Strafbefehl bekommen – was soll ich am besten tun?

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Wird ein Strafbefehl zugestellt, stellt sich schnell die Frage was man tun sollte.

In erster Linie sollte man wissen, dass ein zugestellter Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleichkommt, sofern gegen diesen nichts unternommen wird. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, was ein Strafbefehl überhaupt ist und welche Handlungsmöglichkeiten man grundsätzlich hat.


1. Was ist ein Strafbefehl und warum keine gerichtliche Verhandlung?


Ein Strafbefehl ist eine der Möglichkeiten seitens der Staatsanwaltschaft, einen Fall vor Gericht zu bringen. Bei dem Strafbefehlsverfahren handelt es sich um ein vereinfachtes Verfahren, um die Fälle schnell und unkompliziert abzuarbeiten. Dieses wird meistens bei kleineren Vergehen mit klarer Beweislage angewendet. Sind die Ermittlungen abgeschlossen und hält die Staatsanwaltschaft eine gerichtliche Verhandlung (Hauptverhandlung) für nicht erforderlich, so beantragt sie beim Gericht den Erlass eines Strafbefehls.


Wenn das Gericht nach Aktenlage das Bestehen des hinreichenden Tatverdachts feststellt und keine Bedenken hat, so erlässt es den Strafbefehl und dieser wird dem Betroffenen zugestellt. In den meisten Fällen wird der Betroffene durch den Strafbefehl zu einer Geldstrafe verurteilt. Erachtet das Gericht den Betroffenen nicht für hinreichend verdächtig, lehnt es den Erlass des Strafbefehls ab.


Das Gericht kann auch einen Hauptverhandlungstermin anberaumen, wenn es Bedenken hat, ohne eine gerichtliche Verhandlung entscheiden zu können. Solche Bedenken können sich z.B. daraus ergeben, dass der Richter wegen der Bedeutung der Sache oder aber zur Aufklärung auch der Nebenumstände der Tat eine mündliche Verhandlung für zweckmäßig hält. Ebenso auch daraus, dass das Gericht eine andere als die von Staatsanwaltschaft beantragte Strafe für richtig hält.


2. Was kann ich nach Zustellung des Strafbefehls tun?


Wurde der Strafbefehl zugestellt, hat man mehrere Handlungsoptionen. Man kann den Strafbefehl akzeptieren, man kann gegen den ganzen Strafbefehl Einspruch einlegen und man kann den Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränken z.B. nur auf die Höhe der Geldstrafe. Welche Handlungsoption sinnvoll ist, hängt immer vom Einzelfall ab. Am besten kann das ein Rechtsanwalt nach einer umfassenden Akteneinsicht beurteilen.


a. Akzeptieren des Strafbefehls

In gewissen Fällen lohnt es sich den Strafbefehl zu akzeptieren. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn im Wege einer gerichtlichen Verhandlung zu befürchten wäre, dass der Sachverhalt strafschärfernd ausgelegt wird. Das Gericht ist nicht an den Strafbefehl gebunden. Bei dem Strafbefehlsverfahren gilt das Verböserungsverbot nicht. Das bedeutet, dass das Gericht in seinem Urteil eine höhere Strafe verhängen kann, als die, die im Strafbefehl zuvor war. Ob in einer späteren gerichtlichen Verhandlung eine höhere Strafe droht, muss im konkreten Einzelfall beurteilt werden.


Wird der Strafbefehl akzeptiert und kein Einspruch eingelegt, so wandelt sich dieser ohne eine gerichtliche Verhandlung in eine rechtskräftige Verurteilung. Die Verurteilung wird im Bundeszentralregister eingetragen und kann unter Umständen auch in das Führungszeugnis eingetragen werden, sodass man als vorbestraft gilt.


Wird der Strafbefehl rechtskräftig, so muss die Geldstrafe bezahlt werden. Wird diese nicht bezahlt, so wandeln sich die verhängten Tagessätze in eine Gefängnisstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) um. Ein Tagessatz entspricht dabei einen Tag im Gefängnis. Bei 90 Tagessätzen sind das dann 90 Tage Gefängnis. Die Gefängnisstrafe kann jederzeit durch die Zahlung der Strafe abgewendet werden. Die Geldstrafe kann auch in Raten bezahlt werden. Statt Gefängnisstrafe hat man auch die Möglichkeit Arbeitsleistungen zu erbringen.


b. Einspruch gegen den gesamten Strafbefehl

Gegen den Strafbefehl kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Strafbefehls Einspruch eingelegt werden. Wird der Einspruch fristgerecht eingelegt, so wird der Strafbefehl nicht rechtskräftig.


Nach dem Einspruch findet grundsätzlich eine gerichtliche Verhandlung statt. Das Gericht kann dabei den Angeklagten freisprechen, mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen, eine niedrigere Strafe und/oder eine andere Nebenstrafe (z.B Fahrverbot, Entziehung der Fahrerlaubnis) verhängen.


