Sonderkonstruktionen in der Fußbodentechnik!

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Sonderkonstruktion = Mangel?

Diese Frage wird viele in der Baupraxis überraschen. In rechtlicher Hinsicht ist die Frage berechtigt, wenn man sich die rechtliche Einordnung der Sonderkonstruktion in das Gefüge des Werkvertragsrechts anschaut. Dieser Zusammenhang ist in der Baupraxis niemand bewusst. Woher auch? Wenn man diesen Zusammenhang nicht sieht, hat man als Auftragnehmer ein Problem. Der rechtliche Aufhänger der Sonderkonstruktion ist die Erfolgshaftung im Werkvertragsrecht. Der Auftragnehmer garantiert den Erfolg seines Werkes. Das Werk muss dafür zweckentsprechend und dauerhaft funktionstauglich sein. Dabei muss das Werk auf jeden Fall den anerkannten Regeln der Technik als Mindestvoraussetzung entsprechen, also normgerecht sein. Die anerkannten Regeln der Technik gelten als Soll-Zustand der vertraglichen Leistung. Dies ist immer konkludent mit vereinbart (§ 633 Abs. 2 Nr. 2 BGB bzw. § 13 Abs. 1 VOB/B). 

Eine sog. Normkonstruktion entspricht grundsätzlich den anerkannten Regeln der Technik. Bei einer sog. Sonderkonstruktion liegt immer eine Abweichung von der Normkonstruktion vor. Die Begriffe der Norm- und Sonderkonstruktion sind keine Rechtsbegriffe, sondern ausschließlich technische Begriffe. Diesen Begriffen ist keinerlei rechtliche Wertung zuzuschreiben. Nach dem Mangelbegriff ist jede Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik ein Mangel. Dieses Ergebnis ist für die Baupraxis überraschend, für Juristen nicht. Denn es gilt vor Gericht die rein formale Sichtweise. Immer dann, wenn man von den anerkannten Regeln der Technik (sog. Normkonstruktion) abweichen will, kann es nur eine rechtlich richtige Möglichkeit geben. Hierbei ist unbedingt die Risikominimierung durch den Auftragnehmer notwendig. Ansonsten besteht volle Haftung für den Auftragnehmer. Die einzig rechtlich richtige und vor Gericht haltbare Möglichkeit ist, eine Vereinbarung mit dem Auftraggeber zu treffen. 

Eine solche Vereinbarung ist eine „Beschaffenheitsvereinbarung nach unten“. In dieser Vereinbarung müssen sich Auftraggeber und Auftragnehmer ausdrücklich auf die Unterschreitung der anerkannten Regeln der Technik geeinigt haben. Eine konkludente Einigung durch AGB-Klauseln, die die Zulässigkeit einer sog. Sonderkonstruktion durch Klausel zulassen, ist unwirksam. Auch ist eine abweichende Beschreibung im Leistungsverzeichnis, die die Unterschreitung der anerkannten Regeln der Technik vorsehen, nicht zulässig. Also ist unbedingt notwendig, dass ausdrücklich und in schriftlicher Form eine Vereinbarung getroffen wird. Für eine Vereinbarung sind zwingend zwei Elemente erforderlich. Element 1): Umfassende Risikoaufklärung des Auftraggebers und Element 2): Vollständige Risikoübernahme des Auftraggebers. Zunächst muss der Auftraggeber vollständig darüber aufgeklärt werden, welche Risiken der Auftraggeber bei der Nichteinhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik eingeht. Diese Risiken müssen detailliert beschrieben werden. Der Auftragnehmer kann es sich hierbei nicht belassen, nur pauschal Risiken anzugeben, sondern er muss diese Risiken, die auftreten können, konkret einzeln auch benennen. Hier sollte immer eine einzelne Aufzählung mit Begründung stattfinden. Hier muss man auch über den Tellerrand schauen, ob Brandschutz- bzw. Schallschutzvorschriften tangiert sind. Dies darf nicht unerwähnt bleiben. Weiter ist eine rechtsgeschäftliche Risikoübernahmeerklärung des Auftraggebers erforderlich. Der Auftraggeber muss schriftlich bestätigen, dass er die Hinweise des Auftragnehmers verstanden hat und bereit ist, die Risiken dieser Konstruktion vollständig und freiwillig zu übernehmen. 

