Sie wurden Opfer einer Straftat? - Das sind Ihre Rechte!

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Nichts ist für Sie als Opfer von Straftaten wichtiger als ihre Handlungsfähigkeit wieder zurückzuerlangen. Ansonsten laufen Sie Gefahr, das Erlebnis ihr ganzes Leben lang mitzuschleppen. Die Rechte, die Verletzte heute haben, sind erst in den letzten Jahren entstanden. In den Strafverfahren spielten viel zu lang nur die Täter eine Rolle. Verletzte mussten sich mit einer Nebenrolle als Zeuge begnügen. Dabei wurden Sie dann vom Anwalt des Angeklagten mit verletzenden Fragen ein zweites Mal zum Opfer gemacht.

Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Die Rechte der Verletzten sind noch immer nicht so umfangreich, wie sie meiner Meinung nach sein sollten, aber es hat sich einiges zum Positiven entwickelt. Es liegt an Ihnen, diese Möglichkeiten auch zu nutzen, um bei der Aufarbeitung der Tat eines nicht mehr zu sein: ein Opfer.


1. Schutz vor weiteren Straftaten

2. Einleitung eines Strafverfahrens

3. Nebenklage

4. Ansprüche auf Entschädigung

5. Klageerzwingung

6. Privatklage


1. Schutz vor weiteren Straftaten

Sofern der Täter nach der Tat nicht in Untersuchungshaft sitzt, besteht bei Gewaltdelikten immer die Möglichkeit, dass der Täter sich den Betroffenen erneut gegen ihren Willen nähert um weiter auf sie einzuwirken oder sie unter Druck zu setzen.

Um dies kurzfristig zu verhindern, können Sie sich an die Polizei wenden. Diese ist nicht nur an der Strafverfolgung beteiligt, sondern hat nach den Polizeigesetzen der Länder auch das Recht, präventive Maßnahmen zum Schutze der Betroffenen durchzuführen. 

Längerfristigen Schutz erhalten Sie durch eine Gewaltschutzverfügung. In dieser kann angeordnet werden, dass der Täter sich Ihnen nicht mehr nähern darf.


2. Einleitung eines Strafverfahrens

a) Strafanzeige

In den allermeisten Fällen beginnt die Strafverfolgung dadurch, dass die Strafverfolgungsbehörden aus der Bevölkerung einen Hinweis über eine mögliche Straftat bekommen. Diesen Hinweis nennt man Strafzeige. Die Anzeige kann nicht nur vom Opfer der Tat gestellt werden, sondern von jeder Person, die von der Tat Kenntnis erlangt hat (wie z. B. Zeugen). Die Mitteilung an die Strafverfolgungsbehörden kann sowohl schriftlich als auch mündlich erfolgen. Kosten für den Anzeigenerstatter entstehen dabei nicht. Es gibt auch keine zeitliche Frist, innerhalb derer die Anzeige erfolgen muss.

Zuständig für die Entgegennahme von Strafanzeigen sind die Polizei, die Staatsanwaltschaft sowie die Amtsgerichte. Damit die Strafverfolgungsbehörden zügig ermitteln können, sollten Sie in der Anzeige (sofern möglich) folgende Angaben machen:

  • Ort der Tat    
  • Datum und Uhrzeit der Tat    
  • Schilderung des Geschehens    
  • Beteiligte Personen auf Täter- und Opferseite    
  • Mögliche Zeugen    

Die Strafanzeige kann nachträglich nicht mehr zurückgezogen werden. Wenn die Strafverfolgungsbehörden einmal Kenntnis von einem strafbaren Verhalten erlangt haben, sind sie in der Regel gesetzlich dazu verpflichtet zu ermitteln.

Wichtiger Hinweis:

Machen Sie bei der Anzeige niemals absichtlich falsche Angaben. Wenn Sie über einen Sachverhalt nur wenige Angaben machen können, ist das eben so. Und wenn Sie sich bei etwas nicht mehr ganz sicher sind, machen Sie das deutlich. Bei vorsätzlichen oder leichtfertigen Falschangaben können Ihnen sonst die die Kosten des Ermittlungsverfahrens auferlegt werden und Sie riskieren eine Gegenanzeige wegen falscher Verdächtigung oder übler Nachrede.


b) Strafantrag

Bei einigen Straftaten aus den Bereich Bagatellkriminalität und Kriminalität mit Familienbezug reicht die Strafanzeige allein nicht aus, damit die Strafverfolgungsbehörde die Ermittlungen aufnimmt. Vielmehr ist in diesen Fällen ein sogenannter Strafantrag erforderlich. Bei diesen Delikten ist das Interesse der Allgemeinheit an der Strafverfolgung nicht oder nur selten betroffen, so dass es in diesen Fällen darauf ankommt, ob die Opfer der Tat eine Bestrafung des Täters wünschen.

 Antragsdelikte sind zum Beispiel

  • Hausfriedensbruch, § 123 StGB    
  • Beleidigungsdelikte, §§ 185, 186, 187 StGB    
  • Haus- und Familiendiebstahl, § 247 StGB    
  • Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen, § 248a StGB

Im Gegensatz zur Strafanzeige kann der Strafantrag zurückgenommen werden. Dies geht sogar noch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens. Aber Achtung: Ein einmal zurückgenommener Strafantrag kann nicht noch einmal gestellt werden.


3. Nebenklage

Die Nebenklage ist für Verletzte eine gute Möglichkeit, selbst aktiv am Strafverfahren teilzunehmen. Nebenklage bedeutet dabei nicht, dass Sie zusätzlich zur Staatsanwaltschaft ebenfalls Klage erheben, sondern dass Sie sich der Klage der Staatsanwaltschaft anschließen. Ein eigenes Recht zur Klage haben Verletzte nur im Rahmen der Privatklage.

