Strafverteidiger: „In diesem wundervollen Beruf lernt man sehr viel über sich selbst“

  • 5 Minuten Lesezeit
Strafverteidiger Harald Stehr: „In diesem wundervollen Beruf lernt man sehr viel über sich selbst“
Theresa Höfle anwalt.de-Redaktion

Ein Blick in seine Online-Bewertungen auf anwalt.de genügt und man weiß: Rechtsanwalt Harald Stehr von KS-Strafverteidigung ist Strafverteidiger aus Leidenschaft. Zu dieser kam nach und nach ein gut gefüllter „Werkzeugkasten“ – wie er ihn nennt – hinzu. Im Interview erzählt er, wodurch es ihm gelingt, in einem Strafprozess auf jede Situation vorbereitet zu sein, und wie er gelernt hat, nicht nur Richter und Staatsanwälte, sondern vor allem auch sich selbst einzuschätzen.  

Warum haben Sie sich für das Strafrecht entschieden?

Strafrecht war der Grund, weshalb ich überhaupt Jura studiert habe. Dass ich kein anderes Rechtsgebiet später bearbeiten wollte, wusste ich von Tag eins an.

Es heißt, in keinem anderen Rechtsgebiet ist der Ausgang eines Verfahrens so offen wie im Strafrecht. Was sollten gute Strafverteidiger mitbringen, um damit umgehen zu können?

Ein Strafverteidiger braucht einen sehr gut bestückten „Werkzeugkasten“ voller prozessualer Möglichkeiten, um auf die jeweiligen Situationen, die in einem Verfahren auftreten können, im Einzelfall prozessual eingehen zu können. Ausnahmslose Aktenkenntnis ist eine Grundvoraussetzung jedes Verfahrens. Prozessuale Kenntnisse dürfte die Spreu vom Weizen trennen.

Mit Ihrem anwalt.de-Profil werden Sie als Anwalt gefunden

Jetzt kostenlos testen

Mit Ihrem anwalt.de-Profil werden Sie als Anwalt gefunden

Jetzt kostenlos testen

Gab es zu Beginn oder während Ihrer beruflichen Laufbahn Kollegen, von denen Sie besonders viel gelernt haben oder die Vorbilder für Sie waren?

Selbstverständlich. Ohne Vorbilder geht es im Strafrecht meiner Meinung nach nicht. Niemand fängt in dem Beruf an und glänzt mit dem, was er gelernt hat. Vorgehensweise, Stil, Auftreten vor Gericht und Umgang mit Staatsanwälten, Kollegen und Mandanten wird einem nicht an der Uni oder als Referendar beigebracht. In diesem wundervollen Beruf lernt man sehr viel über sich selbst und orientiert sich anfangs an seinen eigenen Vorbildern, also den Kollegen und Kolleginnen, die man toll findet. 

Bereiten Sie sich (noch) darauf vor, wer der verhandelnde Richter ist, oder kennt man sich am Gericht mit der Zeit?

Ich bin bundesweit tätig, daher kenne ich oftmals nicht die Richter und Richterinnen, bei denen ich verhandle. Je nach Fall wird selbstverständlich bei den Kollegen und Kolleginnen vor Ort Auskunft eingeholt. 

Informieren Sie sich vor einem Gerichtsverfahren auch über den Staatsanwalt? Wenn ja, woher beschaffen Sie sich Informationen?

Auch hier gilt das, was ich eben gesagt habe. Es liegt am jeweiligen Fall. Allerdings besteht hier schneller und formloser die Möglichkeit, im Vorfeld mal mit der Staatsanwaltschaft mal zu telefonieren, was meiner Erfahrung nach nicht immer, aber oft gern angenommen wird. Ein rechtzeitiger Austausch der Positionen hat schon oft zu einem sehr guten Ergebnis geführt. 

Müssen Sie Ihre Strategie in einem Fall manchmal kurzfristig ändern, wenn ein anderer Staatsanwalt als in der Anklageschrift die Sitzungsvertretung übernimmt?