Da der Einspruch bis zur neuen Entscheidung des Gerichts die Rechtskraft des Strafbefehls beseitigt, muss die im Strafbefehl verhängte Geldstrafe nicht bezahlt werden. Auch andere Nebenstrafen wie z.B Fahrverbot treten nicht in Kraft. Dies gilt jedoch nicht für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis. Wurde die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen, so kann der Einspruch dies nicht rückgängig machen.


Zu beachten ist auch hier, dass das Gericht an den Strafbefehl nicht gebunden ist und eine höhere Strafe verhängen kann. Wie hoch das Risiko der Verböserung ist, hängt immer vom Einzelfall ab. Dabei muss berücksichtigt werden, dass dem Strafbefehl eine Geständnisfunktion zukommt. Das bedeutet, dass beim Erlass des Strafbefehls von einem Geständnis ausgegangen wurde und dieses bereits strafmildernd berücksichtigt wurde. Kommt es aufgrund des Einspruchs zur einer gerichtlichen Verhandlung, so entfällt diese Geständnisfunktion. Das Gericht verhängt dann eine höhere Strafe, falls keine anderen Milderungsgründe sich aus der Hauptverhandlung ergeben.


c. Einspruch gegen den Strafbefehl beschränkt auf die Rechtsfolgen

Der Einspruch kann auch nur auf die Rechtsfolgen beschränkt werden. Diese können im Strafbefehl sein: Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, Fahrverbot, Entziehung der Fahrerlaubnis, Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Bei einer Geldstrafe hat man die Möglichkeit, sich sowohl auf die Anzahl als auch die Höhe der Tagessätze zu beschränken.


Hat man den Einspruch nur auf die Tagessatzhöhe beschränkt und dem Beschlussverfahren zugestimmt, dann findet keine gerichtliche Verhandlung statt. Das Gericht wird im schriftlichen Verfahren anhand der nachgewiesenen wirtschaftlichen Lage die Höhe der Geldstrafe durch Beschluss festsetzten.


Bei der Beschränkung auf die Anzahl der Tagessätze, findet eine gerichtliche Verhandlung statt. Die Tagessätze können im Wege der Strafzumessung nur durch ein Urteil festgelegt werden.


Aber auch bei dem beschränkten Einspruch kann das Gericht eine höhere Rechtsfolge festsetzten. Dies gilt nicht, wenn der Einspruch nur auf die Tagessatzhöhe beschränkt wurde. Dann darf die Tagessatzhöhe nicht zum Nachteil des Angeklagten abweichen.


3. Wie legt man den Einspruch gegen den Strafbefehl ein?

Der Einspruch ist bei dem Gericht einzulegen, das den Strafbefehl erlassen hat. Dabei reichen Formulierungen wie: „gegen den Strafbefehl wird Einspruch eingelegt“ (für den unbeschränkten Einspruch) oder „gegen die Rechtsfolgen des Strafbefehls wird Einspruch eingelegt“ (für den beschränkten Einspruch), aus. Der Einspruch muss persönlich unterschrieben werden und innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung bei Gericht eingehen. Einlegung per E-Mail oder telefonisch genügen dafür nicht. Der Einspruch kann auch beim Amtsgericht zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden.


4. Kann man den Einspruch zurücknehmen?

Man kann den Einspruch bis zum Beginn der Hauptverhandlung ohne Weiteres zurücknehmen, auch wenn schon eine Ladung zum Gerichtstermin vorliegt. Der Termin zur Hauptverhandlung findet danach nicht mehr statt. Nach Beginn der Hauptverhandlung, kann dies problematisch sein, da die Staatsanwaltschaft der Rücknahme des Einspruchs zustimmen muss. Mit der Rücknahme des Einspruchs wird der Strafbefehl rechtskräftig.


5. Lohnt sich der Einspruch gegen einen Strafbefehl?


a. Chancen

Grundsätzlich lohnt sich ein Einspruch schon allein vor dem Hintergrund, dass man sich zunächst Zeit verschafft und die Rechtskraft des Strafbefehls beseitigt. Wie bereits ausgeführt, kann der Einspruch bis zum Beginn der Hauptverhandlung jederzeit zurückgenommen werden. Durch das Einlegen des Einspruchs erhöhen sich die Verfahrenskosten nicht, wenn der Einspruch vor Beginn der Hauptverhandlung zurückgenommen wird.


Ob der Einspruch dann zum gewünschten Ergebnis führt, kann man pauschal nicht sagen. Die Tendenz, dass die Strafe nach einem Einspruch milder ausfällt, ist eher gut. Das ist vor allem deshalb so, weil das Strafbefehlsverfahren ein summarisches Verfahren ist in dem nach Aktenlage entschieden wird. Wegen der Überlastung der Justiz neigen viele Gerichte dazu, die Strafbefehle ohne großartige Prüfung schnell zu erlassen, um die Verfahren zügig abzuarbeiten.


