Strafverfahren Kinderpornografie § 184b StGB - Hauptverhandlung vermeiden

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Der Autor hat bereits in zahlreichen Fachbeiträgen zu den Besonderheiten bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen § 184b StGB, also dem Tatvorwurf „Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie“, Stellung genommen. Aus der bundesweiten Strafverteidigungspraxis in Strafverfahren wegen Kinderpornografie ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Steffen Lindberg, MM bekannt, dass eine der Hauptsorgen von Beschuldigten häufig darin liegt, sich in einer öffentlichen Hauptverhandlung wegen Kinderpornografie verantworten zu müssen.

Nachfolgend daher einige FAQs, welche sich allein mit dem Thema der Öffentlichkeit beschäftigen. Im Hinblick auf die übrigen Spezialfragen bei dem Tatvorwurf „Besitz von Kinderpornografie“ bzw. „Verbreitung von Kinderpornografie“ sei auf die übrigen Fachbeiträge des Autors verwiesen.

1. Ist eine strafrechtliche Hauptverhandlung immer öffentlich?

Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist in § 169 GVG geregelt. Diese Vorschrift hat in erster Linie den Hintergrund, dass der anwesenden Öffentlichkeit eine Art Kontrollmöglichkeit zukommt. Vor dem Hintergrund der geschichtlichen Entwicklungen sollen u. a. rechtsstaatswidrige Verhandlungen bzw. Geheimverfahren verhindert werden.

2. Was passiert, wenn der Grundsatz der Öffentlichkeit durch das Gericht verletzt wird?

Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist eine wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung. Wird seitens des Gerichts eine Verletzung hiervon begangen, kann dies einen absoluten Revisionsgrund im Sinne des § 338 Nr. 6 StPO darstellen. Das Urteil wäre gegebenenfalls aufzuheben und die Sache erneut zu verhandeln.

3. Kann die Öffentlichkeit eingeschränkt werden?

Unter gewissen Voraussetzungen kann das Öffentlichkeitsgebot durchbrochen und der Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt werden. Dies ist etwa denkbar, wenn der Schutz der Privatsphäre eines Prozessbeteiligten dies erfordert (§ 171b GVG). Zu beachten ist allerdings, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit regelmäßig nicht für die gesamte Hauptverhandlung gilt. Insbesondere findet die Anklageverlesung grundsätzlich öffentlich statt.

4. Kann eine öffentliche Hauptverhandlung bei § 184b StGB vermieden werden?

Bei Strafverfahren wegen Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie kann bereits der Tatvorwurf eine stigmatisierende Wirkung entfalten. Dies im Übrigen unabhängig davon, ob der Vorwurf zutreffend oder unzutreffend erhoben wurde. Neben den eigentlichen strafrechtlichen Konsequenzen drohen u. a. Auswirkungen im familiären und sozialen Bereich. Die Erfahrung im Bereich der bundesweiten Strafverteidigung bei Ermittlungsverfahren wegen Besitz von Kinderpornografie zeigt, dass regelmäßig alle Anstrengungen unternommen werden müssen, um bereits die Situation einer öffentlichen Hauptverhandlung zu vermeiden. Zwar mag die Regelung des § 171b GVG (Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit) einen gewissen Schutz für Teile der Hauptverhandlung bieten. Weitaus besser ist allerdings, diese Situation komplett zu vermeiden. Ob es letztlich zu einer Hauptverhandlung kommt, ist wesentlich von der Entscheidung des zuständigen Staatsanwalts abhängig. Diesem obliegt es, ob Anklage erhoben wird oder nicht. Ziel einer effektiven und diskreten Strafverteidigung im Bereich des § 184b StGB (Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie) ist es daher, bereits im Ermittlungsverfahren „alle Register zu ziehen“, um im Interesse des Mandanten sich für eine außergerichtliche Lösung einzusetzen. Häufig gelingt dies auch, weshalb eine bundesweite Strafverteidigung bei Ermittlungsverfahren wegen Kinderpornografie faktisch auch nur möglich ist.

Wurde der Tatvorwurf unzutreffend erhoben bzw. ist der Tatnachweis mit den prozessual zulässigen Mitteln nicht zu führen, liegt die Aufgabe des Strafverteidigers bei § 184b StGB darin, bereits im Ermittlungsverfahren eine Verfahrenseinstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdacht zu erreichen. Auch wenn der Tatvorwurf zutreffend erhoben wurde, kann der Strafverteidiger durch entsprechende Gespräche mit dem zuständigen Staatsanwalt sowie durch Schriftsätze darauf hinwirken, dass von einer Anklageerhebung und der damit verbundenen Hauptverhandlung abgesehen werden soll. Neben Erfahrung im Umgang mit solchen Strafverfahren zählen hierbei u. a. die gewählte Verteidigungstaktik sowie die vorgebrachten Argumente.

5. Welche Möglichkeiten einer Verfahrenserledigung sind bei § 184b StGB ohne Hauptverhandlung denkbar?

Bei Strafverfahren wegen Besitz von Kinderpornografie im Sinne des § 184b StGB existieren folgende Alternativen zu einer öffentlichen Hauptverhandlung: Verfahrenseinstellung mangels Tatverdachts gem. § 170 Abs. 2 StPO, Einstellung wegen Geringfügigkeit gem. § 153 StPO (kommt selten in Betracht), Einstellung gegen eine Geldauflage im Sinne des § 153a StPO bzw. Regelung im Strafbefehlsverfahren (schriftliches Verfahren). Es hängt natürlich vom jeweiligen Einzelfall ab, ob bzw. inwieweit eine der benannten Alternativoptionen zur Verfahrenserledigung bei dem Tatvorwurf Besitz von Kinderpornografie beschritten werden kann. Wichtig ist: Im Nachgang zur Wohnungsdurchsuchung wegen Kinderpornografie (§ 184b StGB) sollte so rasch als möglich professionelle anwaltliche Unterstützung eingeholt werden, damit frühestmöglich mit einer effektiven Strafverteidigung und strafrechtlichen Beratung begonnen werden kann. Erfahrenen Strafverteidigern im Sexualstrafrecht ist „nichts fremd“. Es gelingt daher regelmäßig innerhalb kürzester Zeit, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, welche die Basis für eine erfolgreiche Strafverteidigung darstellt. Wenig sinnvoll erscheint es hingegen, das eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Kinderpornografie im Sinne des § 184b StGB zu ignorieren und „den Kopf in den Sand zu stecken“.


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