der EU-Verordnung nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Die Rechtswahl ermöglicht es dem Gericht jedoch, die Nachlasssache auf Antrag eines Beteiligten an das zuständige Gericht des Landes zu verweisen, dessen Recht gewählt wurde.

Mit der EU-Verordnung wurde auch – ähnlich dem deutschen Erbschein – ein Europäisches Nachlasszeugnis eingeführt. Dieses kann nicht nur in Deutschland, sondern in allen EU-Staaten (bis auf die eingangs erwähnten) als Legitimationsnachweis verwendet werden.

Die Europäische Erbrechtsverordnung ist sehr komplex und enthält eine Vielzahl von Neuerungen und Details, die hier nicht dargestellt werden können. Bei Unsicherheiten kann es empfehlenswert sein, sich beraten zu lassen.

Sebastian Köditz

Rechtsanwalt

Heinz Rechtsanwälte


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Beiträge zum Thema