Stalking – Angst vor dem Nachbarn

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In seinem Beschluss vom 22.07.2010 (Az.: 5 StR 256/10) beschäftigte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage der Anforderungen an eine schwere Gesundheitsschädigung durch Nachstellung im Sinne des § 238 II StGB, dem sogenannten Stalking. Als Stalking wird bezeichnet, wenn eine Person eine andere gegen ihren Willen fortwährend „verfolgt".

Der Stalker verfolgt, belästigt oder terrorisiert einen Mitmenschen. Er studiert den Tagesablauf seines Opfers, um ihm möglichst oft begegnen zu können. Opfer kann der Ex-Partner, ein Arbeitskollege, flüchtiger Bekannter, ein Prominenter oder ein vollkommen Unbekannter sein.

In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte in der Vorinstanz das Landgericht (LG) Flensburg einen sogenannten Stalker wegen Nachstellung mit dem Hervorrufen einer schweren Gesundheitsstörung wegen Nötigung, Beleidigung und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Außerdem wurde - aufgrund einer schweren anderen seelischen Abartigkeit i. S. d. § 21 StGB (so genannte eingeschränkte Steuerungsfähigkeit) - die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

Der Verurteilung lag folgender Fall zugrunde: Der nicht vorbestrafte, zu den Tatzeiten 59 Jahre alte Angeklagte neigte aufgrund seiner psychischen Erkrankung seit etwa 2007 ohne erkennbaren Anlass dazu, Nachbarn massiv zu bedrohen, zu beleidigen und nachzustellen. Nachdem ihm durch eine einstweilige Verfügung untersagt worden war, den Nachbarn nachzustellen und sie zu beobachten, versteckte sich der Angeklagte der Einfachheit halber im Maisfeld, circa 20 m entfernt von dem Grundstück des Nebenklägers und beobachtete ihn beim Rasenmähen und ein paar Tage später beim Fernsehen. In der darauffolgenden Zeit brüllte der Angeklagte die Nebenkläger, die unmittelbare Nachbarn waren, mehrmals an. In einer Hauptverhandlung des Amtsgerichts Flensburg trat der Angeklagte der Nebenklägerin mit dem Fuß gegen das Bein, wodurch diese ein handflächengroßes Hämatom im Bereich des Sprunggelenks erlitt.

Die Nebenklägerin wurde durch die Handlungsweise des Angeklagten ebenso wie ihr Ehemann psychisch stark beeinträchtigt. Sie hatte massive Angst, von dem Angeklagten geschlagen oder gar umgebracht zu werden. Der Nebenkläger befürchtete in hohem Maße, dass seiner Ehefrau etwas geschieht. Die Nebenklägerin erlitt psychosomatische Zusammenbrüche mit intensiven schweren Magenkrämpfen und eine posttraumatische Belastungsstörung. Sie verlor 10 kg an Gewicht. Beide Nebenkläger waren nach eigenem Bekunden „eigentlich nicht mehr in der Lage", ihrer freiberuflichen Tätigkeit nachzugehen.

Nach dem BGH sind die Voraussetzungen des qualifizierenden Tatbestandes der Nachstellung nicht gegeben. § 238 II StGB setzt voraus, dass das Opfer oder eine andere dem Opfer nahe stehende Person durch die Nachstellung in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht wird. Nach dem BGH hat das LG solche Tatfolgen bei den Nebenklägern nicht festgestellt. Die psychosomatischen Beschwerden mit depressiven Erschöpfungszuständen seien nicht hinreichend belegt. Die von den Nebenklägern lediglich empfundene Beeinträchtigung ihrer Arbeitsfähigkeit reicht ersichtlich nicht aus.

Auch seien nach dem BGH die Voraussetzungen für eine Unterbringung in ein psychiatrisches Krankenhaus nicht gegeben. Im Sinne des § 69 StGB kann die Anordnung der Maßregel nur bei gravierenden Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, gerechtfertigt sein. Hier belegen aber die festgestellten Anlasstaten eine solche Schwere nicht. Entgegen der Ansicht des LG Flensburg sei ebenfalls die Verhängung einer (höheren) Freiheitsstrafe statt der Unterbringung nahe gelegen, da der Angeklagte nur eingeschränkt schuldunfähig war.

Fazit: Der entschiedene Fall zeigt für den neuen Straftatbestand des Stalkings exemplarisch, dass der Nachweis der schweren Gesundheitsschädigung sowohl für die Geschädigten als auch das Gericht hohen Anforderungen unterliegt.

Hilfe finden Stalking-Opfer auch bei Anwälten. Inwieweit eine Anzeige, eine Unterlassungsverfügung oder ein Belästigungsverbot ein geeigneter Weg ist, kann in einer rechtlichen Beratung geklärt werden.


RA Andrej Klein

Fachanwalt für Strafrecht, Fachanwalt für Steuerrecht

Tel. (0351) 80 71 8-90, klein@dresdner-fachanwaelte.de

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