Stalking oder Nachstellung – was passiert, wenn man sich wieder versöhnt?

  • 3 Minuten Lesezeit

Stalking – der Fall

Der Bundesgerichtshof hat vor einiger Zeit einen kuriosen Fall entschieden. Dort ging es um einen Beschuldigten, der seine ehemalige Lebensgefährtin mit allen Mitteln dazu bringen wollte, die Beziehung mit ihm wiederaufzunehmen. Er ging davon aus, dass sie ihn weiterhin liebte. Mit allen Mitteln bedeutet in diesem Fall, dass der Beschuldigte auch mehrfach in das Haus seiner ehemaligen Freundin einbrach, um ihr mitten in der Nacht seine Liebe zu gestehen. Infolge der Vorfälle hat sich die ehemalige Lebenspartnerin des Beschuldigten zunächst mit Pfefferspray und einer Schreckschusspistole ausgerüstet und ist schließlich aus Angst vor weiteren Vorfällen sogar kurzzeitig aus ihrem Haus gezogen. Allerdings bestand zwischenzeitlich auch einvernehmlicher persönlicher Kontakt zwischen den beiden Personen. Die Versöhnung zwischen ehemaligem Stalker und seiner Lebensgefährtin ging so weit, dass diese etwa ein halbes Jahr nach dem letzten Vorfall heirateten. Ende gut – alles gut, könnte man behaupten. 

Stalking – das Strafverfahren

Doch diese Umstände hielten die Staatsanwaltschaft nicht davon ab, ein Strafverfahren wegen Nachstellung gemäß § 238 StGB einzuleiten. Unter unbefugtem Nachstellen versteht man beharrliche unmittelbare und mittelbare Annäherungshandlungen an das Opfer oder näher bestimmte Drohungen. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Merkmal der Beharrlichkeit zu, das sowohl objektive als auch subjektive Elemente enthält. Auch das Landgericht Essen sah alle diese Merkmale in dem Verhalten des Beschuldigten als gegeben und verurteilte den Beschuldigten.

Stalking – der BGH greift ein

Erst die Revision des Beschuldigten führte dazu, dass erstmals auch die zwischenzeitliche Aussöhnung berücksichtigt wurde. In seinem Beschluss vom 31.08.2016 – 4 StR 197/16 wurde festgestellt, dass selbst bei wiederholten Vorfällen das Merkmal der Beharrlichkeit unter Umständen nicht zu bejahen ist. Die Beharrlichkeit muss sich aus einer Gesamtwürdigung der verschiedenen Handlungen ergeben und ist nicht allein durch wiederholte Handlungen erfüllt. Vielmehr ist erforderlich, dass man den ausdrücklich oder schlüssig geäußerten entgegenstehenden Willen des Opfers übergeht und in der Absicht handelt, sich auch in Zukunft immer wieder entsprechend zu verhalten. 

Maßgeblich für die Annahme der Beharrlichkeit ist, ob die subjektiven Elemente der Uneinsichtigkeit und Rechtsfeindlichkeit sowie eine besondere Hartnäckigkeit und gesteigerte Gleichgültigkeit gegenüber den Wünschen des Opfers gegeben sind. Darunter ist zu verstehen, dass man uneinsichtig auf seinem Standpunkt besteht und zäh an dem Entschluss festhält, selbst wenn man die entgegenstehenden Interessen kennt. Man muss den ausdrücklich oder schlüssig geäußerten entgegenstehenden Willen übergehen. 

Bereits wenige Vorfälle können für das erforderliche Maß an rechtsfeindlicher Gesinnung und hartnäckigem Verhalten sprechen. Voraussetzung ist dann aber, dass die einzelnen Vorfälle einen ausreichenden räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufweisen und von einem fortbestehenden einheitlichen Willen getragen sind. Die Handlungen des Beschuldigten und die subjektiven Elemente der Beharrlichkeit, insbesondere die gesteigerte Gleichgültigkeit gegenüber den Wünschen des Opfers, müssen in einem inneren Zusammenhang stehen. 

Vor diesem Hintergrund sieht der Bundesgerichtshof in dem zugrundeliegenden Sachverhalt keinen fortbestehenden Willen, vielmehr wird der Wille des Beschuldigten durch die Versöhnungen unterbrochen und anschließend neu gefasst. Auch ist allein das Bestreben, die ehemalige Lebensgefährtin zur Wiederaufnahme der Beziehung zu bringen, nicht ausreichend, um eine besondere Hartnäckigkeit und gesteigerte Gleichgültigkeit gegenüber den Wünschen des Opfers anzunehmen. 

Also lag der Grund für die fehlende Beharrlichkeit gerade in der Versöhnung mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin. Damit war der Beschuldigte zwar nicht beharrlich im Sinne des § 238 StGB, wohl aber im Hinblick auf seine Freundin.

Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht

Der Beitrag wurde mitgeteilt von Rechtsanwalt Dietrich. Sollten Sie eine Anzeige oder Vorladung wegen Stalkings erhalten, können Sie sich an Rechtsanwalt Dietrich wenden und einen Besprechungstermin vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Steffen Dietrich

Beiträge zum Thema