Die Beweislast für das Zustandekommen einer solchen „Beschaffenheitsvereinbarung nach unten“ hat ausschließlich der Auftragnehmer. Jede Unklarheit geht zulasten des Auftragnehmers. Es muss jedem Auftragnehmer klar sein, dass die Hürde einer rechtsgeschäftlichen Risikoübernahme durch den Auftraggeber hoch ist und nicht einfach zu überspringen ist. Denn die Rechtsprechung geht zu Recht davon aus, dass jede Partei ihre Risiken aus ihrer Risikosphäre allein zu tragen hat. Wenn man diese Risiken auf die andere Partei übertragen will, so hat diese Risikoübernahme durch die andere Partei hohe Hürden. Die Überwälzung dieses Risikos auf die andere Partei ist nicht einfach so gemacht. Wenn Risiken nicht genannt werden, die sich im Nachhinein dann realisieren, so wie werden die Gerichte davon ausgehen, dass diese Risiken durch die Vereinbarung nicht gedeckt waren und dies zu einem Mangel führt. Durch eine nicht detaillierte Beschreibung aller Risiken wird verhindert, dass man als Auftragnehmer der Haftung entkommen kann. Das Gegenteil ist der Folge, der Auftragnehmer haftet weiterhin. Bei einer unvollständigen Risikoaufklärung hat man dann mit Zitronen gehandelt. Eine Haftungsbefreiung kommt dann nicht zustande. Brandgefährlich ist auch die andere Alternative, wenn der Auftragnehmer sich nicht die Mühe gemacht, eine solche „Beschaffenheitsvereinbarung nach unten“ zu vereinbaren und es einfach drauf ankommen lässt. Es muss dem Auftragnehmer dann ganz klar sein, dass man als Auftragnehmer einen Mangel produziert hat, da eine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik vorliegt. Dann kann den Auftragnehmer grundsätzlich nur die volle Haftung treffen. Es muss jedem Auftragnehmer bewusst sein, dass eine unterlassene oder fehlerhafte „Beschaffenheitsvereinbarung nach unten“ zu einer Haftung führt. 

Dabei kommt es zur Risikoeinschätzung des Auftragnehmers nur darauf an, welche Mängelbeseitigungskosten, also welche Mängelkosten und Mängelfolgekosten entstehen können. Der Werklohn des Auftragnehmers ist dabei völlig außer Betracht zu lassen. Hier kommt es keinesfalls auf ein Verhältnis des Werklohns zu den Mängelbeseitigungskosten an. Weiter ist so, dass ein Risiko verbleibt, ob eine solche „Beschaffenheitsvereinbarung nach unten“ durch die Gerichte anerkannt werden, wenn es sich um ein Verbrauchervertrag handelt. Hier ist die Rechtsprechung uneinheitlich und es besteht keine Rechtssicherheit, wenn der Vertragspartner Verbraucher ist. Darauf soll unbedingt hingewiesen werden. 

Nichtsdestotrotz ist es notwendig, eine solche Vereinbarung abzuschließen. Denn ohne eine solche Vereinbarung verbleibt es auf jeden Fall bei der Haftung des Auftragnehmers. Deshalb erübrigt sich eine solche „Beschaffenheitsvereinbarung nach unten“ keinesfalls. Vielmehr muss der Auftragnehmer als Fachunternehmen auf jeden Fall jede Abweichung, also auch eine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik anzeigen und über diese Risiken aufklären. Hier sieht man auch die Parallelen zu einer Bedenkenanmeldung. Bei einer Bedenkenanmeldung ist es ebenfalls notwendig, dass der Auftraggeber über alle Risiken aufgeklärt wird. Somit ist die Bedenkenanmeldung als auch die sog. Sonderkonstruktion als Warnhinweis an den Auftraggeber zu verstehen: Achtung, in unserem Vertragsverhältnis läuft etwas schief! Bei der Bedenkenanmeldung ist im Gegensatz zu der Sonderkonstruktion nicht notwendig, dass der Auftraggeber das Risiko vertraglich übernimmt. Das ist zwar wünschenswert, dass der Auftraggeber eine Risikoübernahme erklärt, jedoch nicht zwingend wie bei einer „Beschaffenheitsvereinbarung nach unten“. Daraus ist erkennbar, dass immer, wenn Risiken im Bauvertrag auftreten, der Auftragnehmer verpflichtet ist, auf diese Risiken vollumfänglich hinzuweisen. Hier darf der Auftragnehmer nicht schludern, sondern muss exakt juristisch arbeiten, um der Haftung zu entgehen. 

Hat man dagegen keine „Beschaffenheitsvereinbarung nach unten“ getroffen, so muss der Auftragnehmer beweisen, dass mit dem Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik nachweisbar keine Risiken verbunden sind. Es dürfen dabei keine Risiken verbleiben. Das ist Glaskugelleserei. Damit setzt man sich dem Gutdünken des Gerichts aus. Denn ein gerichtlich bestellter Sachverständiger wird durch das Gericht hierbei zurate gezogen. Soweit der gerichtlich bestellte Sachverständige meint, dass Risiken verbleiben, so wird den Auftragnehmer die Haftung treffen. Weiter ist die Planungsverantwortung des Auftragnehmers zu bedenken. Das wird vielfach übersehen. Oftmals wird es so sein, dass es der Auftragnehmer ist, der feststellt, dass die Normkonstruktion nicht umzusetzen ist und die Sonderkonstruktion vorschlägt. Das Vorschlagen einer pragmatischen Lösung ist rechtlich sofort als Planungsverantwortung einzustufen. 

Deshalb sollte man sich vor Augen führen: Wer plant, haftet! Klar ist, wenn eine solche Sonderkonstruktion durch den Auftragnehmer vorgeschlagen wird, so muss sie funktionieren und frei von Fehlern sein. Denn dadurch kann man trotz Risikoübernahmeerklärung zur Haftung kommen, wenn man bei der Ausführung der Sonderkonstruktion fehlerhaft arbeitet. Dann wird man wieder rein in die Haftung geholt. Deshalb muss man in der Lage sein, die Sonderkonstruktion auch technisch einwandfrei ausführen zu können.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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