In dem Strafbefehlsverfahren wird der Sachverhalt oft zu einseitig dargestellt, da dieser meistens auf den Aussagen von Belastungszeugen beruht. Durch den Einspruch und die anschließende Hauptverhandlung, hat man die Möglichkeit eigene Beweisanträge zu stellen. Es besteht zudem die Möglichkeit die Aussagen der Belastungszeugen zu hinterfragen und diese dem Gericht als unglaubhaft zu präsentieren.


Mit dem Einspruch lässt sich in vielen Fällen die Einstellung des Verfahrens durch Zahlung einer Geldauflage erreichen. Der Vorteil ist dabei, dass keine Eintragung im Bundeszentralregister erfolgt.


Da den Strafverfolgungsbehörden die tatsächlichen Einkommensverhältnisse des Betroffenen unbekannt sind, wird eine durchschnittliche Tagessatzhöhe bei ähnlich gelagerten Fällen festgesetzt. Durch das Nachweisen der tatsächlichen Einkommensverhältnisse, kann eine deutlich geringere Geldstrafe erreicht werden.


b. Risiken

Es sollten jedoch auch die Risiken des Einspruchs berücksichtigt werden. Wie bereits ausgeführt gilt beim Strafbefehlsverfahren kein Verböserungsverbot. Das Gericht kann mit dem Urteil auch eine höhere Strafe verhängen oder sogar eine weitere wie z.B Fahrverbot erstmals anordnen. Zu beachten ist zudem, dass die Sperrfrist für das Erteilen der neuen Fahrerlaubnis erst ab Rechtskraft des Urteils zu laufen beginnt. Man läuft also Gefahr, dass die Sperrfrist nach dem Einspruch länger ist, als zuvor in dem Strafbefehl angesetzt war.


Weiterhin ist zu beachten, dass der bis zur Hauptverhandlung nicht zurückgenommene Einspruch, höhere Gerichtskosten verursacht. Im schlimmsten Fall kann es also sein, dass man mit einer höheren Strafe und höheren Gerichtskosten aus dem Gerichtssaal geht.


Um die Chancen und Risiken richtig einschätzen zu können, empfiehlt es sich einen Strafverteidiger zu beauftragen.


5Frist versäumt, ist der Einspruch gegen den Strafbefehl noch möglich?


Ist die Frist von zwei Wochen versäumt, so wird der Strafbefehl zu einer rechtskräftigen Verurteilung und kann mit keinem Rechtsmittel angefochten werden. Das bedeutet, dass Rechtsmittel wie die Berufung und Revision dann ausgeschlossen sind. Jedoch kann der Einspruch trotz Verfristung unter bestimmten Voraussetzungen dennoch eingelegt werden.


a. Zustellungsfehler – z.B Strafbefehl wurde an die falsche Adresse zugestellt

Die Frist von zwei Wochen beginnt erst nach der wirksamen Zustellung zu laufen. Das bedeutet, dass der Strafbefehl tatsächlich zugestellt werden muss. Bei Zustellungsfehlern beginnt die Einspruchsfrist noch nicht zu laufen. Ein Zustellungsfehler kann sich daraus ergeben, dass z.B. nach einem Umzug in eine neue Wohnung der der Strafbefehl an die frühere Meldeanschrift zugestellt wird. In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, den Einspruch noch fristgerecht einlegen zu können.


b. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – z.B beim Krankenhausaufenthalt

Weiterhin kann der Einspruch beim unverschuldeten Verstreichen der Frist noch nachgeholt werden. Wurde der Strafbefehl ordnungsgemäß zugestellt und hat man die Frist unverschuldet z.B durch einen Krankenhausaufenthalt versäumt, so besteht die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Wiedereinsetzung ist selbst fristgebunden und muss ausführlich begründet und glaubhaft gemacht werden. Zu beachten ist, dass der Antrag auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb einer Woche nach Kenntnisnahme des Strafbefehls gestellt werden muss.


Ob Zustellungsfehler oder die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung vorliegen, kann am besten ein Rechtsanwalt durch seine Expertise beurteilen.


6. Kann man gegen einen rechtskräftigen Strafbefehl vorgehen?


Wurde die Frist durch das eigene Verschulden verstrichen und sind keine Zustellungsfehler ersichtlich, so kann noch im Wege eines Wiederaufnahmeverfahrens und im Wege eines Gnadengesuchs gegen den rechtskräftigen Strafbefehl vorgegangen werden.


Die Strafprozessordnung nennt im § 359 StPO verschiedene Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens. Der häufigste Fall ist in der Praxis das Beibringen von neuen Tatsachen und Beweismittel, die im Strafbefehlsverfahren noch gar nicht berücksichtigt wurden (vgl. § 359 Nr. 5 StPO).


Als letzte Möglichkeit gegen den rechtskräftigen Strafbefehl vorgehen zu können, bleibt nur der Gnadengesuch. In der Praxis sind die Chancen eines erfolgreichen Gnadengesuches sehr gering.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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