Sehr selten. Es gibt Fälle, die stark vom jeweiligen Sitzungsvertreter abhängen. Aber nicht die Staatsanwaltschaft bestimmt die Verteidigungsstrategie. Ausnahmen hierzu gibt es dort, wo deren Zustimmung nötig ist, etwa bei Einstellungen nach § 153a StPO. Hier sind dann aber eher Soft Skills nötig als die Änderung einer Strategie, da ein „bockiger“ Vertreter der Staatsanwaltschaft – unabhängig von den Argumenten – seine Zustimmung ohne Nennung irgendwelcher Gründe einfach verweigern kann. 

Welche Rolle spielen soziale Medien und Online-Plattformen bei der Informationsbeschaffung über die Beteiligten des Rechtsstreits?

Es könnte fahrlässig sein in den Zeiten von Social Media, sich nicht zu informieren. Stellen Sie sich mal fiktiv einen Schöffen vor, der sich zum Beispiel öffentlich auf Social Media gegen bestimmte Volksgruppen oder gewisse Straftaten äußert. Den können Sie dann nicht im Prozess belassen, wenn Ihr Mandant zu dieser Volksgruppe gehört oder ihm diese Straftat vorgeworfen wird. 

Tauscht man sich in der Anwaltschaft über seine Erfahrungen mit Richtern und Staatsanwälten aus?

Ja. Und ich lege die Hand dafür ins Feuer, dass es andersherum auch so ist. 

Wie wichtig ist Networking für Sie als Anwalt?

In jedem Beruf ist Networking interessant. Die größte Werbung, die man ja mit Networking betreiben möchte, ist allerdings die eigene Arbeit. 

Gibt es Tatvorwürfe, bei denen es als Strafverteidiger besonders wichtig ist, frühere Entscheidungen des Richters oder bisherige Strategien des Staatsanwalts zu kennen?

Dieses Wissen ist bei beinahe jedem Fall wichtig. Wichtiger mag aber sein, was die höheren Gerichte zu den Tatvorwürfen gesagt haben. Diese Kenntnis muss dann gegebenenfalls zum unteren Gericht transportiert werden. 

Glauben Sie, es ist für Strafverteidiger sinnvoll, auch als Anwalt der Nebenklage aufzutreten, um die andere Seite und deren Strategien zu verstehen?

Ich halte es für inkonsequent und unlogisch als Strafverteidiger aus Leidenschaft, als Nebenklägervertreter aufzutreten. Manchmal habe ich den Eindruck, dass einfach nur jede Gelegenheit genutzt wird, in einem Fall mitzuwirken. Gewiss, es gibt Ausnahmen, die ich auch schon gemacht habe, die Regel soll es aber nicht sein. Als Verteidiger gehöre ich an die Seite der Angeklagten. 

Zeitpunkt der Verhandlung, Kleidung, Auftreten: Kann das vor Gericht unterbewusst eine Rolle spielen?

Definitiv. Als „geschniegelter“ Anwalt optisch im dreiteiligen Anzug an der tschechischen Grenze beim Vorwurf der Einfuhr von Betäubungsmitteln aufzutreten, kann unterbewusst das Zünglein an der Waage sein. Ebenso wie der Verteidiger, der völlig underdressed ist, eventuell vor einer großen Strafkammer nicht ganz ernst genommen wird. Ein Benehmen völlig an der Vernunft vorbei wird dem Mandanten eher schaden, genauso wie eine Unterwürfigkeit des Verteidigers Chancen vergibt. 

Strafverteidigung hat sehr viele Faktoren. Maßgeblich und entscheidend ist aber immer die juristische, durchsetzungsstarke Arbeit. 

Rechtsanwalt und Strafverteidiger Harald Stehr ist seit 2017 mit einem Anwaltsprofil und einem Kanzleiprofil auf anwalt.de vertreten. Er steht seinen Mandanten als Fachanwalt für Strafrecht bundesweit zur Seite. Die Kanzlei KS-Strafverteidigung Rechtsanwälte u. Strafverteidiger Kolaczkowski & Stehr mit Sitz in Göppingen ist neben Strafrecht auf die Verteidigung in Bußgeld- und Ordnungswidrigkeitenverfahren spezialisiert. 

(THH; ZGRA) 

Lesen Sie, welche Karrierechancen der Anwaltsberuf bietet, und erfahren Sie, was Sie für eine hervorragende Reputation als Anwalt alles tun können. 

Foto(s): ©privat/Harald Stehr, ©Adobe Stock/amixstudio

Artikel teilen:


Beiträge zum Thema