„Sie müssen raus, wir wollen rein!“ – Kündigung wegen Eigenbedarfs, was tun?

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So hatte Kevin L. sich das nicht vorgestellt. Als er nach sieben Jahren Bürojob Lust auf einen Neuanfang hatte, wurden ihm schöne, gut gelegene Gewerberäume günstig zur Miete angeboten. Zu günstig, eigentlich. Der Makler jedoch nahm Kevin alle Zweifel. Sein neuer Vermieter sei ein ehrwürdiger Hamburger Kaufmann und möge keine Veränderungen, beschwichtige er. Kevin investierte also eine Stange Geld in sein neues Café, nahm einen Kredit auf. Anfangs blieben die Gäste aus. Dann aber, nach anderthalb Jahren, ging’s endlich bergauf. Bis die Gerüstbauer ihr Gewerk vor Kevins Café abluden. Und ein Transparent.

„Hungrig im Herzen der Stadt? BETTIE’S BURGER kommen…“

Der Makler schwor, vom Plan des Eigentümers, seiner Enkelin die Gewerberäume zu übereignen, nichts gewusst zu haben. Doch was nützte Kevin das? Er hatte, wie der Vermieter damals sagte, zur eigenen Sicherheit lediglich einen Mietvertrag über zwei Jahre abgeschlossen, mit Verlängerungsoption bei beidseitiger Zustimmung. Diese Option verweigerte er nun. Bedeutet: Kein Café mehr. Und ich konnte Kevin auch nicht helfen.

Gewerbemietverträge sind frei verhandelbar, sie unterliegen lediglich der AGB-Inhaltskontrolle eines Gerichts. Man lässt also beispielsweise prüfen, ob der Mieter unverhältnismäßig benachteiligt wurde. An der bei Abschluss festgelegten Laufzeit kann man dabei aber kaum rütteln. Egal ob, wie bei Kevin, eine für den Mieter wirtschaftlich nötige Verlängerung nicht erfolgt, oder ob jemand aus einem langfristigen Vertrag aussteigen will. Im Bereich Gewerbe gilt kein Mietspiegel und auch keine Mietpreisbremse. Hier herrscht Monopoly.

Mein Tipp: Geschickt verhält sich oft, wer ein (scheinbares) Risiko eingeht. Will der Vermieter nur eine kurze Laufzeit, darf man stutzig werden. Fünf Jahre plus Optionsmöglichkeit für jede Partei ohne Zustimmungspflicht sollten’s bei einem Café schon sein. Schließlich geht es um die Existenz. Wer vorher raus will, den lassen Vermieter meist gerne gehen, spielen dann noch Großzügigkeit. Natürlich nur, weil sie danach teurer neu vermieten können. Doch selbst, wenn das, vielleicht aufgrund einer nicht so optimalen Lage, anders sein sollte: Wer nichts hat, dem kann nichts genommen werden. Kommt keine Miete, wollen viele Vermieter lieber den Vertrag schnell beenden als große Rückstände auflaufen zu lassen. Dann heißt es erfolgreich pokern. Die Mietwelt bei Gewerbeobjekten gehört den Mutigen.

Beim Wohnungsmarkt ist die Lage hingegen komplett anders. Hier können Vermieter nur kündigen, wenn sie ein „berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses“ haben (§ 573 Abs. 1 BGB). Der Eigenbedarf steht dabei an erster Stelle, braucht aber immer eine Begründung. Es gilt: Die Wohnung muss vom Vermieter, dessen nahen Verwandten (Eltern, Kinder, Enkel, Geschwister) oder auch einer Pflegekraft (z. B. im selben Aufgang für den pflegebedürftigen Vermieter) benötigt werden. Und zwar nachweislich. Soll also eine Enkelin des Eigentümers einziehen, muss in der Kündigung hierfür ein zusätzlicher Grund genannt sein. Allein das Verwandtschaftsverhältnis reicht nicht. Niemals liegt sogar Eigenbedarf vor, wenn:

  • die Räume zweckentfremdet werden, z. B. überwiegend als Büro oder Abstellraum dienen sollen;
  • die Gründe der Kündigung bereits vor Abschluss des Mietvertrages vorlagen („Treuewidrigkeit“);
  • die bevorzugte Person anschließend nicht tatsächlich dort wohnt bzw. nur wenige Monate. (Dann ist man selbst zwar leider schon draußen, kann aber auf Schadensersatz klagen.)

Soll ein Mietshaus in Eigentumswohnungen umgewandelt werden, heißt es: Ruhe bewahren! „Kauf bricht Miete nicht“, der Mietervertrag gilt weiter, exakt so wie er besteht (§ 566 BGB). Da mit leeren Eigentumswohnungen weit bessere Preise erzielt werden als mit vermieteten, macht der Vermieter den Mietern in der Regel ein finanzielles Angebot. Wird man sich dabei nicht einig, gibt es auch nur wenig Grund zur Sorge. Nicht einmal die Miete darf aufgrund des Verkaufs erhöht werden. Erst wenn die gesetzliche Sperrfrist von drei Jahren abgelaufen ist – in vielen Städten und Gemeinden ist diese sogar wesentlich länger (in Berlin zehn Jahre) – kann eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ausgesprochen werden (§ 577a Abs. 1 BGB). Und für die gelten dann die o. g. Bedingungen. Allerdings ist jeder Fall anders und sollte rechtlich individuell geprüft werden.

So war Martin W. aus Berlin 17 Jahre in seinen Altbauräumen zu Hause. Schon beim Einzug handelte es sich um eine vermietete Eigentumswohnung. Vor einem Jahr wurde sie nun verkauft und vor ein paar Monaten erhielt W. die Kündigung. „Ich habe mich sofort juristisch beraten lassen, hätte es allenfalls schaffen können, den Auszug hinauszuzögern“, erzählt er. Das ist korrekt. Denn hier galt die reguläre Kündigungsfrist von neun Monaten (bei einer Mietzeit über acht Jahren), insofern die Kündigung den o. g. Bedingungen standhält, was sie tat. Martin W. sprang deshalb über seinen Schatten und setzte sich mit dem neuen Vermieter zusammen. Einen mietfreien Monat vor Auszug schlug er raus, wenn er sich umgehend etwas Neues sucht, plus Umzugskosten. Immerhin. Mittlerweile wohnt er in einem anderen Stadtteil, hatte tatsächlich Glück bei der Wohnungssuche. „Das Zu-Hause-Gefühl stellt sich erst langsam ein“, fremdelt er jedoch.

Fazit: Lassen Sie eine Kündigung immer rechtlich daraufhin prüfen, ob Sie Einfluss nehmen können. Setzen Sie ihre Rechte durch. Oder handeln Sie mindestens das Beste für sich heraus. Bei Fragen stehe ich gern zur Verfügung.

Herzlichst, Ihr

Rechtsanwalt Gerhard Rahn


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