Sommerekzem – Gewährleistungsansprüche beim Pferdekauf

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„Die Mangelhaftigkeit eines Pferdes kann sich daraus ergeben, dass es bei Gefahrübergang so hochgradig gegen Mückenstiche sensibilisiert ist, dass weiterer Kontakt mit dem Reizstoff mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald zu einem Sommerekzem führen muss.“

LG Flensburg, Urteil vom 31. Oktober 2006, Az. 1 S 50/06

vorgehend AG Husum, Urteil vom 12. April 2006, Az. 2 C 1009/04

Der Sachverhalt

Zum Kaufpreis von 4.200 € erwarb die Klägerin von dem Beklagten eine Holsteiner Stute.

Die Klägerin hat die Minderung des Kaufpreises und Rückzahlung eines Teilbetrages von 2.000,00 € begehrt. Die Klägerin war der Auffassung, dass die Stute bereits bei Übergabe eine hohe Konzentration allergenspezifischer IgE-Antikörper gegen Kriebelmücken und Culicoides aufgewiesen haben. Daher sei es bei der Stute wenige Tage nach ihrer Aufstallung im Stall der Klägerin und nach der Ankaufsuntersuchung zum Ausbruch eines sog. „Sommerekzems“ gekommen.

Die Klage wurde vom Amtsgericht abgewiesen. Da die Stute bei Gefahrübergang noch nicht an einem Sommerekzem erkrankt gewesen sei, habe die Klägerin keine Sachmängelgewährleistungsansprüche geltend machen können. Auch die Ankaufsuntersuchung sei ohne Befund geblieben. Das Sommerekzem sei allenfalls nach der Übergabe ausgebrochen. Zwar sei die Allergie bei Gefahrübergang bereits angelegt gewesen. Eine solche Anlage einer späteren allergischen Reaktion reiche für die Feststellung eines Sachmangels aber nicht aus, da hierfür das Hinzutreten zufällig zu erwartender weiterer Umstände erforderlich sei. Nach Auffassung des Sachverständigen habe ein Pferd mit einer erhöhten Allergiebereitschaft zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Ekzemer bezeichnet werden können. Es sei nicht vorhersehbar gewesen, ob das Ekzem ausbrechen werde. Die Klägerin legte gegen die Entscheidung des Amtsgerichtes Berufung ein.

Die Entscheidung

Im Berufungsverfahren bekam die Klägerin Recht, den Kaufpreis zu mindern und die Rückzahlung von 2.000,00 € zu verlangen.

Das Vorhandensein einer allergischen Erkrankung (Sommerekzem) der Stute stelle einen Mangel dar, weil es den Aufenthalt eines daran leidenden Pferdes im Freien während der Sommermonate unter normalen Bedingungen nicht zulasse. Durch den Kontakt mit dem Speichel der Kriebelmücke werde die allergische Reaktion ausgelöst.

Das Vorliegen einer solchen Erkrankung sei durch die tierärztliche Untersuchung und den sich hieran anschließenden Allergietest, der eine hohe Konzentration von allergenspezifischen IgE-Antikörpern gegen Culicoides ergeben habe, festgestellt worden. Die Blutuntersuchung zeige starke bis höchstgradige Sensibilisierungen gegen unterschiedliche Insekten, sodass die Stute als „Risikokandidat für Typ-1-allergische Erkrankungen einschließlich Sommerekzem“ anzusehen sei. Des Weiteren wiesen die Verdickungen des Bindegewebes der Haut im Bereich des Mähnenkamms und Hautfältelungen neben dem Mähnenkamm darauf hin, dass das Pferd in der Zeit vor der Begutachtung unter starken entzündlichen Veränderungen im Mähnenkamm gelitten habe. Hierfür sei mit großer Wahrscheinlichkeit das Vorliegen eines Sommerekzems ursächlich.

Dieser Mangel habe bereits bei Gefahrübergang der Stute vorgelegen, denn die genetische Disposition für eine Sensibilisierung gegen Mückenstiche stelle einen Mangel dar und § 476 BGB a. F. [§ 477 BGB n.F.]. Die Allergie beruhe auf einer entsprechenden Disposition des Pferdes, die zwar – als Vorstufe der Allergie – noch nicht mit der pathologischen Symptomatik verbunden sei, die aber die Gefahr in sich berge, dass das Pferd später die Allergie ausbilden werde; schon darin liege ein Sachmangel. Der Verkäufer eines Tieres hafte gemäß § 434 BGB, dass das Tier bei Übergabe nicht krank sei und sich auch nicht in einem – ebenfalls vertragswidrigen – Zustand befinde, auf Grund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass es alsbald erkranke. Das könne der Fall sein, wenn am Tag der Gefahrübergabe eine solche Disposition vorhanden sei, die bei Kontakt mit Reizstoffen bereits zu diesem Zeitpunkt zu pathologischen Erscheinungen geführt hätte.

Im vorliegenden Fall spreche auch eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Veranlagung zu einer Erkrankung führe. Zwar bedeute der Nachweis von zellgebundenen sensibilisierenden Antikörpern nicht, dass es beim Pferd zwingend zu einem klinischen Ausbruch der Erkrankung durch Ausbildung der typischen Symptome komme; auch Pferde mit vorhandenen zellgebundenen Antikörpern könnten über viele Jahre oder lebenslang gesund bleiben.

Im vorliegenden Fall sei der Ausbruch der Krankheit aber höchst wahrscheinlich gewesen. Bei allen „Ekzemern“, deren Krankheits-Vollbild sichtbar durchgebrochen ist, fänden sich große Mengen Antikörper gegen einzelne Insekten im Blut. Dies sei auch bei dieser Stute so. Laut dem Bericht des Untersuchungslabors über die Blutprobe war kurz nach Gefahrübergang der Stute an die Klägerin eine hohe Konzentration allergenspezifischer Antikörper gegen den Speichel der Kriebelmücken festzustellen.

Dass das Sommerekzem der Stute sich erst nach der Einstallung bei der Klägerin entwickelte, berühre die Haftung des Beklagten nicht. Es liege im Wesen des Verkaufs von Pferden, dass sie den Besitzer wechseln und dort auf andere Pferde und andere Umweltbedingungen treffen. Trotz sich ändernden Umweltbedingungen müssen Pferde so robust sein, dass sie ihre Verwendungsfähigkeit ohne begleitende medikamentöse Behandlung behielten. Eine nach dem Verwendungszweck nicht zu erwartende wesentliche Änderung der Haltungs- und Einsatzbedingungen sei von dem Beklagten nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.


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