Die Nebenklage hat eine ganze Reihe von Vorteilen, wie z. B. das Recht

  • auf die Mitteilung von Terminen
  • auf Einsichtnahme in die Akten der Staatsanwaltschaft
  • zur Abgabe von Erklärungen
  • zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung
  • zum Stellen von Beweisanträgen in der Hauptverhandlung
  • zur Ablehnung von Richtern und Sachverständigen
  • zur Befragung des Angeklagten, Zeugen und Sachverständigen

Bei schwerwiegenden Delikten wie Mord, Körperverletzung oder Sexualdelikten haben die Betroffenen immer das Recht, als Nebenkläger aufzutreten. Bei weniger schwerwiegenden Straftaten ist eine Nebenklage dagegen nur dann zulässig, wenn ein besonderer Grund vorliegt.  Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Folgen der Tat für die Betroffenen schwerwiegend waren. 

Beispiele:

  • erhebliche Schädigung der Gesundheit, 
  • Traumatisierung, 
  • schwerwiegendes Schockerlebnis.


4. Ansprüche auf Entschädigung

Um vermögensrechtliche Ansprüche wie z. B. Schadensersatz und Schmerzensgeld durchzusetzen muss man nicht extra ein Verfahren vor den Zivilgerichten anstrengen. Es gibt mittlerweile eine viel praktischere Möglichkeit, nämlich das sogenannte Adäsionsverfahren (von lateinisch adhaerere: anhaften). Dabei wird im Strafverfahren auch über die Entschädigungsansprüche der Betroffenen mitentschieden.

Dieses Verfahren hat eine ganze Reihe Vorteile für die Betroffenen:

  • Der Verletzte muss weder einen Prozesskostenvorschuss leisten noch die Gerichtsgebühren zahlen. Diese Gebühren können zwar anfallen, sofern das Gericht dem Verletzten die Ansprüche zuspricht, sind dann aber vom Angeklagten zu tragen    
  • Nicht der Verletzte muss alle in Frage kommenden Beweise ermitteln, sondern dies geschieht im Strafverfahren von Amts wegen    
  • Der Verletzte kann im Gegensatz zu einem Zivilverfahren als Zeuge in eigener Sache aussagen    
  • Es besteht für den Angeklagten keine Möglichkeit der Widerklage    
  • Die Abhandlung in nur einem Prozess vermindert den psychischen Druck auf die Verletzten und bringt die Sache zu einem schnelleren Abschluss    
  • Es besteht im Strafverfahren in der Regel eine höhere Bereitschaft des Angeklagten, den Schaden auszugleichen, da sich dies für ihn positiv auf das Strafmaß auswirken kann  
  • Werden dem Verletzten im Adhäsionsverfahren seine Ansprüche nicht zugesprochen, kann er danach trotzdem noch seine Ansprüche vor den Zivilgerichten geltend machen. Er hat dann also gleich zwei Chancen, seine Ansprüche durchzusetzen.    


5. Klageerzwingung

Durch das Klageerzwingungsverfahren können Verletzte durch die Einschaltung eines Gerichts die Staatsanwaltschaft zur Klageerhebung zwingen. Sie müssen also nicht hilflos zuschauen, wenn die Staatsanwaltschaft von der Erhebung der Klage absieht, sondern können selbst aktiv dafür sorgen, dass das Verfahren weitergeführt wird. 

Das Klageerzwingungsverfahren besteht aus drei Schritten:


a) Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss

Bevor das Gericht eingeschaltet werden kann, muss zunächst Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft bei der Generalstaatsanwaltschaft eingelegt werden. Dadurch bekommmt die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, die Einstellung des Verfahrens nochmals zu überdenken und ihre Meinung zu ändern.


b) Entscheidung durch die Generalstaatsanwaltschaft

Entscheidet sich die Generalstaatsanwaltschaft dazu, der Beschwerde stattzugeben, wird entweder sofort Klage erhoben oder es werden weitere Ermittlungen eingeleitet. Hält die Generalstaatsanwaltschaft dagegen die Einstellung der Klage für korrekt, so lehnt sie die Beschwerde ab. Dann können die Betroffenen einen Antrag auf gerichtliche Überprüfung der Einstellung des Verfahrens stellen.


c) Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Zuständig für die gerichtliche Überprüfung der Einstellung des Verfahrens ist das Oberlandesgericht. Das Gericht kann vor seiner Entscheidung weitere Ermittlungen anordnen. Nach Abschluss der Ermittlung fällt das Gericht dann die Entscheidung, ob die Staatsanwaltschaft Klage erheben muss.


6. Privatklage

Die Privatklage ist die einzige Ausnahme von dem Grundsatz, dass grundsätzlich nur die Staatsanwaltschaft zur Klageerhebung befugt ist. Der Privatkläger übernimmt im Verfahren die Position der Staatsanwaltschaft und tritt daher nicht wie im "normalen" Strafverfahren als Zeuge, sondern als Ankläger auf. Die Privatklage ist für Sie nur dann möglich, wenn Sie die Tat angezeigt haben und die Staatsanwaltschaft das Verfahren mit Hinweis auf die Möglichkeit der Privatklage eingestellt hat. 

Bei Hausfriedensbruch, Beleidigung, Verletzung des Briefgeheimnisses, Körperverletzung, Bedrohung und Sachbeschädigung muss nach § 380 StPO zuerst ein Sühneversuch vor einer Vergleichsbehörde (in NRW Schiedsmann) beantragt und durchgeführt werden. Erst nach der Durchführung dieses Sühneversuches kann der Privatklageantrag gestellt werden.



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Foto(s): Copyright: dmitryag

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