Sexueller Missbrauch: Was ist eine „sexuelle Handlung“?

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Innerhalb der Sexualdelikte spielt der Begriff der "sexuellen Handlung" eine zentrale Rolle, da er in nahezu jeder Vorschrift aus diesem Deliktsbereich enthalten ist. Egal, ob es um sexuellen Missbrauch von Kindern (vergleiche auch meinen Artikel hierzu: sexueller Missbrauch: mögliche Ursachen einer Falschbezichtigung), sexuellen Missbrauch von Jugendlichen, Schutzbefohlenen, Gefangenen, Widerstandsunfähigen oder den sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung geht. Alle Tatbestände haben ein gemeinsames Merkmal: erforderlich ist eine sogenannte sexuellen Handlung des Täters am Opfer.

Der Begriff der sexuellen Handlung wird selbst im Gesetz definiert, jedoch ist die Definition so unverständlich, dass man auch - ohne dem Gesetzgeber zu nahe treten zu wollen - sicherlich auch auf sie hätte verzichten können. Denn in § 184g Nr. 1 StGB wird eine sexuelle Handlung beschrieben als "eine Handlung, die im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut von ein einiger Erheblichkeit ist". Aha, schlauer ist man als Laie nun auch nicht wirklich...

Daher die nachstehende Erläuterung:

Eine Handlung ist immer dann als sexuell zu bewerten, wenn sie nach dem äußeren Erscheinungsbild eine Beziehung zum Geschlechtlichen aufweist. Das ist also immer dann gegeben, wenn schon ein objektiver Beobachter sagen würde, dass die Handlungen in irgendeiner Art und Weise unanständig sind. Unerheblich ist aber die innere Motivation des Täters, da die Sexualbezogenheit alleine nach dem äußeren Erscheinungsbild bestimmt wird.

Das bedeutet aber auch: da es auf die innere Motivation nicht ankommt, bleibt eine Handlung auch dann eine strafbare "sexuelle Handlung" im Sinne des Gesetzes, wenn sie aus Scherz, Aberglaube oder Neugier oder auch zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder sexualpädagogischen Zwecken vorgenommen wird. Hier kann die Handlung dann aber gegebenenfalls durch das Einverständnis der betroffenen Person gerechtfertigt sein.

Zur Veranschaulichung einige Fallbeispiele:

Eine sexuelle Handlung an einem/einer anderen ist zunächst immer das Berühren der Geschlechtsteile und/oder der unmittelbaren Umgebung. Hierfür ist es unerheblich, ob dies schnell oder langsam und hartnäckig geschieht. Ebenso unerheblich ist, ob die Berührung ober- oder unterhalb der Kleidung stattfindet. Egal ist weiterhin, welches Körperteil der Berührende einsetzt (Hand, Fuß, Knie) oder ob die Berührung sogar mit einem Gegenstand erfolgt (Stock, Handschuh). Ebenso unerheblich ist - was vielen nicht bekannt ist -, ob die betroffene Person den Vorgang wahrnimmt oder nicht (etwa wegen Schlaf, Bewusstlosigkeit oder da es sich um ein Kleinkind handelt).

Ein Zungenkuss hat immer eine Beziehung zum geschlechtlichen und ist somit eine - strafbare - sexuelle Handlung; das gilt natürlich insbesondere bei Kindern deswegen, schon weil diese nicht rechtswirksam in sexuelle Handlungen mit anderen Personen einwilligen können. Bei ungewünschten/unaufgeforderten Küssen ohne Zunge auf nicht erogene Zonen des anderen kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an.

Schwierig ist die Beurteilung von ärztlichen Eingriffen, bei welchen die Patienten sich - nachträglich - sexuell belästigt fühlen. Hier kommt es neben der Aufklärung des Patienten über die erforderlichen Handlungen und der Reichweite der Einwilligung maßgeblich darauf an, ob der Eingriff nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt. Eine ausführliche Darstellung dieser Problematik würde hier aber sicherlich den Rahmen sprengen.

Allgemein verboten ist:

  • die Berührung des bedeckten Geschlechtsteils (z.B. über die Hose an die Scheide),
  • jegliche Berührung nackter Geschlechtsteile
  • der Griff unter die Kleidung an die Brüste bei Mädchen, auch ohne Brustansatz
  • das Spielen an den Brustwarzen
  • nachgeahmte Penetrationsbewegungen bei anderen mit Gegenständen
  • das Fotografieren eines Kindes mit gespreizten Beinen ohne Unterhose

Nicht verboten ist daher das Streicheln des bekleideten Oberkörpers einer anderen Person (egal ob Kind, Jugendlicher oder Erwachsener), des Beines, des Rückens oder auch der Haare. Ebenfalls keine sexuelle Handlung liegt vor bei normalen Kussversuchen ohne Zunge auf den Mund oder dem Fotografieren eines Kindes in Unterhose mit gespreizten Beinen.

Generell kann man sagen, dass eine sexuelle Handlung immer dann gegeben ist, wenn die konkrete Handlung geeignet ist, die Freiheit der sexuellen Selbstbestimmung erheblich zu beeinflussen. Ob und wann dies der Fall ist kann sicherlich nicht pauschal entscheiden werden. Wie schon an den vorstehenden Beispielen deutlich wird, ist sich die obergerichtliche Rechtsprechung bei einigen Auslegungsfragen uneins.

Jedenfalls sollte beim Vorwurf einer Sexualstraftat auf das Merkmal der "sexuellen Handlung" in besonderem Maße geachtet werden. Kenntnisse in diesem Bereich und insbesondere zu der Rechtsprechung der §§ 176ff. StGB sind jedenfalls unerlässliche Voraussetzungen für die erfolgreiche Verteidigung im Bereich der Sexualdelikte.

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